50 Jahre Nachwuchs in Gijón - das Festival International de Cine de Gijón
Mit 50 Ausgaben läuft Gijón den großen europäischen Festivals etwas hinterher. In Spanien wird es als dritt- oder viert-wichtigstes Filmevent geführt und gilt mit Fokus auf die „Independents" als spanisches Sundance. Die nachhaltige Wirkung dieser Festivalgeschichte war bei der Jubiläumsausgabe vom 16.-25. November nicht zu übersehen: Raúl García, Jurymitglied der neuen Animation-Sektion „Animaficx", erlebte beispielsweise das Festival, das sich seit 1963 auf Kino- und TV-Filme für Kinder und Jugendliche konzentrierte, bereits im Alter von 15 Jahren. Später war er erster spanischer Animator bei Disney überhaupt und steht momentan mit einem animierten Kurzfilm zu Poes „House of Usher" auf der Shortlist für die Oscars. Für die erste Animation eines Cornelia Funke-Romans (Kleiner Werwolf) sucht der freie Produzent und Regisseur gerade Partner. Bis zu 12.000 Kinder und Jugendliche jährlich bevölkern weiterhin vormittags die Festivalkinos der asturischen Küstenstadt und entdecken neue Perspektiven in einer ehemaligen Bergarbeiter-Region. Doch die Banken-Krise erreichte auch diese kulturell reiche Ecke Nordspaniens: Schulen protestieren gegen Kürzungen und konnten teilweise den Trip zum Festival nicht mehr finanzieren.
Der neue Festivalleiter Nacho Carballo, der den seit 1995 verantwortlichen José Luis Cienfuegos unter Protesten einiger spanischer Filmschaffender ablöste, setzt die Tradition mit der Reihe „Enfants terribles" fort, konnte aber auch einen starken internationalen Wettbewerb präsentieren, der sich seit 1986 etabliert hat. Einen weiteren Festivalerfolg verbuchte dabei „Epilogue", das bewegende Porträt zweier verarmter Rentner in Tel Aviv vom israelischen Regisseur Amir Manor. Kurzsichtige Proteste anlässlich des parallel stattfindenden israelischen Angriffs auf den Gazastreifen ließ die Festivalleitung zu, aber verteidigte die Freiheit der Filmvorführungen eines ausgesprochen linken Regisseurs und Kriegsgegners. Eindrucksvoll auch der Gewinner des FIPRESCI-Preises und afghanischer Oscar-Kandidat „The Patience Stone", in dem Atiq Rahimi („Erde und Asche", 2004) seinen eigenen Prix Goncourt-Roman „Syngué Sabour. Pierre de patience" („Stein der Geduld") über eine schmerzliche Emanzipation zwischen afghanischen Kriegsfronten zusammen mit Jean-Claude Carrière (Drehbuch) verfilmte. Bei den Kurzfilmen sorgte der Linzer Michael Rittmannsberger mit dem in Spanien unaussprechlichen Titel „Abgestempelt" und zwei Hauptpreisen für Aufsehen. Auch er landet damit auf der Oscar-Shortlist.
http://en.fic.gijon.es/
15.1.13
14.1.13
House at the End of the Street
USA, Kanada 2012 (House at the End of the Street) Regie: Mark Tonderai mit Jennifer Lawrence, Elisabeth Shue, Max Thieriot 101 Min. FSK ab 16
Gespenstig: Eben lag Elisabeth Shue in „Mavericks" noch bis Mittags im Bett und ihr Surfer-Sohn hatte Probleme, sie zur Arbeit zu scheuchen. Jetzt ist sie für den leicht zynischen Teenager Elissa (Jennifer Lawrence) sorgende Mutter. Und macht Jennifer Lawrence selbst nicht im Kino nebenan Handstände, um den bipolaren Bekannten rumzubekommen („Silver Linings - Wenn du mir, dann ich dir"). Kurios, aber auch ein Zeichen, dass „House at the End of the Street" nicht so spannend sein kann, wenn solche Gedanken Platz finden.
Elissa (Jennifer Lawrence) und Sarah (Elisabeth Shue) ziehen nach der Scheidung in ein neues Haus. Absoluter Horror sind die bigotten Nachbarn, normal in diesem Genre dagegen das leere Haus am Ende der Straße, in dem die Tochter ihre Eltern umbrachte und verschwand. Nur der überlebende Bruder Ryan taucht ab und zu mal im Gebäude auf und interessiert Elissa sehr. Nach einer halben Stunde, also sogar eher als Elissa dürfen wir schon in das vermeintliche Geister-Haus blicken und entdecken, dass Ryans Schwester gar nicht verschwunden, sondern von ihm mit Medikamenten ruhiggestellt dort haust. Und Böses will!
Das sorgt für etwas Spannung der üblichen Sorte: Dunkelheit und schiefe Geigen auf der Tonspur. Die Romanze wird vom Verbot der Mutter und netten Liedchen angefeuert. Die wahnsinnige Auflösung kommt dann früh mit etwas Psycho und keiner großen Überraschung. Jennifer Lawrence ist wieder einmal sehr präsent, während sie auf die zweite Folge der „Tribute von Panem" wartet. Derweil kann man diesen Film ruhig vergessen.
Gespenstig: Eben lag Elisabeth Shue in „Mavericks" noch bis Mittags im Bett und ihr Surfer-Sohn hatte Probleme, sie zur Arbeit zu scheuchen. Jetzt ist sie für den leicht zynischen Teenager Elissa (Jennifer Lawrence) sorgende Mutter. Und macht Jennifer Lawrence selbst nicht im Kino nebenan Handstände, um den bipolaren Bekannten rumzubekommen („Silver Linings - Wenn du mir, dann ich dir"). Kurios, aber auch ein Zeichen, dass „House at the End of the Street" nicht so spannend sein kann, wenn solche Gedanken Platz finden.
Elissa (Jennifer Lawrence) und Sarah (Elisabeth Shue) ziehen nach der Scheidung in ein neues Haus. Absoluter Horror sind die bigotten Nachbarn, normal in diesem Genre dagegen das leere Haus am Ende der Straße, in dem die Tochter ihre Eltern umbrachte und verschwand. Nur der überlebende Bruder Ryan taucht ab und zu mal im Gebäude auf und interessiert Elissa sehr. Nach einer halben Stunde, also sogar eher als Elissa dürfen wir schon in das vermeintliche Geister-Haus blicken und entdecken, dass Ryans Schwester gar nicht verschwunden, sondern von ihm mit Medikamenten ruhiggestellt dort haust. Und Böses will!
Das sorgt für etwas Spannung der üblichen Sorte: Dunkelheit und schiefe Geigen auf der Tonspur. Die Romanze wird vom Verbot der Mutter und netten Liedchen angefeuert. Die wahnsinnige Auflösung kommt dann früh mit etwas Psycho und keiner großen Überraschung. Jennifer Lawrence ist wieder einmal sehr präsent, während sie auf die zweite Folge der „Tribute von Panem" wartet. Derweil kann man diesen Film ruhig vergessen.
Django Unchained
USA 2012 (Django Unchained) Regie: Quentin Tarantino mit Jamie Foxx, Christoph Waltz, Leonardo DiCaprio, Samuel L. Jackson, Kerry Washington 165 Min. FSK ab 16
Schultz schießt schneller
Quentin Tarantino wird noch einen Friedensnobelpreis an den Hals gehängt bekommen, wenn er so weiterdreht: Erst jagt der Freiheitskämpfer im Regiestuhl eine ganze Nazi-Bande in die Luft und schreibt mit „Inglourious Basterds" Geschichte neu. Nun knüpft er sich die Aufknüpfer, die weißen Sklavenhalter und Rassisten vor und rechnet gnadenlos ab. Bei diesem filmischen Tänzchen zu Blut und Bleikugeln ist Christoph Waltz als deutscher Kopfgeld-Jäger Dr. King Schultz derjenige, der führt.
Der frisch gebackene Globe-Gewinner, einstiger und vielleicht auch zukünftiger Oscar-Sieger, wird grandios eingeführt als verrückter Deutscher der mit seinem Pferd Fritz und einer mobilen, bedrohlich schaukelnden Zahnarztpraxis im Western unterwegs ist. Erst entschuldigt er sich für seinen Dialekt, aber vor allem für seine gedrechselte Sprache, bei der jeder Satz ein Leckerbissen ist. (Wie das in der Synchronisierung rüberkommen soll, bleibt abzuwarten.) Dann verschaukelt er, knochentrocken und so sachlich, dass sich die Kinobalken biegen, im nächtlichen Auftakt ein paar grobe Sklavenhändler. Auch die greifen, ganz Ami, erst mal zum Gewehr, doch Schultz schießt schneller. So kommt der höfliche und immer korrekte Mann zu seinem Helfer Django (Jamie Foxx). Der soll zuerst ein paar üble Brüder identifizieren, die ihn und seine Frau einst ausgepeitscht haben. Doch der Mann erweist sich als ein derartiges Naturtalent in Sachen Abknallen und Kopfgeld kassieren, dass er nach ein paar geschmacklichen Unsicherheiten in Sachen Bekleidung Schultzens Partner wird. Alles andere ist Staffage und der Film hier fast Klamotte: Selbst ein ganzer Haufen von Kukluxern kommt nur angeritten, um sich lächerlich zu machen. Deren Diskussionen um in Heimarbeit schlecht geschnittene Kapuzen erinnert irgendwie an Kassenprüfung bei der NPD oder Weihnachtsfeier der V-Leute beim Verfassungsschutz. Ein Haufen Chaoten ohne Hirn.
Lässig schießen und quatschen sich Schultz und Django durch die Prärien und über die Berge. Man hat den Eindruck, die Ortswechsel finden nur statt, damit Tarantino diese großen Western-Landschaften vor die Kamera bekommt und findet es gut. Begleitet von schmissigen Songs aus schäbigen Spaghetti-Western - unter anderem des Meisters Ennio Morricone - ist der Winter des Abknallens und Absahnens zu kurz, als dass aus Männer-Freunden längerfristig Schultz & Schulz werden könnte. Django will mit dem Kopfgeld seine Frau freikaufen und in den freien Norden ziehen. Schultz bleibt an seiner Seite.
Beim großen Schauspiel-Duell zwischen Schultz und dem sadistischen Sklavenschinder Calvin Candie (Leonardo DiCaprio) gewinnt Waltz auf ganzer Linie, auch wenn er irgendwann auf der Strecke bleibt. Selbst Samuel L. Jackson, der coole Killer aus „Pulp Fiction", macht in seiner sehr ambivalenten Rolle als schwarzer Haus- und Hofmeister mehr Punkte als der ganz große Star. Klüger als sein Boss benutzt er diese Position als Einflüsterer - devot aber einflussreich. Jackson zeigt, wenn er seine unsolidarischen Drohungen direkt in die Kamera spricht, dass nicht der Mensch des Menschen Wolf ist. Nein, der eine Schwarze ist der Mörder der anderen. Das wird nochmals für Diskussionen sorgen.
Derweil schweigt Django vor allem, er bekommt seinen Auftritt später: Ab dem Moment, wo Tarantino selbst im Film auftaucht, gibt es ein gerüttelt Maß an Leichen und einige Blutfontänen. So ist „Django Unchained" ein Drittel mit entfesselter Waltz, dann ein Kammerspiel mit und gegen DiCaprio bis im letzten Teil Black Power die Leinwand im Tarantino-Blutrausch rot färbt und ein cooler Django beim Rachezugs etwas Hiphop mit auf den Weg bekommt. Oder für die neutralen Österreicher: 20 Prozent Gewalt und 80 Prozent Ge-Waltz.
Bei allem Western- und Filmspaß zeigt Tarantino in seiner fast linearen Erzählung ein schockierendes Bild von Rassismus und Unterdrückung. Der Spaß an der Gewalt funktioniert hier nicht als Selbstzweck, der große Fan-Boy hält sich zurück. Bis zum Finale, wenn er das weiße Herrenhaus in die Luft jagt, wie er es mit der Nazi-Bagage gemacht hat. Fast durchgehend ist der lange aber kurzweilige Film nicht auf die großen Szenen hin inszeniert, davon gibt es nur ein paar. Tarantino kann auch anders unter- und Spannung halten.
