20.2.06

Elementarteilchen


BRD 2005 (Elementarteilchen) Regie: Oskar Roehler mit Moritz Bleibtreu, Christian Ulmen, Martina Gedeck, Franka Potente, Nino Hoss, Uwe Ochsenknecht 105 Min.
 
Aus hässlichem Entchen wird romantischer Schwan
 
Roehler spült Houellebecqs „Elementarteilchen" weich
 
Es war einmal ein unerträglicher Roman, voller Ekel, Weltverdruss und Selbsthass. Da kam ein bekannter Regisseur daher, dessen Filme bislang durchaus Ähnlichkeiten zu Houellebecqs Ergüssen hatten, der diesem Gollum der Bestseller-Liste irgendwie seelenverwandt schien und deshalb wollte niemand die Frucht beider jammervoller Gedankenwelten sehen. Außer den seltsamen Menschen, die immer noch Houellebecq-Romane kaufen, es sollen nicht wenige sein. Nun geschah aber das Wunder, dass aus dem ganzen rausgerotzten Lebensüberdruss ein ganz netter, sogar witziger und vor allem richtig romantischer Film wurde.
 
Dem in einigen Kreisen durchaus überschätzten Regisseur Oskar Roehler war Humor bislang nicht ganz unbekannt: Von „DIE UNBERÜHRBARE" bis „AGNES UND SEINE BRÜDER" wurden seine Filme immer weniger larmoyant und viel erträglicher. Nun lässt er sogar Bruno (Moritz Bleibtreu) und Michael (Christian Ulmen) lachen. Die beiden Halbbrüder sind die Anti-Helden von Houellebecq. Bruno quält sich mit sexuellen Frustrationen durchs Leben, kompensiert das mit heftigen Obszönitäten, Rassismus und an allem haben die 68er Schuld. Der geniale Biologe Michael hat seit früher Jugend auf Gefühle verzichtet und forscht an künstlicher Reproduktion der Menschheit ohne solche lästigen Randerscheinungen wie Sex oder Gefühle.
 
Nun hat Christian Ulmen schon viel zu viel Gefühl im Blick, sieht viel zu gut für die Houellebecq-Figur aus. Und obwohl der Stoff für Roehler sehr biographisch war, er wuchs wie die beiden Jungs bei seiner Oma auf, zeigt dieser das Beste, was man aus Houellebecq machen kann: Ein Liebesfilm mit frustriertem Clown (Bleibtreu) am Rand. Der Deutsche zeigt den Lebensverdruss des Franzosen viel weniger radikal in Wort und Gedanken. Die Verlierer, die sich aus persönlichem Unvermögen beim Umgang mit Frauen in sex- und gefühlslosen Theorien für gesamte Menschheit suhlen, bekommen ihre romantische Chance. (Ein Hohn übrigens, dass der sich so radikal gebende Houellebecq selbst noch an anderen alten Zöpfen wie Religiosität in Form von Anti-Islamismus hängt.)
 
Moritz Bleibtreu kann die desillusionierte Verzweiflung erschreckend gut spielen und bekam dafür auf der Berlinale einen Silbernen Bären als Bester Darsteller. Die ansonsten meist langweilige Martina Gedeck zeigt als tragisch sex-süchtige Christiane mit schwarzen Haaren eine ihrer besten Rollen. Überhaupt gibt es öfters ein lustiges Wiedersehen mit quer besetzten deutschen Stars. Als Michels Liebe Annabell eine leicht verhärmte Franka Potente. Uwe Ochsenknecht als versoffener Ex-Chirurg und Papa Brunos. Zum Nachdenken bleibt allerdings vor allem eine als Satire gemeinte Bemerkung am Rande eines libertinären Zeltlagers: Die Freiheit des anderen dehnt die meine bis ins Unendliche aus.
 
Und so wird aus dem Zusammentreffen zweier Giganten des Trübsalblasens erstaunlicherweise der am wenigsten radikale Roehler. Man ist vor allem erleichtert, weil der befürchtete Larmoyanz-Tiefpunkt so einfach und leicht humorig ausfiel.