4.8.08

Der Mond und andere Liebhaber


BRD 2008 Regie: Bernd Böhlich mit Katharina Thalbach, Birol Ünel, Fritzi Haberlandt, Steffen S. Scheumann, Andreas Schmidt 103 Min. FSK: ab 12

Wenn dieser Film eine englische Produktion gewesen wäre oder eine aus Hollywood, würde man jetzt schon einen Namen in die Oscar-Statuen gravieren: Katharina Thalbach. Man wusste, sie ist gut, großartig in all den vielen starken Rollen der letzten Jahrzehnte. Aber mit „Der Mond und andere Liebhaber“ bekommt diese großartige Person die Gelegenheit, mit allen Facetten ihres Könnens diesen Film fast zu sprengen.

Katharina Thalbach wurde 1954 in Berlin geboren. Bereits mit zehn Jahren spielte sie Film in der DDR. In der „Blechtrommel“ zeigte sie 1978 als Maria dem Oskarchen, was man mit Brausepulver Spannendes anstellen kann. In „Hände weg von Mississippi“ machte sie kürzlich schon mal auf Oma, aber hier zeigt sie all ihre Gesichter: Die starke Frau und Freundin für eine Kollegin (Fritzi Haberlandt), die nach dem Ende der Fabrik nicht mehr weiter weiß. Das kleine Mädchen, das übers ganze Gesicht strahlt – in Vorfreude auf eine neue Liebe. Die schreiende Mutter, das gebrochene Herz, ein Häuflein Elend, das sich bald wieder aufrappelt und ein Stück vom Leben zu ergattern sucht. Selbst Birol Ünel, in so vielen Filmen eigentlich unzähmbare und unhaltbare Personifizierung von Lebenslust bis zur Selbstzerstörung, wirkt hier letztendlich wie ein Biedermann – im Vergleich zu Thalbachs Hanna!

Die 50-jährige Lagerarbeiterin aus dem Osten lässt sich von Entlassung nicht unterkriegen und bekommt sogar noch den Traummann (Ünel) auf Besuch, doch die Liebe erfüllt sich nicht und das Leben wird grau und leer. Aber Hanna denkt nur kurz darüber nach, aus dieser Achterbahn der Gefühle und Katastrophen, der Nackenschläge und kleinen Glücksmomente auszusteigen.

Um dem sehr schönen Film voller Leidenschaft und Feingefühl gerecht zu werden: Es ist auch eine exzellente Inszenierung von Regisseur Bernd Böhlich nach seinem eigenen Buch. Die Kamera von Florian Foest macht in ihrer Farbdramaturgie die Leidenschaften Hannas in fast schmerzlichem Rot unübersehbar. Die Lieder der Band „Silly“ wurden extra für den Film angepasst, obwohl sie klingen, als sei er immer ihr eigentlicher Bildhintergrund gewesen: „So ’ne kleine Frau / Und so ’ne große Stadt / Und so ’ne gute Bluse / Die kaum noch Farbe hat / Doch so ’ne fahle Sehnsucht / Schmerzt in ihrer Brust.“ Auch Böhlichs Schauspielführung ist mehr als gut: Fritzi Haberlandt hat man selten so glaubhaft und stimmig auf der Leinwand gesehen. Katharina Thalbach spielte in Böhlichs „Du bist nicht allein“, damals die resolute Ostberlinerin Frau Moll, die für einen Wachdienst ihre einstige, jetzt stillgelegte Fabrik bewacht. In diesem Sinne überzeugen aus jetzt herrliche trockene Sprüche über die DDR, den Sozialismus, der dort einst real existierte, und das was heute herrscht. Bei allem Niederschmetternden, bei Überraschungen, die meist böse sind, bei einem Schicksal, das zu viel Melodram gesehen hat, macht „Der Mond und andere Liebhaber“ auch Mut und Lust auf Leben. Weil er in vieler Hinsicht einfach gut ist, aber vor allem weil Hanna sich nicht unterkriegen lässt, ihr verschmitztes Lächeln dem Schicksal immer wieder trotzt. Und weil Katharina Thalbach diese Hanna spielt.