Schultz schießt schneller
Quentin Tarantino wird noch einen Friedensnobelpreis an den Hals gehängt bekommen, wenn er so weiterdreht: Erst jagt der Freiheitskämpfer im Regiestuhl eine ganze Nazi-Bande in die Luft und schreibt mit „Inglourious Basterds" Geschichte neu. Nun knüpft er sich die Aufknüpfer, die weißen Sklavenhalter und Rassisten vor und rechnet gnadenlos ab. Bei diesem filmischen Tänzchen zu Blut und Bleikugeln ist Christoph Waltz als deutscher Kopfgeld-Jäger Dr. King Schultz derjenige, der führt.
Der frisch gebackene Globe-Gewinner, einstiger und vielleicht auch zukünftiger Oscar-Sieger, wird grandios eingeführt als verrückter Deutscher der mit seinem Pferd Fritz und einer mobilen, bedrohlich schaukelnden Zahnarztpraxis im Western unterwegs ist. Erst entschuldigt er sich für seinen Dialekt, aber vor allem für seine gedrechselte Sprache, bei der jeder Satz ein Leckerbissen ist. (Wie das in der Synchronisierung rüberkommen soll, bleibt abzuwarten.) Dann verschaukelt er, knochentrocken und so sachlich, dass sich die Kinobalken biegen, im nächtlichen Auftakt ein paar grobe Sklavenhändler. Auch die greifen, ganz Ami, erst mal zum Gewehr, doch Schultz schießt schneller. So kommt der höfliche und immer korrekte Mann zu seinem Helfer Django (Jamie Foxx). Der soll zuerst ein paar üble Brüder identifizieren, die ihn und seine Frau einst ausgepeitscht haben. Doch der Mann erweist sich als ein derartiges Naturtalent in Sachen Abknallen und Kopfgeld kassieren, dass er nach ein paar geschmacklichen Unsicherheiten in Sachen Bekleidung Schultzens Partner wird. Alles andere ist Staffage und der Film hier fast Klamotte: Selbst ein ganzer Haufen von Kukluxern kommt nur angeritten, um sich lächerlich zu machen. Deren Diskussionen um in Heimarbeit schlecht geschnittene Kapuzen erinnert irgendwie an Kassenprüfung bei der NPD oder Weihnachtsfeier der V-Leute beim Verfassungsschutz. Ein Haufen Chaoten ohne Hirn.
Lässig schießen und quatschen sich Schultz und Django durch die Prärien und über die Berge. Man hat den Eindruck, die Ortswechsel finden nur statt, damit Tarantino diese großen Western-Landschaften vor die Kamera bekommt und findet es gut. Begleitet von schmissigen Songs aus schäbigen Spaghetti-Western - unter anderem des Meisters Ennio Morricone - ist der Winter des Abknallens und Absahnens zu kurz, als dass aus Männer-Freunden längerfristig Schultz & Schulz werden könnte. Django will mit dem Kopfgeld seine Frau freikaufen und in den freien Norden ziehen. Schultz bleibt an seiner Seite.
Beim großen Schauspiel-Duell zwischen Schultz und dem sadistischen Sklavenschinder Calvin Candie (Leonardo DiCaprio) gewinnt Waltz auf ganzer Linie, auch wenn er irgendwann auf der Strecke bleibt. Selbst Samuel L. Jackson, der coole Killer aus „Pulp Fiction", macht in seiner sehr ambivalenten Rolle als schwarzer Haus- und Hofmeister mehr Punkte als der ganz große Star. Klüger als sein Boss benutzt er diese Position als Einflüsterer - devot aber einflussreich. Jackson zeigt, wenn er seine unsolidarischen Drohungen direkt in die Kamera spricht, dass nicht der Mensch des Menschen Wolf ist. Nein, der eine Schwarze ist der Mörder der anderen. Das wird nochmals für Diskussionen sorgen.
Derweil schweigt Django vor allem, er bekommt seinen Auftritt später: Ab dem Moment, wo Tarantino selbst im Film auftaucht, gibt es ein gerüttelt Maß an Leichen und einige Blutfontänen. So ist „Django Unchained" ein Drittel mit entfesselter Waltz, dann ein Kammerspiel mit und gegen DiCaprio bis im letzten Teil Black Power die Leinwand im Tarantino-Blutrausch rot färbt und ein cooler Django beim Rachezugs etwas Hiphop mit auf den Weg bekommt. Oder für die neutralen Österreicher: 20 Prozent Gewalt und 80 Prozent Ge-Waltz.
Bei allem Western- und Filmspaß zeigt Tarantino in seiner fast linearen Erzählung ein schockierendes Bild von Rassismus und Unterdrückung. Der Spaß an der Gewalt funktioniert hier nicht als Selbstzweck, der große Fan-Boy hält sich zurück. Bis zum Finale, wenn er das weiße Herrenhaus in die Luft jagt, wie er es mit der Nazi-Bagage gemacht hat. Fast durchgehend ist der lange aber kurzweilige Film nicht auf die großen Szenen hin inszeniert, davon gibt es nur ein paar. Tarantino kann auch anders unter- und Spannung halten.
Mavericks
USA 2012 (Chasing Mavericks) Regie: Curtis Hanson, Michael Apted mit Gerard Butler, Jonny Weston, Elisabeth Shue, Abigail Spencer, Leven Rambin 116 Min. FSK ab 6
Curtis Hanson und Michael Apted - zwei Regisseure zum feucht werden noch bevor man von den ersten Wellen weggerissen wird. Curtis Hanson hat in seiner bisher kreativsten Phase von 1997 bis 2001 die Eminem-Bio „8 Mile", die tiefsinnige Lebens-Komödie „Die WonderBoys" und den gefeierten Thriller „L.A. Confidential" gedreht. Michael Apted beeindruckte in seiner langen Karriere seit „Gorky Park" (1983), mit Meilensteinen wie der Dokumentation „Sting - Bring on the Night", „Gorillas im Nebel - Die Leidenschaft der Dian Fossey", dem „Native American"-Drama „Halbblut" und zum gleichen Thema auch eine Doku, den ungewöhnlichen Geschichten „Nell" und „Blink" sowie zuletzt dick im Mainstream „James Bond 007 - Die Welt ist nicht genug" und „Die Chroniken von Narnia: Die Reise auf der Morgenröte". Die Lebensgeschichte des berühmten Surfers Jay Moriarity (1978 – 2001) wird also hoch aufgehängt. Mit „Mavericks" gelang den Regie-Stars überraschend ein Jugendfilm ohne Klischees und ein Surferfilm, der atemberaubend hohe Wellen schlägt.
Wie der erste Satz in der Literatur, kann auch die erste Szene eines Films schon alles erzählen: Als der kleine Jay beim Wellenzählen und einer ritterhaften Rettungsaktion für seine Freundin Kim von den Wellen erfasst wird, zieht ihn wie die Hand Gottes der Surfer Frosty Hesson auf sein Brett. Von nun an ist der vaterlose Junge dem Surfsport ebenso verfallen wie dem legendären Nachbarn. Als 15-Jähriger hängt sich Jay stundenlang an dessen Auto, um die geheime Bucht mit den legendären Superwellen, den Mavericks, zu entdecken. Damit qualifiziert er sich als Wellenreiter-Lehrling bei Frosty. Eine harte Schule des Lebens, die aus dem Surferfilm eine ernsthafte Geschichte abseits von Beach Boy-Songs und Casting-Abkürzung macht.
Trotzdem bleibt das Surfen auf den Wellen und den Straßen eine ultracoole Fortbewegung. Während allerdings die anderen, also auch seine große, abweisende Liebe Kim (Leven Rambin), feiern, arbeitet und trainiert Jay. Jeden morgen paddelt er unglaubliche Distanzen von zig Kilometern über die Meeresbucht, studiert Strömungen und Wellenbewegung, übt das Luftanhalten. Nebenbei bringt er seine Mutter (Elisabeth Shue) dazu, regelmäßig aufzustehen und zu arbeiten. Die größte Angst hat er allerdings nicht vor den Haien sondern vor einem ungeöffneten letzten Brief des Vaters, der sich vor Jahren verdrückt hat. Auch die muss Jay angehen, bevor die Saison der Superwellen ins Finale geht und er endlich in die haushohen, lebensgefährlichen Mavericks darf.
Passend zum hier vorgezeigten Charakter Jays verläuft „Mavericks" äußerlich angenehm undramatisch. Für seine Besessenheit von der Monster-Welle macht Jay eben keine große Welle sondern arbeitet diszipliniert und konzentriert. Frosty gibt seinem zugelaufenen Sohn etwas Philosophie auch für den Rest des Lebens mit. Das kommt glaubhaft rüber, obwohl Gerard Butler nicht der beste Darsteller für solche anspruchsvollen Rollen ist. Wie auch der Jungdarsteller Jonny Weston als Jay Moriarty nicht die charismatisch Entdeckung des Jahres werden wird. Doch die Chemie stimmt, alles ist mehr als solide inszeniert und als Sahnehäubchen gibt es reichlich Surf-Szenen mit wirklich eindrucksvollen Wellen. Wie diese überschlug sich Kameramann Bill Pope und erreicht die Qualität grandioser Dokumentationen. Die Intensität von Kathryn Bigelows „Gefährliche Brandung" wäre bei der Lebensgeschichte von Jay Moriarity unpassend. Ihn bestimmt bei angedichteter Vorahnung eines kurzen Lebens nicht das wahnsinnige Sich-Verschwenden sondern ein konzentriertes bewusstes Erleben.
Curtis Hanson und Michael Apted - zwei Regisseure zum feucht werden noch bevor man von den ersten Wellen weggerissen wird. Curtis Hanson hat in seiner bisher kreativsten Phase von 1997 bis 2001 die Eminem-Bio „8 Mile", die tiefsinnige Lebens-Komödie „Die WonderBoys" und den gefeierten Thriller „L.A. Confidential" gedreht. Michael Apted beeindruckte in seiner langen Karriere seit „Gorky Park" (1983), mit Meilensteinen wie der Dokumentation „Sting - Bring on the Night", „Gorillas im Nebel - Die Leidenschaft der Dian Fossey", dem „Native American"-Drama „Halbblut" und zum gleichen Thema auch eine Doku, den ungewöhnlichen Geschichten „Nell" und „Blink" sowie zuletzt dick im Mainstream „James Bond 007 - Die Welt ist nicht genug" und „Die Chroniken von Narnia: Die Reise auf der Morgenröte". Die Lebensgeschichte des berühmten Surfers Jay Moriarity (1978 – 2001) wird also hoch aufgehängt. Mit „Mavericks" gelang den Regie-Stars überraschend ein Jugendfilm ohne Klischees und ein Surferfilm, der atemberaubend hohe Wellen schlägt.
Wie der erste Satz in der Literatur, kann auch die erste Szene eines Films schon alles erzählen: Als der kleine Jay beim Wellenzählen und einer ritterhaften Rettungsaktion für seine Freundin Kim von den Wellen erfasst wird, zieht ihn wie die Hand Gottes der Surfer Frosty Hesson auf sein Brett. Von nun an ist der vaterlose Junge dem Surfsport ebenso verfallen wie dem legendären Nachbarn. Als 15-Jähriger hängt sich Jay stundenlang an dessen Auto, um die geheime Bucht mit den legendären Superwellen, den Mavericks, zu entdecken. Damit qualifiziert er sich als Wellenreiter-Lehrling bei Frosty. Eine harte Schule des Lebens, die aus dem Surferfilm eine ernsthafte Geschichte abseits von Beach Boy-Songs und Casting-Abkürzung macht.
Trotzdem bleibt das Surfen auf den Wellen und den Straßen eine ultracoole Fortbewegung. Während allerdings die anderen, also auch seine große, abweisende Liebe Kim (Leven Rambin), feiern, arbeitet und trainiert Jay. Jeden morgen paddelt er unglaubliche Distanzen von zig Kilometern über die Meeresbucht, studiert Strömungen und Wellenbewegung, übt das Luftanhalten. Nebenbei bringt er seine Mutter (Elisabeth Shue) dazu, regelmäßig aufzustehen und zu arbeiten. Die größte Angst hat er allerdings nicht vor den Haien sondern vor einem ungeöffneten letzten Brief des Vaters, der sich vor Jahren verdrückt hat. Auch die muss Jay angehen, bevor die Saison der Superwellen ins Finale geht und er endlich in die haushohen, lebensgefährlichen Mavericks darf.
