17.8.08
Locarno 2008 Preise
Locarno. Abschluss mit Anspruch: Der Goldene Leopard, der rund 56.000 Euro dotierte Hauptpreis des 61. Filmfestivals von Locarno (6.-16.8.2008) geht an den mexikanischen „Parque Vía" von Enrique Rivero. Der Langfilm-Erstling des in Madrid geborenen Rivero war auch der Favorit der FIPRESCI-Jury, was einem besonderen Qualitätssiegel gleichkommt.
„Parque Vía" zeigt ausführlich das Leben von Beto, einem alten "Indio", der eine luxuriöse Villa in Mexico City bewacht. Er wohnt ganz alleine im leer stehenden Haus, das zum Verkauf steht, ohne Kontakte zur Außenwelt. Der Film verfolgt wortkarg und ohne Musik die sich wiederholenden Alltagsbeschäftigungen Betos und eine blutige Medienwelt. Neben Betos Einzelschicksal zeigt "Parque vía" auch die sozialen Brüche im modernen Mexiko anhand der Beziehung zwischen der Besitzerin und dem Angestellten: Die Unterschiede zwischen Reich und Arm verschränken sich mit denjenigen zwischen Weißen und den indigenen Völkern Mexikos. Der Film basiert auf der Lebensgeschichte von Nolberto Coria, der selbst die Rolle Betos spielt, und mischt Dokumentarisches mit Fiktion.
Der junge Regisseur Enrique Rivero wurde 1976 in Madrid geboren. Vor seinem nun so erfolgreichen Langfilm-Debüt assistierte er bei Pedro Aguilera, der zusammen mit Carlos Reygadas („Batalla en el cielo“, 2005) zur Bewegung des neuen radikalen mexikanischen Kinos gehört.
Der Spezialpreis der Jury für den zweitbesten Film ging an den favorisierten "33 Sceny z zycia" (33 Szenen aus dem Leben) der Polin Malgoska Szumowska. Das Psychodrama mit Julia Jentsch („Sophie Scholl - Die letzten Tage“) ist eine Koproduktion der Kölner Pandora Film und der Warschauer STI Studio Filmowe mit ZDF/Arte, die dank der Filmstiftung NRW unter anderem in Köln gedreht wurde.
Als Schlusspunkt eines gefälligen Piazza-Programms wurde Samstagabend vor der Riesenleinwand des atmosphärischen Open Air-Kinos mit „Parque Vía" ein sozialkritischer, oft unzugänglicher Film prämiert. Im Wettbewerb mit 18 Beiträgen meist junger Filmemacher erlebte man oft einen schweren Abschied von der Kindheit und eine Verlorenheit im Erwachsensein, das noch als viel zu groß und verwirrend wahrgenommen wird.
Den weiblichen Darstellerpreis erhielt entgegen den Erwartungen vieler weder Julia Jentsch für ihre beeindruckende Julia in „33 Szenen“ noch das junge niederländische Mädchen Betty Qizmolli für „Het zusje van Katia“ von Mijke de Jong. Das ergreifende Familiendrama erhielt eine Besondere Erwähnung der Jugend-Jury. Die Internationale Jury mit Dani Levy entschied sich für die italienische Schauspielerin Ilaria Occhini als Beste Darstellerin in "Mar Nero" Den Darstellerpreis erhielt Tayanç Ayaydin für „The Market - A Tale of Trade“ von Ben Hopkins, eine Gemeinschaftsproduktion von Deutschland, Großbritannien, Türkei und Kasachstan.