Knallhartes aus deutschen Landen
Von Günter H. Jekubzik
Man hat es schon schwer mit den Stars: Da schafft man es tatsächlich, bei der Gala-Vorführung von "Syriana" George Clooney nicht nur zu sehen, sondern auch zu berühren, nachdem man über mehrere Sitzreihen geklettert ist und ein paar Leuten in den Nacken sprang. Und dann setzt dieser Clooney einem als Hauptdarsteller und Produzent so einen schwierigen Politfilm vor und ist außerdem richtig fett und unattraktiv! Und überhaupt sind die tollen Frauen von der Leinwand alle in Wirklichkeit viel kleiner.
Wie Q'Orianka Kilcher, die erst 15-jährige Hauptdarstellerin aus der Utopie eines anderen Amerika "The New World". Sie spielt die legendäre Häuptlingstochter Pocahontas (deren Name allerdings nie genannt wird). Als die ersten Engländer an der Küste des späteren New England ankommen, gehen sie beinahe an Krankheiten und Hunger zugrunde. Nur der eigenwillige Captain John Smith (Colin Farrell) hat intensiveren Kontakt zu den Bewohnern, verliebt sich in Pocahontas. Ein Traum von gemeinsamen Leben, den Terrence Malick als Leinwand-Gedicht gestaltete, grausame Ernüchterung inklusive.
Gegen solche Kinoträume setzt Deutschland das brutale Leben. Wie bei Detlev Buck, der auf einmal gar nicht mehr komisch ist, sondern "Knallhart". Sein junger Held Michael (David Kross, engels-gesichtig wie der Junge in "Elefant") erlebt den Abstieg ins Berliner Viertel Neukoelln. In der Schule gibt es gleich Prügel. Handy und Sportschuhe ist er bei der Abzocke sofort los. Keiner kann helfen, nur ein türkischer Drogendealer zeigt Anstand und Kultur - mit tödlichen Folgen. Unvermittelte Gewalt auf offener Straße, das ganze fürs Handy gefilmt, so ein Berlin hat man selten gesehen. Buck gelingt eine Reihe guter Szenen, doch im internationalen Vergleich bleibt "Knallhart" blass - nicht nur wegen der entsättigten Farben.
Noch härter trifft "Der Kick", die Kinoversion des vielbesprochenen Theaterstücks von Andreas Veiel ("Black Box BRD", "Die Spielwütigen"). Drei Skinheads brachten in Potzlow auf bestialische Weise einen Jungen um. Dem medialen Ausschlachten der Tat und des ganzen Dorfes setzt Veiel nach intensiver Recherche Reduktion entgegen: Nur zwei Schauspieler lesen alle Rollen. Anstrengend, aber trotzdem stark und erschütternd.
Ebenso der neueste Part von Jürgen Vogel, er spielt einen Vergewaltiger, der nach neun Jahren Haft mit einer missbrauchten Frau zusammenkommt. Chronologisch mit der Tat beginnend, bezweifelte selbst Regisseur Matthias Glasner, ob er diesen Trip bis zum Ende durchhält. Es ging ihm und den Ko-Autoren, u.a. auch Vogel, nicht darum, etwas "Abartiges" wegzuschieben, zu verdrängen, sondern sich ihm auszusetzen. 163 Minuten lang! Da versteht man, die spürbare Erleichterung, wenn in Robert Altmans Hommage an die Country-Radioshow "A Prairie Home Companion" minutenlang einfach über dreckige Witze gelacht werden kann ...