Passend zum hier vorgezeigten Charakter Jays verläuft „Mavericks" äußerlich angenehm undramatisch. Für seine Besessenheit von der Monster-Welle macht Jay eben keine große Welle sondern arbeitet diszipliniert und konzentriert. Frosty gibt seinem zugelaufenen Sohn etwas Philosophie auch für den Rest des Lebens mit. Das kommt glaubhaft rüber, obwohl Gerard Butler nicht der beste Darsteller für solche anspruchsvollen Rollen ist. Wie auch der Jungdarsteller Jonny Weston als Jay Moriarty nicht die charismatisch Entdeckung des Jahres werden wird. Doch die Chemie stimmt, alles ist mehr als solide inszeniert und als Sahnehäubchen gibt es reichlich Surf-Szenen mit wirklich eindrucksvollen Wellen. Wie diese überschlug sich Kameramann Bill Pope und erreicht die Qualität grandioser Dokumentationen. Die Intensität von Kathryn Bigelows „Gefährliche Brandung" wäre bei der Lebensgeschichte von Jay Moriarity unpassend. Ihn bestimmt bei angedichteter Vorahnung eines kurzen Lebens nicht das wahnsinnige Sich-Verschwenden sondern ein konzentriertes bewusstes Erleben.
7.1.13
Der Geschmack von Rost und Knochen
Frankreich, Belgien 2012 (De rouille et d'os) Regie: Jacques Audiard mit Marion Cotillard, Matthias Schoenaerts, Armand Verdure, Céline Sallette, Corinne Masiero, Bouli Lanners 127 Min. FSK ab 12
„Der Geschmack von Rost und Knochen" kommt als erste Sensation des neuen Filmjahres über die deutschen Kinos wie Erdbeben, Orkan und Tsunami zusammen: Leid, Leidenschaft, Lebenslust springen einen in der rauen und sinnlichen amour fou zwischen den Figuren von Marion Cotillard und Matthias Schoenaerts mit aller Grausamkeit und Schönheit an.
Die großartige Marion Cotillard spielt im neuen Film vom Cannes-Sieger Jacques Audiard („Ein Prophet") eine Orca-Trainerin, der bei einem Unfall beide Beine abgebissen werden. Das ist extrem heftig inszeniert und tatsächlich wichtiger als ihre unbedeckten Brüste, die das Boulevard interessierte. Noch wichtiger eigentlich die andere Hauptrolle vom Flamen Matthias Schoenaerts („Bullhead"), der den Kickboxer Ali spielt. Er kann sich weder um die am Boden zerstörte Frau noch um seinen kleinen Sohn kümmern - außer wenn er seine Fäuste einsetzen muss, um den ins Eis eingebrochenen Kleinen zu retten. Zwischen den Extrempolen Côte d'Azur und verschneiten Ardennen, zwischen großen Namen und intensivstem Autoren-Drama packt der sehr starke Film in fast jeder Szene. Stärker noch, er haut um, schockt, bewegt, erschüttert.
Die erste kurze Begegnung wäre längst vergessen: Ali (Matthias Schoenaerts) hat einen Job als Türsteher einer Disco und bringt die zickige Stéphanie (Marion Cotillard), die sich hemmungslos betrunken hat, in Sicherheit und nach Hause. Irgendwas stimmte schon da nicht bei ihr. Doch erst Monate später ruft sie bei ihm an. Denn den eindrucksvollen Bildern von der grausamen Dressur riesiger Killerwale in einem Freizeitpark, folgen unklare Szenen vom Blutrausch dieser tatsächlichen Killer. Noch heftiger ist, wie die Dressur-Chefin Stéphanie irgendwann ganz alleine aus dem Koma erwacht und erkennt, dass ihr die Unterschenkel amputiert wurden. Von einer Versicherung gut ausgestattet, haust sie fortan im Dunkeln ihrer barrierefreien Wohnung. Sie will nicht mehr, nichts mehr, nur sich umbringen.
Dass nun ausgerechnet der emotional behinderte Ali helfen soll, der nicht in der Lage ist, für seinen Sohn zu sorgen und sein Leben nur in der Obhut der älteren Schwester ein wenig auf die Reihe bekommt, erstaunt. Doch nur seine Gefühlskälte lässt Stéphanie an sich ran. Der kantige Typ darf sie ins Meer tragen, wo sie wieder Lebensmut findet. Selbst sehr sachlichen Sex lässt sie zu, für den gut gebauten Muskelmann ein rein pragmatischer Gefallen. Genauso gut vergisst er sie in einer Disco inmitten tanzender Frauen für eine mit auffällig langen Beinen. Näher kommt sie ihm nur über einen Umweg: Durch seinen zwielichtigen Arbeitskollegen Martial (Bouli Lanners) wird Ali zum neuen Star einer illegalen, extrem brutalen Kickboxer-Szene. Als Martial wegen der Installation verbotener Überwachungskameras in Supermärkten fliehen muss (und vorher Alis Schwester damit um das Auskommen als Kassiererin bringt) übernimmt Stéphanie den Trainerjob, gewinnt mit metallischen Prothesen schnell als „Robocop" Achtung. Vor allem gibt ihre Präsenz ihm Kraft, auch wenn er schon in seinem eigenen Blut liegt.
Genauso effektiv „umhauend" inszeniert wie ein blutiger Zahn auf dem Asphalt während dieser brutalen Faustkämpfe ist eine unfassbare Begegnung zwischen der verstümmelten Dompteurin und dem riesigen Monster an der Glasscheibe des Aquariums. Das heftige Melodram „Der Geschmack von Rost und Knochen" ist ein Film voller atemberaubender Momente um auf unterschiedliche Weise verstümmelte Menschen. (Und nebenbei die einzig wahre Antwort auf „Free Willy".)
Cotillard fasziniert nach „La vie en rose", „The Dark Knight Rises" und „Inception" wieder mit der ganzen Palette ihres Ausdrucks von feiner Empfindsamkeit bis zu enorm starker Präsenz. Matthias Schoenaerts setzt seine Rolle als kastrierter Anabolika-Choleriker aus „Bullhead" fort. Der Belgier beeindruckt in diesem zu nicht unwesentlichen Teilen belgischen Film: Koproduzent sind die Lütticher „Les Films de Fleuve" der Brüder Dardenne. Bouli Lanners, Regisseur und Darsteller aus Lüttich, bekommt als Kampfmanager Martial endlich mal eine ernste Rolle.
„Der Geschmack von Rost und Knochen" kommt als erste Sensation des neuen Filmjahres über die deutschen Kinos wie Erdbeben, Orkan und Tsunami zusammen: Leid, Leidenschaft, Lebenslust springen einen in der rauen und sinnlichen amour fou zwischen den Figuren von Marion Cotillard und Matthias Schoenaerts mit aller Grausamkeit und Schönheit an.
Die großartige Marion Cotillard spielt im neuen Film vom Cannes-Sieger Jacques Audiard („Ein Prophet") eine Orca-Trainerin, der bei einem Unfall beide Beine abgebissen werden. Das ist extrem heftig inszeniert und tatsächlich wichtiger als ihre unbedeckten Brüste, die das Boulevard interessierte. Noch wichtiger eigentlich die andere Hauptrolle vom Flamen Matthias Schoenaerts („Bullhead"), der den Kickboxer Ali spielt. Er kann sich weder um die am Boden zerstörte Frau noch um seinen kleinen Sohn kümmern - außer wenn er seine Fäuste einsetzen muss, um den ins Eis eingebrochenen Kleinen zu retten. Zwischen den Extrempolen Côte d'Azur und verschneiten Ardennen, zwischen großen Namen und intensivstem Autoren-Drama packt der sehr starke Film in fast jeder Szene. Stärker noch, er haut um, schockt, bewegt, erschüttert.
Die erste kurze Begegnung wäre längst vergessen: Ali (Matthias Schoenaerts) hat einen Job als Türsteher einer Disco und bringt die zickige Stéphanie (Marion Cotillard), die sich hemmungslos betrunken hat, in Sicherheit und nach Hause. Irgendwas stimmte schon da nicht bei ihr. Doch erst Monate später ruft sie bei ihm an. Denn den eindrucksvollen Bildern von der grausamen Dressur riesiger Killerwale in einem Freizeitpark, folgen unklare Szenen vom Blutrausch dieser tatsächlichen Killer. Noch heftiger ist, wie die Dressur-Chefin Stéphanie irgendwann ganz alleine aus dem Koma erwacht und erkennt, dass ihr die Unterschenkel amputiert wurden. Von einer Versicherung gut ausgestattet, haust sie fortan im Dunkeln ihrer barrierefreien Wohnung. Sie will nicht mehr, nichts mehr, nur sich umbringen.
Dass nun ausgerechnet der emotional behinderte Ali helfen soll, der nicht in der Lage ist, für seinen Sohn zu sorgen und sein Leben nur in der Obhut der älteren Schwester ein wenig auf die Reihe bekommt, erstaunt. Doch nur seine Gefühlskälte lässt Stéphanie an sich ran. Der kantige Typ darf sie ins Meer tragen, wo sie wieder Lebensmut findet. Selbst sehr sachlichen Sex lässt sie zu, für den gut gebauten Muskelmann ein rein pragmatischer Gefallen. Genauso gut vergisst er sie in einer Disco inmitten tanzender Frauen für eine mit auffällig langen Beinen. Näher kommt sie ihm nur über einen Umweg: Durch seinen zwielichtigen Arbeitskollegen Martial (Bouli Lanners) wird Ali zum neuen Star einer illegalen, extrem brutalen Kickboxer-Szene. Als Martial wegen der Installation verbotener Überwachungskameras in Supermärkten fliehen muss (und vorher Alis Schwester damit um das Auskommen als Kassiererin bringt) übernimmt Stéphanie den Trainerjob, gewinnt mit metallischen Prothesen schnell als „Robocop" Achtung. Vor allem gibt ihre Präsenz ihm Kraft, auch wenn er schon in seinem eigenen Blut liegt.
Genauso effektiv „umhauend" inszeniert wie ein blutiger Zahn auf dem Asphalt während dieser brutalen Faustkämpfe ist eine unfassbare Begegnung zwischen der verstümmelten Dompteurin und dem riesigen Monster an der Glasscheibe des Aquariums. Das heftige Melodram „Der Geschmack von Rost und Knochen" ist ein Film voller atemberaubender Momente um auf unterschiedliche Weise verstümmelte Menschen. (Und nebenbei die einzig wahre Antwort auf „Free Willy".)
Cotillard fasziniert nach „La vie en rose", „The Dark Knight Rises" und „Inception" wieder mit der ganzen Palette ihres Ausdrucks von feiner Empfindsamkeit bis zu enorm starker Präsenz. Matthias Schoenaerts setzt seine Rolle als kastrierter Anabolika-Choleriker aus „Bullhead" fort. Der Belgier beeindruckt in diesem zu nicht unwesentlichen Teilen belgischen Film: Koproduzent sind die Lütticher „Les Films de Fleuve" der Brüder Dardenne. Bouli Lanners, Regisseur und Darsteller aus Lüttich, bekommt als Kampfmanager Martial endlich mal eine ernste Rolle.
Bela Kiss: Prologue
BRD 2012 Regie: Lucien Förstner mit Kristina Klebe, Rudolf Martin, Fabian Stumm, Ben Bela Böhm 106 Min.
Der Horror! Furchtbare Dialoge, schlechtes Schauspiel, dürftige Handlung - aber die Spezialeffekte! Dieser Debüt- und Low Budget-Film führt fünf Bankräuber in ein so abgelegenes Hotel, dass man sich dort als großer Böser Wolf und Rotkäppchen eincheckt. In eifrig stilisierten Rückblenden, für die es Fleißkärtchen gibt, läuft die Geschichte eines ungarischen Serienmörders aus dem letzten Jahrhundert drohend auf die Gegenwart zu. Dieser Bela Kiss hinterließ zwanzig Fässer mit Frauenleichen, als er in den 1. Weltkrieg zog und danach nicht mehr gesehen wurde.
Quälend uninteressant geifert „Bela Kiss" eher untalentiert dem Trend hauptsache ultrabrutaler Splatterfilme nach. Das fleischfressende Hotel ist mehr "Hostel" als vermeintlich lüsterne Absteige. Dabei sehen die fünf Protagonisten aus, als wenn sie nicht mal Förmchen im Sandkasten mopsen könnten, geschweige denn eine Bank berauben. Ihre Dialoge sind ebenso schlecht gesprochen wie geschrieben. Das Debüt spritzt eifrig mit Blut rum, versucht mit heftiger Gewalt aus dem Trauerspiel einen Thriller zu machen, es mit drastischen Darstellungen und sexuellen Andeutungen aufzuladen. So ein Filmversuch mag für ein Nischenpublikum auf DVD funktionieren. Im Kino grenzt derart miese Qualität schon an Betrug.
Mysteriös bei all dem ist nur die Dauer-Einblendung einer großen Zahl mitten im Bild. Aber das kann auch eine Unverschämtheit des Filmverleihers bei der Presse-DVD sein.
Der Horror! Furchtbare Dialoge, schlechtes Schauspiel, dürftige Handlung - aber die Spezialeffekte! Dieser Debüt- und Low Budget-Film führt fünf Bankräuber in ein so abgelegenes Hotel, dass man sich dort als großer Böser Wolf und Rotkäppchen eincheckt. In eifrig stilisierten Rückblenden, für die es Fleißkärtchen gibt, läuft die Geschichte eines ungarischen Serienmörders aus dem letzten Jahrhundert drohend auf die Gegenwart zu. Dieser Bela Kiss hinterließ zwanzig Fässer mit Frauenleichen, als er in den 1. Weltkrieg zog und danach nicht mehr gesehen wurde.
Quälend uninteressant geifert „Bela Kiss" eher untalentiert dem Trend hauptsache ultrabrutaler Splatterfilme nach. Das fleischfressende Hotel ist mehr "Hostel" als vermeintlich lüsterne Absteige. Dabei sehen die fünf Protagonisten aus, als wenn sie nicht mal Förmchen im Sandkasten mopsen könnten, geschweige denn eine Bank berauben. Ihre Dialoge sind ebenso schlecht gesprochen wie geschrieben. Das Debüt spritzt eifrig mit Blut rum, versucht mit heftiger Gewalt aus dem Trauerspiel einen Thriller zu machen, es mit drastischen Darstellungen und sexuellen Andeutungen aufzuladen. So ein Filmversuch mag für ein Nischenpublikum auf DVD funktionieren. Im Kino grenzt derart miese Qualität schon an Betrug.
Mysteriös bei all dem ist nur die Dauer-Einblendung einer großen Zahl mitten im Bild. Aber das kann auch eine Unverschämtheit des Filmverleihers bei der Presse-DVD sein.
6.1.13
Hannah Arendt
BRD, Frankreich, Israel, Luxemburg 2012 Regie: Margarethe von Trotta mit Barbara Sukowa, Axel Milberg, Julia Jentsch, Ulrich Noethen, Klaus Dieter Pohl, Michael Degen 113 Min. FSK ab 6
Margarethe von Trottas filmische Rehabilitation der deutsch-amerikanischen Philosophin Hannah Arendt (1906-1975) konzentriert sich auf Arendts Reportage vom Eichmann-Prozess im Jahr 1961 und die Folgen ihrer Artikelserie dazu, die unter dem Titel „Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen" als Buch veröffentlich wurde. Verständlich, hat sie doch geprägt, wie wir diese Szenen und den Menschen Eichmann sehen, hat mit ihrer Analyse den Typus des Schreibtischtäters als das moderne Gesicht des Bösen herausgeleuchtet. Vorwissen ist hier - wie immer - vorteilhaft, aber nicht notwendig
Die Chefredaktion des New Yorkers hilft uns 1961 auf die Sprünge, was für eine hoch verehrte Denkerin und Autorin Hannah Arendt (Barbara Sukowa) ist. Sie reist im April dieses Jahres nach Jerusalem, um für das renommierte Magazin über den Prozess zu berichten. Eichmann, kurz zuvor vom israelischen Mossad in Argentinien gefangen genommen, war im Reichssicherheitshauptamt zuständig für die Organisation der europaweiten Deportation und somit mitverantwortlich für den Mord an sechs Millionen Juden in den Konzentrationslagern. Die Originaldokumente aus dem Gerichtssaal, die auch schon in unterschiedlicher Form künstlerisch bearbeitet wurden, bleiben bei von Trotta in Schwarzweiß. Das immer noch horrende „Ich habe nur Befehle ausgeführt" und das Entsetzen in Arendts Gesicht bei den Zeugenaussagen von Überlebenden, vermittelt eine Ahnung von der Wirkung dieses Ereignisses, das nicht nur ganz Israel gebannt verfolgte.
Arendts Versuch, Eichmann nicht nur als Monster zu verurteilen, sondern ihn und seine Funktion zu verstehen, sowie eine Randbemerkung über die vielleicht zu bereitwillige Mitarbeit der Judenräte an der Vernichtung, setzt sie heftigster Kritik aus. Während sich Freundinnen solidarisieren, verabschieden sich einige Männer aus dem Kreis der deutsch-jüdischen Emigranten New Yorks. Gegen die Versuch der Uni-Leitung, die sie zum Schweigen bringen will, hält Arendt vor jungen Stunden eine Verteidigungsrede zur ihrer Sicht auf die „Banalität des Bösen". Wie in den Rückblenden zu ihrer eigenen Studienzeit und der fatalen Affäre mit Martin Heidegger, sitzt wieder eine faszinierte junge Frau im Publikum - die Kontinuität des freien und exakten Denkens darf erhofft werden.
So dankbar man Margarethe von Trotta sein muss, dass sie nach Rosa Luxemburg und Hildegard von Bingen (beide mit Sukowa) wieder ein wichtiges historisches Frauenporträt auf die Leinwand bringt, zeigt sie nur das Erwartete. „Hannah Arendt" ist kein Film, der sich künstlerische Freiheiten erlaubt oder eine Annäherung versucht, die mehr als illustrierend und historisch stimmig anmutet. Als ideales Gegenbeispiel wäre wieder Derek Jarmans Biografie „Wittgenstein" zu empfehlen, dessen auch sicherlich nicht unkomplexes Gedankengebäude mit begeisternden filmischen Visionen umgesetzt wurde.
Neben den „Standards" um den Eichmann-Prozess und dem nicht sehr ergiebigen Versuch, Arendts Beziehung zu Heidegger, der als philosophierender Hanswurst und späterer Nazi-Unterstützer nur ein paar Sätze bekommt, zu ergründen, wird die Philosophin vor allem als eine Frau mit Gefühlen gezeigt. Während ihre universitären Kritiker sie beispielsweise als „Hannah Eichmann" und als arrogant bezeichnen. Sie ist ein streitbarer, aber von vielen geliebter und von noch mehr geschätzter Mensch. Barbara Sukowa („Vision – Aus dem Leben der Hildegard von Bingen") überzeugt in der Hauptrolle nicht unbedingt, nie kann sich die Figur Arendt vom bekannten Gesicht der Schauspielerin lösen. Bemerkenswert in den Nebenrollen sind vor allem Axel Milberg als ihr Ehemann Heinrich Blücher und als Hannah Arendts Sekretärin Lotte Köhler die „Sophie Scholl" Julia Jentsch.
Margarethe von Trottas filmische Rehabilitation der deutsch-amerikanischen Philosophin Hannah Arendt (1906-1975) konzentriert sich auf Arendts Reportage vom Eichmann-Prozess im Jahr 1961 und die Folgen ihrer Artikelserie dazu, die unter dem Titel „Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen" als Buch veröffentlich wurde. Verständlich, hat sie doch geprägt, wie wir diese Szenen und den Menschen Eichmann sehen, hat mit ihrer Analyse den Typus des Schreibtischtäters als das moderne Gesicht des Bösen herausgeleuchtet. Vorwissen ist hier - wie immer - vorteilhaft, aber nicht notwendig
Die Chefredaktion des New Yorkers hilft uns 1961 auf die Sprünge, was für eine hoch verehrte Denkerin und Autorin Hannah Arendt (Barbara Sukowa) ist. Sie reist im April dieses Jahres nach Jerusalem, um für das renommierte Magazin über den Prozess zu berichten. Eichmann, kurz zuvor vom israelischen Mossad in Argentinien gefangen genommen, war im Reichssicherheitshauptamt zuständig für die Organisation der europaweiten Deportation und somit mitverantwortlich für den Mord an sechs Millionen Juden in den Konzentrationslagern. Die Originaldokumente aus dem Gerichtssaal, die auch schon in unterschiedlicher Form künstlerisch bearbeitet wurden, bleiben bei von Trotta in Schwarzweiß. Das immer noch horrende „Ich habe nur Befehle ausgeführt" und das Entsetzen in Arendts Gesicht bei den Zeugenaussagen von Überlebenden, vermittelt eine Ahnung von der Wirkung dieses Ereignisses, das nicht nur ganz Israel gebannt verfolgte.
Arendts Versuch, Eichmann nicht nur als Monster zu verurteilen, sondern ihn und seine Funktion zu verstehen, sowie eine Randbemerkung über die vielleicht zu bereitwillige Mitarbeit der Judenräte an der Vernichtung, setzt sie heftigster Kritik aus. Während sich Freundinnen solidarisieren, verabschieden sich einige Männer aus dem Kreis der deutsch-jüdischen Emigranten New Yorks. Gegen die Versuch der Uni-Leitung, die sie zum Schweigen bringen will, hält Arendt vor jungen Stunden eine Verteidigungsrede zur ihrer Sicht auf die „Banalität des Bösen". Wie in den Rückblenden zu ihrer eigenen Studienzeit und der fatalen Affäre mit Martin Heidegger, sitzt wieder eine faszinierte junge Frau im Publikum - die Kontinuität des freien und exakten Denkens darf erhofft werden.
So dankbar man Margarethe von Trotta sein muss, dass sie nach Rosa Luxemburg und Hildegard von Bingen (beide mit Sukowa) wieder ein wichtiges historisches Frauenporträt auf die Leinwand bringt, zeigt sie nur das Erwartete. „Hannah Arendt" ist kein Film, der sich künstlerische Freiheiten erlaubt oder eine Annäherung versucht, die mehr als illustrierend und historisch stimmig anmutet. Als ideales Gegenbeispiel wäre wieder Derek Jarmans Biografie „Wittgenstein" zu empfehlen, dessen auch sicherlich nicht unkomplexes Gedankengebäude mit begeisternden filmischen Visionen umgesetzt wurde.
Neben den „Standards" um den Eichmann-Prozess und dem nicht sehr ergiebigen Versuch, Arendts Beziehung zu Heidegger, der als philosophierender Hanswurst und späterer Nazi-Unterstützer nur ein paar Sätze bekommt, zu ergründen, wird die Philosophin vor allem als eine Frau mit Gefühlen gezeigt. Während ihre universitären Kritiker sie beispielsweise als „Hannah Eichmann" und als arrogant bezeichnen. Sie ist ein streitbarer, aber von vielen geliebter und von noch mehr geschätzter Mensch. Barbara Sukowa („Vision – Aus dem Leben der Hildegard von Bingen") überzeugt in der Hauptrolle nicht unbedingt, nie kann sich die Figur Arendt vom bekannten Gesicht der Schauspielerin lösen. Bemerkenswert in den Nebenrollen sind vor allem Axel Milberg als ihr Ehemann Heinrich Blücher und als Hannah Arendts Sekretärin Lotte Köhler die „Sophie Scholl" Julia Jentsch.
4.1.13
Ritter Rost
Ritter Rost
BRD 2013 Regie: Thomas Bodenstein mit den Stimmen von Rick Kavanian, Christoph Maria Herbst, Carolin Kebekus, Tom Gerhardt, Detlev Redinger 85 Min.
Ritter Rost aus dem Schrottland ist nicht der cleverste, ziemlich ungeschickt und zuhause in seiner bescheidenen Burg ein rücksichtsloser Macho. Was vor allem seine zu gutherzige Mitbewohnerin Bö zu spüren bekommt, wenn er für einen defekten Pferde-Motor mal eben ein Zahnrad aus ihrer geliebten Nähmaschine entwendet. Zusammengebaut aus alter Registerkasse, mit Windfähnchen auf dem Helm lassen Einsicht und Besserung „Rostis" noch etwas auf sich warten. Zuerst gewinnt der Tollpatsch mit geklautem Motor das große Turnier gegen den ekligen Prinz Protz (Christoph Maria Herbst pur), um deswegen Rittertitel und Burg zu verlieren. Während Ritter Rost, begleitet von Drache Koks und Pferd Feuerstuhl, als Obdachloser wie weiland Erec und Tristan in eine klassische „âventiure" zieht, dabei Gauner sowie Drache erlegt und Burgfräulein rettet, entführt Prinz Protz die beleidigte Bö. Sein pöser Plan macht dabei nicht mal bei der Eroberung des Königreiches halt. Denn der Verschwender, der immer nur das Neueste vorführt und als veritabler Blaubart selbst seine Frauen schnell ausmustert, will das Prinzip Recycling komplett in die Tonne treten.
Die Figur Ritter Rost ist in Sachen Kinderliteratur längst ein großer Erfolg: Über 1,2 Mio. verkaufte Bücher und CDs müssen unbedingt im Kino recycelt werden! Das sieht trotz oder gerade wegen der leichte gedeckten Bonbonfarben hervorragend aus: Mit eigenem Touch, ein paar einfachen Liedchen, witzigen Figuren und Ideen kann die deutsche Animation begeistern und überzeugen. Burgmauern, Trolley-Koffer und Jungfrauen-Spitzhüte, ja bis hin zu den Regenwolken mit Duschkopf ist alles metallisch mit Nieten versehen und auch im Detail originell gezeichnet. Endlich lernt man da böse Kolbenfresser persönlich kennen. Toaster-Kühe blockieren die Rennbahn für das frisierte Pferd mit Moped-Gasgriff an der Stirn. Bei den kölschen Doppelkopf-Drachen und „Feuerzangenbrüdern" Brutus und Brenner macht das Sprechtalent von Tom Gerhardt und Detlev Redinger den Spaß komplett. Auch die fiese Stromberg-Stimme Christoph Maria Herbsts oder die sympathisch geerdete von Carolin Kebekus als Bö sind außergewöhnlich treffend. Ein netter, lebendig und flotter Kinderspaß, der bei altersgerechtem Spannungsbogen auch genügend Schauwerte für Erwachsene auffährt.
BRD 2013 Regie: Thomas Bodenstein mit den Stimmen von Rick Kavanian, Christoph Maria Herbst, Carolin Kebekus, Tom Gerhardt, Detlev Redinger 85 Min.
Ritter Rost aus dem Schrottland ist nicht der cleverste, ziemlich ungeschickt und zuhause in seiner bescheidenen Burg ein rücksichtsloser Macho. Was vor allem seine zu gutherzige Mitbewohnerin Bö zu spüren bekommt, wenn er für einen defekten Pferde-Motor mal eben ein Zahnrad aus ihrer geliebten Nähmaschine entwendet. Zusammengebaut aus alter Registerkasse, mit Windfähnchen auf dem Helm lassen Einsicht und Besserung „Rostis" noch etwas auf sich warten. Zuerst gewinnt der Tollpatsch mit geklautem Motor das große Turnier gegen den ekligen Prinz Protz (Christoph Maria Herbst pur), um deswegen Rittertitel und Burg zu verlieren. Während Ritter Rost, begleitet von Drache Koks und Pferd Feuerstuhl, als Obdachloser wie weiland Erec und Tristan in eine klassische „âventiure" zieht, dabei Gauner sowie Drache erlegt und Burgfräulein rettet, entführt Prinz Protz die beleidigte Bö. Sein pöser Plan macht dabei nicht mal bei der Eroberung des Königreiches halt. Denn der Verschwender, der immer nur das Neueste vorführt und als veritabler Blaubart selbst seine Frauen schnell ausmustert, will das Prinzip Recycling komplett in die Tonne treten.
Die Figur Ritter Rost ist in Sachen Kinderliteratur längst ein großer Erfolg: Über 1,2 Mio. verkaufte Bücher und CDs müssen unbedingt im Kino recycelt werden! Das sieht trotz oder gerade wegen der leichte gedeckten Bonbonfarben hervorragend aus: Mit eigenem Touch, ein paar einfachen Liedchen, witzigen Figuren und Ideen kann die deutsche Animation begeistern und überzeugen. Burgmauern, Trolley-Koffer und Jungfrauen-Spitzhüte, ja bis hin zu den Regenwolken mit Duschkopf ist alles metallisch mit Nieten versehen und auch im Detail originell gezeichnet. Endlich lernt man da böse Kolbenfresser persönlich kennen. Toaster-Kühe blockieren die Rennbahn für das frisierte Pferd mit Moped-Gasgriff an der Stirn. Bei den kölschen Doppelkopf-Drachen und „Feuerzangenbrüdern" Brutus und Brenner macht das Sprechtalent von Tom Gerhardt und Detlev Redinger den Spaß komplett. Auch die fiese Stromberg-Stimme Christoph Maria Herbsts oder die sympathisch geerdete von Carolin Kebekus als Bö sind außergewöhnlich treffend. Ein netter, lebendig und flotter Kinderspaß, der bei altersgerechtem Spannungsbogen auch genügend Schauwerte für Erwachsene auffährt.
30.12.12
Silver Linings
USA 2012 (Silver Linings Playbook) Regie: David O. Russell mit Bradley Cooper, Robert De Niro, Jennifer Lawrence, Jacki Weaver, Chris Tucker 120 Min.
Nach acht Monaten wird Pat (Bradley Cooper) von seiner ängstlichen Mutter aus der psychiatrischen Anstalt geholt. Seine bipolare Störung ist gerade im Aufschwung, ganz ohne Tabletten joggt er sich fit und bereitet die Fortsetzung seiner Ehe mit Nikki vor. Dumm nur, dass er sich seiner Frau per Gerichtsbeschluss nicht nähern oder sie kontaktieren darf, weil er ihren Liebhaber heftig zusammenschlug, als er beide zusammen unter der Dusche erwischte. Das Elternhaus bietet dem erwachsenen Mann allerdings auch keine Stabilität: Pats Vater (Robert De Niro) heißt auch Pat und ist ebenso cholerisch. Er hat Job und Rente verloren, macht jetzt auf Buchmacher, setzt aber wettsüchtig selbst alles aufs Spiel. Das ist aber schon viel zu viel gesagt, denn der Film gibt lange weniger her. Zuwenig Leben, um zu interessieren. Vor allem nicht für die Hauptfigur, die man schnell als hoffnungslosen Fall einstuft.
Erst als Pat von seinem jämmerlichen Kumpel und dessen herrischer Frau (Julia Stiles) mit deren Schwester Tiffany (Jennifer Lawrence) verkuppelt werden soll, bekommt die Tragikomödie Schwung. Nach dem Unfall-Tod ihres Mannes kennt auch Tiffany all die Beruhigungspillen und Aufheller, die Pat buchstabieren kann. Doch der versucht unter völligem Realitätsverlust weiter Nikki zurückzuerobern. Tiffany muss versprechen, heimlich Postbotin zu spielen, damit er mit ihr für einen Tanzwettbewerb übt. Papa Pat wirft noch eine bescheuerte Wette ins Spiel und dann hoffen wir bis zum Finale, dass sich die richtigen unter all den Bekloppten finden. Am Ende ist alles in Harmoniesoße und man wundert sich, wie es dazu kam.
Die Kamera bewegt sich zu auffällig und auch ansonsten funktioniert vieles nicht - wenigstens nicht in der holperig klingenden deutschen Synchro. Während die Rolle von Pat weder lustig, launig oder Mitgefühl heischend zu packen ist, überzeugt wenigstens Jennifer Lawrence direkt. Nach „Auf brennender Erde" (2008), „Winter's Bone" (2010), „X-Men: Erste Entscheidung" (2011) und ihrer Katniss in „Die Tribute von Panem" (2012) ein weiterer Beleg für die starke Präsenz dieser Ausnahme-Schauspielerin. Apropos: DeNiro zeigt sich als tragikomische Nebenfigur eher unauffällig. Gerechterweise sei angefügt, dass einige Kritiker diesem Film etwas mehr abgewonnen haben als magere fünf Minuten netter Liebesfilm nach langem, wirren Auf und Nieder.
Nach acht Monaten wird Pat (Bradley Cooper) von seiner ängstlichen Mutter aus der psychiatrischen Anstalt geholt. Seine bipolare Störung ist gerade im Aufschwung, ganz ohne Tabletten joggt er sich fit und bereitet die Fortsetzung seiner Ehe mit Nikki vor. Dumm nur, dass er sich seiner Frau per Gerichtsbeschluss nicht nähern oder sie kontaktieren darf, weil er ihren Liebhaber heftig zusammenschlug, als er beide zusammen unter der Dusche erwischte. Das Elternhaus bietet dem erwachsenen Mann allerdings auch keine Stabilität: Pats Vater (Robert De Niro) heißt auch Pat und ist ebenso cholerisch. Er hat Job und Rente verloren, macht jetzt auf Buchmacher, setzt aber wettsüchtig selbst alles aufs Spiel. Das ist aber schon viel zu viel gesagt, denn der Film gibt lange weniger her. Zuwenig Leben, um zu interessieren. Vor allem nicht für die Hauptfigur, die man schnell als hoffnungslosen Fall einstuft.
Erst als Pat von seinem jämmerlichen Kumpel und dessen herrischer Frau (Julia Stiles) mit deren Schwester Tiffany (Jennifer Lawrence) verkuppelt werden soll, bekommt die Tragikomödie Schwung. Nach dem Unfall-Tod ihres Mannes kennt auch Tiffany all die Beruhigungspillen und Aufheller, die Pat buchstabieren kann. Doch der versucht unter völligem Realitätsverlust weiter Nikki zurückzuerobern. Tiffany muss versprechen, heimlich Postbotin zu spielen, damit er mit ihr für einen Tanzwettbewerb übt. Papa Pat wirft noch eine bescheuerte Wette ins Spiel und dann hoffen wir bis zum Finale, dass sich die richtigen unter all den Bekloppten finden. Am Ende ist alles in Harmoniesoße und man wundert sich, wie es dazu kam.
Die Kamera bewegt sich zu auffällig und auch ansonsten funktioniert vieles nicht - wenigstens nicht in der holperig klingenden deutschen Synchro. Während die Rolle von Pat weder lustig, launig oder Mitgefühl heischend zu packen ist, überzeugt wenigstens Jennifer Lawrence direkt. Nach „Auf brennender Erde" (2008), „Winter's Bone" (2010), „X-Men: Erste Entscheidung" (2011) und ihrer Katniss in „Die Tribute von Panem" (2012) ein weiterer Beleg für die starke Präsenz dieser Ausnahme-Schauspielerin. Apropos: DeNiro zeigt sich als tragikomische Nebenfigur eher unauffällig. Gerechterweise sei angefügt, dass einige Kritiker diesem Film etwas mehr abgewonnen haben als magere fünf Minuten netter Liebesfilm nach langem, wirren Auf und Nieder.
The Loneliest Planet
USA, BRD 2011 (The Loneliest Planet) Regie: Julia Loktev mit Gael García Bernal, Hani Furstenberg, Bidzina Gujabdize 113 Min.
Es gibt viele kleine Momente, in denen sich zeigt, dass die Liebe nicht ganz so groß ist, wie sich das die eine Seite vorgestellt und die andere vielleicht vorgemacht hat. Doch dieser hier in der amerikanisch-deutschen Koproduktion „The Loneliest Planet" ist ein Knaller: Als beim Hochzeits-Hicking in wilden georgischen Bergen noch wildere Gesellen ihre Gewehre auf das junge Paar richten, schiebt Alex (Gael Garcia Bernal) im ersten Moment Nica (Hani Furstenberg) VOR sich! Zu seinem eigenen Schutz!!! Das unterschreitet jede Kategorie von „unromantisch" oder „unsensibel" und wird auch in Brigitte-Beziehungstipps nie auftauchen. Das ist bester Al Bundy-Style. Also eigentlich zu grob für alles, was in bestem Arthouse-Stil vorher und nachher passiert.
Regisseurin Julia Loktev („Day Night Day Night") schickt Alex, seine Verlobte Nica und einen einheimischen Wanderführer in eindrucksvolle, aber auch gefährliche Berge. Da lassen sich schön Beziehungs-Eigenschaften abbilden, etwa die betonte Selbständigkeit Nicas: „Ich brauche keine Hilfe." Bis sie irgendwann den Bach runtergeht. Und wieder ein Stück Vertrauen. Der alte Führer fügt im manchmal schwierigen Sprachgemisch trockene, düstere Scherze zum Ausflug mit euphorischen Ausblicken und drohenden Stimme hinzu.
Die Kurzfassung ist übersichtlich: Am Rande des Gletschers verliert Nica das Vertrauen in den Geliebten. Eisiges Schweigen folgt, bis auf dem Weg nach unten eine Versöhnung festzustellen ist. Beim Verlassen der Gletscherzone sprechen sie wieder miteinander. Am Lagerfeuer gibt es eine tragische Bürgerkriegsgeschichte und einen versuchten Rachekuss. Gael Garcia Bernal versteckt seine Mimik hinter einem Vollbart und das war dann nach zwei Stunden der Film. Noch nicht ganz, im sehr langen Abbau der Zelte klingt etwas nach. Wenn man denn in der eindrucksvollen Landschaft und der reduzierten Beziehungsgeschichte etwas gefunden hat.
Es gibt viele kleine Momente, in denen sich zeigt, dass die Liebe nicht ganz so groß ist, wie sich das die eine Seite vorgestellt und die andere vielleicht vorgemacht hat. Doch dieser hier in der amerikanisch-deutschen Koproduktion „The Loneliest Planet" ist ein Knaller: Als beim Hochzeits-Hicking in wilden georgischen Bergen noch wildere Gesellen ihre Gewehre auf das junge Paar richten, schiebt Alex (Gael Garcia Bernal) im ersten Moment Nica (Hani Furstenberg) VOR sich! Zu seinem eigenen Schutz!!! Das unterschreitet jede Kategorie von „unromantisch" oder „unsensibel" und wird auch in Brigitte-Beziehungstipps nie auftauchen. Das ist bester Al Bundy-Style. Also eigentlich zu grob für alles, was in bestem Arthouse-Stil vorher und nachher passiert.
Regisseurin Julia Loktev („Day Night Day Night") schickt Alex, seine Verlobte Nica und einen einheimischen Wanderführer in eindrucksvolle, aber auch gefährliche Berge. Da lassen sich schön Beziehungs-Eigenschaften abbilden, etwa die betonte Selbständigkeit Nicas: „Ich brauche keine Hilfe." Bis sie irgendwann den Bach runtergeht. Und wieder ein Stück Vertrauen. Der alte Führer fügt im manchmal schwierigen Sprachgemisch trockene, düstere Scherze zum Ausflug mit euphorischen Ausblicken und drohenden Stimme hinzu.
Die Kurzfassung ist übersichtlich: Am Rande des Gletschers verliert Nica das Vertrauen in den Geliebten. Eisiges Schweigen folgt, bis auf dem Weg nach unten eine Versöhnung festzustellen ist. Beim Verlassen der Gletscherzone sprechen sie wieder miteinander. Am Lagerfeuer gibt es eine tragische Bürgerkriegsgeschichte und einen versuchten Rachekuss. Gael Garcia Bernal versteckt seine Mimik hinter einem Vollbart und das war dann nach zwei Stunden der Film. Noch nicht ganz, im sehr langen Abbau der Zelte klingt etwas nach. Wenn man denn in der eindrucksvollen Landschaft und der reduzierten Beziehungsgeschichte etwas gefunden hat.
Paradies: Liebe
Österreich, BRD 2012 Regie: Ulrich Seidl mit Margarethe Tiesel, Peter Kazungu, Inge Maux 121 Min.
Frustrierender Liebes-Kauf
Eines sind sie auf keinen Fall, die Filme vom Österreicher Ulrich Seidl: Schön. Ob die mal dokumentarisch anmutenden Demaskierungen des Menschlichen radikal ehrlich oder im Verdränger-Urteil „total krank" sind, kann jeder selbst entscheiden, der sich dieser spannenden Auseinandersetzung stellt. Immerhin ist Seidl nach irritierenden und provokanten Schein-Dokumentationen wie „Import Export" (2007), „Jesus, Du weißt" (2003) oder „Tierische Liebe" (1995) auf der ganz großen internationalen Festivalbühne anerkannt. Mit seiner „Paradies"-Trilogie macht er einen filmischen Grand Slam um drei Frauen aus einer Familie: „Paradies: Liebe" um die liebes-süchtige Teresa feierte im Wettbewerb der 65. Filmfestspiele von Cannes seine Premiere. „Paradies: Glaube" mit Teresas Schwester im Religions-Wahn lief im Herbst in Venedig und die Berlinale wird den Abschluss „Paradies: Hoffnung" um Teresas übergewichtige Tochter zeigen.
Die "Liebe" suchen in Kenia vier frustrierte, einsame Frauen bei jungen, schwarzen Männern, die mit fadenscheinigen Geschichten Geld für ein Liebes-Spiel und Sex erhalten. Unter den sogenannten Sugarmamas ist auch Teresa, Mitte 50, alleinerziehende Mutter. In Afrika am Strand wird sie von den Beachboys wieder begehrt und glaubt es in einer unendlichen - oder unendlich verzweifelten - Naivität auch noch. Ihr Desinfektions-Spray muss zwar Überstunden machen, aber dass die immer mehr geforderten Geldgaben etwas mit der Aufmerksamkeit zu tun haben, verdrängt Teresa. Bis zur schrecklichen Abhängigkeit, bei der sie ihre letzte Würde verliert.
Das ist in den gemeinsten Momenten eine verspätete Huldigung an Gerhard Polt, wenn die Damen ihre Erfahrungen austauschen: „Die Neger sehen alle gleich aus, aber an der Größe kannst du sie unterscheiden." Die sexuelle Implikation dieses demaskierten Rassismus ist volle Absicht und auch im Bild wird der Film derart deutlich. Nachdem sich das erschreckte Lachen abgenutzt hat, überlegt man bei der „Liebe", wer hier mehr bloßgestellt wird. Eine Frage, die Seidl immer provoziert.
Mit der Theater- und TV-Darstellerin Margarethe Tiesel geht der Regisseur in diese Abgründe von Einsamkeit, Kolonialismus und umgekehrten Sexismus. Die an Originalschauplätzen mit Schauspielern und Laien ohne vorgegebenen Text improvisierten Szenen mit streng kadrierten Personenbildern sind vereinzelt sehr stark in ihrer Mischung aus Schockierendem und Erbärmlichen, für das man sich doch noch erbarmen kann. Sie erschöpfen sich allerdings in Wiederholung. Anders als im wesentlich stärkeren Nachfolger „Paradies: Glaube" mit härteren Momenten (Masturbation mit dem Kreuz) und radikaleren Wendungen. Und auch schwächer als bei Laurent Cantet. Der hatte das Thema der umkehrten Geschlechter-Ausbeutung schon 2005 mit „In den Süden" und Charlotte Rampling wesentlich dichter behandelt. Doch man sollte seine Liebe, den Glauben und die Hoffnung für Ulrich Seidl nicht aufgeben. Die Trilogie fügt den einzelnen Dramen tatsächlich einen Mehrwert hinzu.
Frustrierender Liebes-Kauf
Eines sind sie auf keinen Fall, die Filme vom Österreicher Ulrich Seidl: Schön. Ob die mal dokumentarisch anmutenden Demaskierungen des Menschlichen radikal ehrlich oder im Verdränger-Urteil „total krank" sind, kann jeder selbst entscheiden, der sich dieser spannenden Auseinandersetzung stellt. Immerhin ist Seidl nach irritierenden und provokanten Schein-Dokumentationen wie „Import Export" (2007), „Jesus, Du weißt" (2003) oder „Tierische Liebe" (1995) auf der ganz großen internationalen Festivalbühne anerkannt. Mit seiner „Paradies"-Trilogie macht er einen filmischen Grand Slam um drei Frauen aus einer Familie: „Paradies: Liebe" um die liebes-süchtige Teresa feierte im Wettbewerb der 65. Filmfestspiele von Cannes seine Premiere. „Paradies: Glaube" mit Teresas Schwester im Religions-Wahn lief im Herbst in Venedig und die Berlinale wird den Abschluss „Paradies: Hoffnung" um Teresas übergewichtige Tochter zeigen.
Die "Liebe" suchen in Kenia vier frustrierte, einsame Frauen bei jungen, schwarzen Männern, die mit fadenscheinigen Geschichten Geld für ein Liebes-Spiel und Sex erhalten. Unter den sogenannten Sugarmamas ist auch Teresa, Mitte 50, alleinerziehende Mutter. In Afrika am Strand wird sie von den Beachboys wieder begehrt und glaubt es in einer unendlichen - oder unendlich verzweifelten - Naivität auch noch. Ihr Desinfektions-Spray muss zwar Überstunden machen, aber dass die immer mehr geforderten Geldgaben etwas mit der Aufmerksamkeit zu tun haben, verdrängt Teresa. Bis zur schrecklichen Abhängigkeit, bei der sie ihre letzte Würde verliert.
Das ist in den gemeinsten Momenten eine verspätete Huldigung an Gerhard Polt, wenn die Damen ihre Erfahrungen austauschen: „Die Neger sehen alle gleich aus, aber an der Größe kannst du sie unterscheiden." Die sexuelle Implikation dieses demaskierten Rassismus ist volle Absicht und auch im Bild wird der Film derart deutlich. Nachdem sich das erschreckte Lachen abgenutzt hat, überlegt man bei der „Liebe", wer hier mehr bloßgestellt wird. Eine Frage, die Seidl immer provoziert.
Mit der Theater- und TV-Darstellerin Margarethe Tiesel geht der Regisseur in diese Abgründe von Einsamkeit, Kolonialismus und umgekehrten Sexismus. Die an Originalschauplätzen mit Schauspielern und Laien ohne vorgegebenen Text improvisierten Szenen mit streng kadrierten Personenbildern sind vereinzelt sehr stark in ihrer Mischung aus Schockierendem und Erbärmlichen, für das man sich doch noch erbarmen kann. Sie erschöpfen sich allerdings in Wiederholung. Anders als im wesentlich stärkeren Nachfolger „Paradies: Glaube" mit härteren Momenten (Masturbation mit dem Kreuz) und radikaleren Wendungen. Und auch schwächer als bei Laurent Cantet. Der hatte das Thema der umkehrten Geschlechter-Ausbeutung schon 2005 mit „In den Süden" und Charlotte Rampling wesentlich dichter behandelt. Doch man sollte seine Liebe, den Glauben und die Hoffnung für Ulrich Seidl nicht aufgeben. Die Trilogie fügt den einzelnen Dramen tatsächlich einen Mehrwert hinzu.
Jack Reacher
USA 2012 (Jack Reacher) Regie: Christopher McQuarrie mit Tom Cruise, Rosamund Pike, Richard Jenkins, David Oyelowo, Werner Herzog, Jai Courtney, Robert Duvall 131 Min. FSK ab 16
Der neue Werner Herzog-Film zeigt unseren deutschen Altstar als gefürchteten Gangsterboss auf dem Höhepunkt seines Könnens. Wie dieser graue Wolf aus einer dunklen Gasse auftaucht und mit herrlich deutschem Dialekt (in der Originalversion) die Geschichte seiner im sibirischen Gefangenenlager selbst abgeknabberten Finger erzählt, ist oscarreif. Dass ein gewisser, minderbegabter Tom Cruise öfters in diesem Action-Thriller auftaucht, ist dann gar nicht mehr so schlimm. Denn er wird wiederum von Senior-Mimen Robert Duvall unterstützt...
Bevor der selbstverliebt in Szene gesetzte Titelheld Jack Reacher auftaucht, treibt ein Scharfschütze sein wahllos grausames Spiel mit zufälligen Opfern im Visier. Am Ende sterben vor dem Stadion in Pittsburgh fünf Menschen. Alle Indizien belasten den Soldaten Barr. Der verlangt nur nach dem ehemaligen Militärpolizisten Jack Reacher (Tom Cruise). Obwohl aus dem Dienst ausgeschieden und untergetaucht, taucht Reacher bei den verblüfften Strafverfolgern auf, noch ehe die überhaupt mit der Suche beginnen. Er schwor einst Vergeltung, weil Barr nach einem Gemetzel in Uniform nicht verurteilt wurde. Nun stellt ausgerechnet der stoische Verfolger als einziger fest, dass bei diesem Anschlag etwas nicht stimmt. Zusammen mit der Rechtsanwältin Helen Rodin (Rosamund Pike) deckt er eine Verschwörung auf, was beide ins Visier der Hintermänner bringt.
Rosamund Pike in der weiblichen Hauptrolle? Jai Courtney als schlagkräftiger Bösewicht? Das Wundern über wenig bekannte Namen in einer dicken Hollywood-Produktion hat Prinzip: Cruise produziert sich wieder selbst und setzt möglichst alles um ihn herum ins Mittelmaß. Was glücklicherweise nicht richtig gelingt. Sowohl die Story nach Lee Childs Roman „One Shot" (dt. „Sniper") als auch die Figur des harten, kompromisslosen Rächers Reacher sind zu gut. Der Kriminalist bewegt sich per Bus anonym durch die USA, hat nur ein Shirt und auch keinen dieser modernen Ermittler-Spleens. Dafür mehr Verstand als alle anderen um ihn herum zusammen. So eine spannende Figur perlt selbst an Cruise nicht ab.
Regisseur und Cruise-Schreiber Christopher McQuarrie („Top Gun 2", „Operation Walküre") darf demnächst auch „Mission Impossible 5" machen. Diese Visitenkarte ist anständig, die obligatorische Auto-Verfolgung gehört zu den packenderen. Wie sich zwei besonders dämliche Gauner gegenseitig im zu engen Badezimmer daran hindern, dem ausgeknockten Reacher den Rest zu geben, gehört eigentlich zu „Dick & Doof", macht aber ebenso Spaß wie die mit lässigen Sprüchen unterlegte Coolness des Helden. Bevor dem Finale wieder nichts als ein dämliches, unnötiges Steinzeit-Duell per Faustkampf einfällt, unterhält der raue Thriller gekonnt und mit einigen netten Wendungen. Doch den Auftritt von Regisseur und Gelegenheits-Schauspieler Werner Herzog sollte man sich auf keinen Fall entgehen lassen. Da versteht man, wie dieser Mann den wahnsinnigen Klaus Kinski unter Kontrolle hielt!
Der neue Werner Herzog-Film zeigt unseren deutschen Altstar als gefürchteten Gangsterboss auf dem Höhepunkt seines Könnens. Wie dieser graue Wolf aus einer dunklen Gasse auftaucht und mit herrlich deutschem Dialekt (in der Originalversion) die Geschichte seiner im sibirischen Gefangenenlager selbst abgeknabberten Finger erzählt, ist oscarreif. Dass ein gewisser, minderbegabter Tom Cruise öfters in diesem Action-Thriller auftaucht, ist dann gar nicht mehr so schlimm. Denn er wird wiederum von Senior-Mimen Robert Duvall unterstützt...
Bevor der selbstverliebt in Szene gesetzte Titelheld Jack Reacher auftaucht, treibt ein Scharfschütze sein wahllos grausames Spiel mit zufälligen Opfern im Visier. Am Ende sterben vor dem Stadion in Pittsburgh fünf Menschen. Alle Indizien belasten den Soldaten Barr. Der verlangt nur nach dem ehemaligen Militärpolizisten Jack Reacher (Tom Cruise). Obwohl aus dem Dienst ausgeschieden und untergetaucht, taucht Reacher bei den verblüfften Strafverfolgern auf, noch ehe die überhaupt mit der Suche beginnen. Er schwor einst Vergeltung, weil Barr nach einem Gemetzel in Uniform nicht verurteilt wurde. Nun stellt ausgerechnet der stoische Verfolger als einziger fest, dass bei diesem Anschlag etwas nicht stimmt. Zusammen mit der Rechtsanwältin Helen Rodin (Rosamund Pike) deckt er eine Verschwörung auf, was beide ins Visier der Hintermänner bringt.
Rosamund Pike in der weiblichen Hauptrolle? Jai Courtney als schlagkräftiger Bösewicht? Das Wundern über wenig bekannte Namen in einer dicken Hollywood-Produktion hat Prinzip: Cruise produziert sich wieder selbst und setzt möglichst alles um ihn herum ins Mittelmaß. Was glücklicherweise nicht richtig gelingt. Sowohl die Story nach Lee Childs Roman „One Shot" (dt. „Sniper") als auch die Figur des harten, kompromisslosen Rächers Reacher sind zu gut. Der Kriminalist bewegt sich per Bus anonym durch die USA, hat nur ein Shirt und auch keinen dieser modernen Ermittler-Spleens. Dafür mehr Verstand als alle anderen um ihn herum zusammen. So eine spannende Figur perlt selbst an Cruise nicht ab.
Regisseur und Cruise-Schreiber Christopher McQuarrie („Top Gun 2", „Operation Walküre") darf demnächst auch „Mission Impossible 5" machen. Diese Visitenkarte ist anständig, die obligatorische Auto-Verfolgung gehört zu den packenderen. Wie sich zwei besonders dämliche Gauner gegenseitig im zu engen Badezimmer daran hindern, dem ausgeknockten Reacher den Rest zu geben, gehört eigentlich zu „Dick & Doof", macht aber ebenso Spaß wie die mit lässigen Sprüchen unterlegte Coolness des Helden. Bevor dem Finale wieder nichts als ein dämliches, unnötiges Steinzeit-Duell per Faustkampf einfällt, unterhält der raue Thriller gekonnt und mit einigen netten Wendungen. Doch den Auftritt von Regisseur und Gelegenheits-Schauspieler Werner Herzog sollte man sich auf keinen Fall entgehen lassen. Da versteht man, wie dieser Mann den wahnsinnigen Klaus Kinski unter Kontrolle hielt!
21.12.12
Searching for Sugar Man
Schweden, Großbritannien 2012 (Searching for Sugar Man) Regie: Malik Bendjelloul 86 Min.
Die Dokumentarfilm über den Singer-Songwriter Sixto Díaz Rodríguez schafft es direkt in den ersten Minuten, mit einem Rätsel zu fesseln: Wer ist dieser Musiker, der in den 1970er-Jahren zwei Platten einspielte und dann verschwand, bevor er Ende der Neunziger ein märchenhaftes Comeback in Südafrika erlebt? Das liegt weniger an den Zeitzeugen, die immer noch elektrisiert von ihren Begegnungen erzählen. Es sind die atmosphärisch dichten Aufnahmen und Fahrten von den Originalschauplätzen einer Karriere, zu der das Wort Karriere nicht wirklich passt. Und die Originalsongs, die etwas nach Dylan klingen, die vor allem direkt packen mit ernster Stimme, geradlinigen Arrangements und einer altmodischen Klarheit, die immer wieder gerne neu entdeckt wird. Wie ein Krimi erzählt, gibt es zuerst nur ein paar Fotos, keine Filmaufnahmen und zwei Fans aus Südafrika machten sich auf die Suche nach dem Musiker, als sie auf einer CD lesen, dass es keine Informationen über den Künstler gäbe. Von Detroit in den Siebzigern bis zu den begeisterten Comeback-Konzerten ein schöner Film, für dessen Genuss es nicht hinderlich ist, dass man auch noch nie etwas von Rodríguez gehört hatte.
Die Dokumentarfilm über den Singer-Songwriter Sixto Díaz Rodríguez schafft es direkt in den ersten Minuten, mit einem Rätsel zu fesseln: Wer ist dieser Musiker, der in den 1970er-Jahren zwei Platten einspielte und dann verschwand, bevor er Ende der Neunziger ein märchenhaftes Comeback in Südafrika erlebt? Das liegt weniger an den Zeitzeugen, die immer noch elektrisiert von ihren Begegnungen erzählen. Es sind die atmosphärisch dichten Aufnahmen und Fahrten von den Originalschauplätzen einer Karriere, zu der das Wort Karriere nicht wirklich passt. Und die Originalsongs, die etwas nach Dylan klingen, die vor allem direkt packen mit ernster Stimme, geradlinigen Arrangements und einer altmodischen Klarheit, die immer wieder gerne neu entdeckt wird. Wie ein Krimi erzählt, gibt es zuerst nur ein paar Fotos, keine Filmaufnahmen und zwei Fans aus Südafrika machten sich auf die Suche nach dem Musiker, als sie auf einer CD lesen, dass es keine Informationen über den Künstler gäbe. Von Detroit in den Siebzigern bis zu den begeisterten Comeback-Konzerten ein schöner Film, für dessen Genuss es nicht hinderlich ist, dass man auch noch nie etwas von Rodríguez gehört hatte.
Life of Pi: Schiffbruch mit Tiger
USA 2012 (Life of Pi) Regie: Ang Lee mit Suraj Sharma, Irrfan Khan, Tabu, Rafe Spall, Gérard Depardieu 127 Min. FSK ab 12
Der junge Mann und das Meer ... und der Tiger. Ang Lee („Tiger & Dragon") erschafft in seiner Verfilmung von Yann Martels prämiertem Roman „Life of Pi" („Schiffbruch mit Tiger") atemberaubende Welten und (3D-)Visionen fast im Minutentakt. Die fantastisch fabulierende Geschichte ist nicht im Sinne von Hitchcocks „Rettungsboot" ein Kammerspiel mit Tiger, sondern erweitert den Raum in alle Richtungen und Dimensionen. Am Schluss sogar - etwas angepappt - in eine metaphysische.
Pi Patel wächst während der fünfziger Jahre in Pondicherry, der ehemaligen Hauptstadt Französisch-Indiens, im Zoo seiner Eltern auf. Er wurde Piscine genannt, nach einem Pariser Schwimmbad, doch das klingt zur Freude der spottenden Mitschüler genau wie das englische „Pissing". Da hilft auch nicht, dass er auf die Zahl Pi verweist. Erst als er diese mit ihren unendlichen Nachkomma-Stellen über mehrere Tafeln aus dem Kopf aufschreibt, hat Pi das fiese Missverständnis ausgewischt. Ein nicht nur kluger Junge, sondern einer, der Grenzen im Denken und Handeln überschreitet und die Welt erweitert. So wie es Ang Lee mit diesem Film, seinen Visionen und dem Einsatz von 3D dabei macht. Was auch immer an Sinn dahinter stecken möge (oder auch nicht), seine Art, Himmel, Universum, Wasser, Meer, Oberflächen und Tiefen, zu visualisieren, sind faszinierend mannigfaltig.
Man beginnt schon bei der Geschichte des katholischen Hindu aus dem französischen Teil Indiens, der sich sehr für den Islam interessiert, zu schwärmen. Doch es geht erst richtig los, als Pis Vater, ein fortgeschrittener Rationalist, wegen der Unruhen Familie und Tiere auf ein Schiff verlädt, um nach Kanada auszuwandern. Der japanische Frachter sinkt in einem gewaltigen und grandiosen (Bilder-) Sturm. Am Ende findet sich Pi (Suraj Sharma) in einem Rettungsbot mit einem Zebra, einer Hyäne, einem Orang-Utan-Weibchen und einer Ratte. Alle noch medikamentös halbbetäubt oder seekrank. Als auch ein Tiger heranschwimmt und den Kahn entert, entsteht so etwas wie dieses Gedankenspiel, in dem Wolf, Schaf und Schäfer übersetzen und überleben sollen, aber real und hochspannend. Auch dank 3D, das die Fangzähne ein paar mal verdammt schnell verdammt nahe kommen lässt.
Während der folgenden 227 Tage des Herumtreibens im offenen Meer reduziert sich das Drama natürlich auf das schwierige Miteinander von Mensch und Tiger. Das Erstaunliche an dem Jungen und dieser Geschichte zeigt sich in einem Moment, als Pi den Tiger ertrinken lassen könnte. Er holt ihn wieder ins Boot und hofft auf das Gute im Tier. Dafür muss der zusehends ausdörrende aber reifende Pi ingeniöse Konstruktionen ersinnen, treibt tagelang auf einer wackeligen Kunstinsel aus Rettungswesten, Paddel und Blechdosen zwischen Tiger, Haien, Walen und allen möglichen Fischen. Der Vegetarier opfert sogar seinen Zwieback, um Fisch zu fangen und den Tiger zu füttern. Wie schwer es ihm fällt, zeigt auch das Verblassen der Regenbogenfarben auf den Schuppen des ersten Fisches, den Pi tötet.
Doch bald leuchtet das ganze Meer fluoreszierend. Das Staunen über ein unglaubliches Miteinander wechselt sich rasant mit fantastischen Naturereignissen ab. Dieser Film ist wie eine von Pis Kindheitsgeschichten: Als der junger Krishna seinen Mund öffnet, um zu zeigen, dass er kein Essen geklaut hat, zeigt sich in diesem Mund ein ganzes Universum. Und der Film taucht erst spielerisch, dann eindrucksvoll tatsächlich in diese unendlichen Weiten ein.
Ang Lee, der taiwanesische Regisseur von „Brokeback Mountain", „Taking Woodstock", „Tiger & Dragon", „Der Eissturm", „Sinn und Sinnlichkeit" oder „Das Hochzeitsbankett" (unter anderen!) fügt seinem Renommee als Alleskönner eine weitere überraschende Facette hinzu: Selbst so ein technisch aufwändiges Trick-Biest wie „Life of Pi" zähmt er und verwandelt es in Momente reiner, unbeschreiblicher Bildpoesie und berührender Menschlichkeit.
Die Tricktechnik bringt nebenbei die immer am Boot hängende Frage „Was ist wahr?" auf eine zusätzliche Ebene, die sich allerdings mit der literatur-philosophischen ergänzt: Eine Rahmengeschichte des erwachsenen Pi bietet viele Jahre später eine Variante der Ereignisse ohne Tiere an, die er ungläubigen Vertretern der japanischen Reederei berichtete: Das grausame Drama, in der ein schmieriger Koch (Depardieu), erst einen Matrosen zu Fischköder zersägt und dann Pis Mutter umbringt, wird nur erzählt. Aus zwei Geschichten suche man sich halt die schönere aus, so sei es auch mit Gott, lautet die Pointe. Damit gewinnt man keinen Philosophen-Preis, selbst als Aphorismus klingt das kläglich. Aber die Bilder, die sind göttlich!
Der junge Mann und das Meer ... und der Tiger. Ang Lee („Tiger & Dragon") erschafft in seiner Verfilmung von Yann Martels prämiertem Roman „Life of Pi" („Schiffbruch mit Tiger") atemberaubende Welten und (3D-)Visionen fast im Minutentakt. Die fantastisch fabulierende Geschichte ist nicht im Sinne von Hitchcocks „Rettungsboot" ein Kammerspiel mit Tiger, sondern erweitert den Raum in alle Richtungen und Dimensionen. Am Schluss sogar - etwas angepappt - in eine metaphysische.
Pi Patel wächst während der fünfziger Jahre in Pondicherry, der ehemaligen Hauptstadt Französisch-Indiens, im Zoo seiner Eltern auf. Er wurde Piscine genannt, nach einem Pariser Schwimmbad, doch das klingt zur Freude der spottenden Mitschüler genau wie das englische „Pissing". Da hilft auch nicht, dass er auf die Zahl Pi verweist. Erst als er diese mit ihren unendlichen Nachkomma-Stellen über mehrere Tafeln aus dem Kopf aufschreibt, hat Pi das fiese Missverständnis ausgewischt. Ein nicht nur kluger Junge, sondern einer, der Grenzen im Denken und Handeln überschreitet und die Welt erweitert. So wie es Ang Lee mit diesem Film, seinen Visionen und dem Einsatz von 3D dabei macht. Was auch immer an Sinn dahinter stecken möge (oder auch nicht), seine Art, Himmel, Universum, Wasser, Meer, Oberflächen und Tiefen, zu visualisieren, sind faszinierend mannigfaltig.
Man beginnt schon bei der Geschichte des katholischen Hindu aus dem französischen Teil Indiens, der sich sehr für den Islam interessiert, zu schwärmen. Doch es geht erst richtig los, als Pis Vater, ein fortgeschrittener Rationalist, wegen der Unruhen Familie und Tiere auf ein Schiff verlädt, um nach Kanada auszuwandern. Der japanische Frachter sinkt in einem gewaltigen und grandiosen (Bilder-) Sturm. Am Ende findet sich Pi (Suraj Sharma) in einem Rettungsbot mit einem Zebra, einer Hyäne, einem Orang-Utan-Weibchen und einer Ratte. Alle noch medikamentös halbbetäubt oder seekrank. Als auch ein Tiger heranschwimmt und den Kahn entert, entsteht so etwas wie dieses Gedankenspiel, in dem Wolf, Schaf und Schäfer übersetzen und überleben sollen, aber real und hochspannend. Auch dank 3D, das die Fangzähne ein paar mal verdammt schnell verdammt nahe kommen lässt.
Während der folgenden 227 Tage des Herumtreibens im offenen Meer reduziert sich das Drama natürlich auf das schwierige Miteinander von Mensch und Tiger. Das Erstaunliche an dem Jungen und dieser Geschichte zeigt sich in einem Moment, als Pi den Tiger ertrinken lassen könnte. Er holt ihn wieder ins Boot und hofft auf das Gute im Tier. Dafür muss der zusehends ausdörrende aber reifende Pi ingeniöse Konstruktionen ersinnen, treibt tagelang auf einer wackeligen Kunstinsel aus Rettungswesten, Paddel und Blechdosen zwischen Tiger, Haien, Walen und allen möglichen Fischen. Der Vegetarier opfert sogar seinen Zwieback, um Fisch zu fangen und den Tiger zu füttern. Wie schwer es ihm fällt, zeigt auch das Verblassen der Regenbogenfarben auf den Schuppen des ersten Fisches, den Pi tötet.
Doch bald leuchtet das ganze Meer fluoreszierend. Das Staunen über ein unglaubliches Miteinander wechselt sich rasant mit fantastischen Naturereignissen ab. Dieser Film ist wie eine von Pis Kindheitsgeschichten: Als der junger Krishna seinen Mund öffnet, um zu zeigen, dass er kein Essen geklaut hat, zeigt sich in diesem Mund ein ganzes Universum. Und der Film taucht erst spielerisch, dann eindrucksvoll tatsächlich in diese unendlichen Weiten ein.
Ang Lee, der taiwanesische Regisseur von „Brokeback Mountain", „Taking Woodstock", „Tiger & Dragon", „Der Eissturm", „Sinn und Sinnlichkeit" oder „Das Hochzeitsbankett" (unter anderen!) fügt seinem Renommee als Alleskönner eine weitere überraschende Facette hinzu: Selbst so ein technisch aufwändiges Trick-Biest wie „Life of Pi" zähmt er und verwandelt es in Momente reiner, unbeschreiblicher Bildpoesie und berührender Menschlichkeit.
Die Tricktechnik bringt nebenbei die immer am Boot hängende Frage „Was ist wahr?" auf eine zusätzliche Ebene, die sich allerdings mit der literatur-philosophischen ergänzt: Eine Rahmengeschichte des erwachsenen Pi bietet viele Jahre später eine Variante der Ereignisse ohne Tiere an, die er ungläubigen Vertretern der japanischen Reederei berichtete: Das grausame Drama, in der ein schmieriger Koch (Depardieu), erst einen Matrosen zu Fischköder zersägt und dann Pis Mutter umbringt, wird nur erzählt. Aus zwei Geschichten suche man sich halt die schönere aus, so sei es auch mit Gott, lautet die Pointe. Damit gewinnt man keinen Philosophen-Preis, selbst als Aphorismus klingt das kläglich. Aber die Bilder, die sind göttlich!
20.12.12
Cäsar muss sterben
Italien 2011 (Originaltitel) Regie: Paolo Taviani, Vittorio Taviani mit Cosimo Rega, Salvatore Striano, Giovanni Arcuri, Antonio Frasca 77 Min. FSK ab 6
Die Tavianis und die „Schweren Jungs"
Die italienischen Regie-Brüder Taviani, die man nach Welterfolgen wie „Kaos" in den Siebzigern und Achtzigern eher im Filmmuseum als im Festivalalltag vermutet, haben im Februar mit dem Gewinn des Goldenen Bären bei der Berlinale für gemischte Reaktionen gesorgt. Die über 80-jährigen Paolo und Vittorio zeigten im Wettbewerb mit „Cäsar muss sterben" (Cesare deve morire) ein klassisches Stück Agitprop: Italienische Schwerverbrecher inszenieren im Hochsicherheitstrakt der römischen Strafanstalt Rebibbia Shakespeares „Julius Cäsar" und spielen sich selbst, während sie sich selber spielen. Durch die eindrucksvollen Physiognomien der groben Kerle mit ihren regionalen Dialekten ist diese altmodische „scripted reality" nett anzusehen, aber sie bleibt inszeniert.
Als die Tavianis vor fünf Jahren mit „Das Haus der Lerchen", einem altbackenen Kostümdrama über den Genozid der Türken an der armenischen Bevölkerung, zeigten, schien ihre verdienst- und eindrucksvolle Karriere beendet. Nun zeigt ihr nächster Film - fast durchgehend in Schwarzweiß gedreht - zumindest ein paar reizvolle Brüche. Vom Casting über die ersten Proben verselbständigt sich das Gefangenenprojekt. Die „schweren Jungs", wie man verharmlosend nicht sagen sollte, fallen ab und zu aus ihren Rollen: „Diese Sätze gibt es bei Cäsar nicht". Aus den Shakespeare-Rollen wohlgemerkt. Da wechselt die Dokumentation zu einem Spielfilm, in dem sich die Insassen dann vielleicht wieder selber spielen und sich „reale" Spannungen entladen.
Dann, beispielsweise wenn man nachts die Gedanken all eines „Gefangenen-Chores" hört, ist „Cäsar muss sterben" ein inszeniertes Nach-Spielen des Knastlebens von den selbst Betroffenen. So was kennt man im schlimmsten Falle aus dem Nachmittags-Programm der Privat-Sender. Unter den Tavianis wird es nie derart peinlich, es bleibt bei dem einen oder anderen höchstens hölzern. Doch, wenn etwa ein Chor die nächtliche Gedanken und Qualen dieser Haft evozieren will, macht der Film die größten Probleme. Denn es fällt schwer, das gewünschte Mitgefühl für diese Häftlinge aufzubringen. Kurze Seitenblicke beispielsweise auf vier fehlende Finger an einer Hand lassen schaurig ahnen, was für monströse Geschichten diese oft zu lebenslänglich verurteilten Kerle wirklich erzählen könnten. Sicher sitzt hier keiner nur wegen Autodiebstahl oder Steuerhinterziehung. Nun sind derartige Gefangenen-Projekte zur „Resozialisierung" sehr sinnvoll. Und, obschon ein alter Hut, sorgen sie immer noch für Aufsehen: Noch in diesem Jahr war es Thema, dass die Maastrichter Theater-Regisseurin Letizia Rompelberg in ihrem Stück „Vast" einen ehemaligen Häftling seine - nur auf der Bühne - preisgegebene Geschichte erzählen lässt. Doch darum geht es nicht in „Cäsar muss sterben", hier findet bei den „Figuren" keine Entwicklung statt.
Davon abgesehen zeigen die Tavianis mit ihrer reichen Inszenierungs-Erfahrung immer wieder reizvolle Gefängnis-Winkel für das Schauspiel und das Spiel im Spiel. Bis sie in den letzten Minuten zur tatsächlich stattgefundenen Aufführung in klassischer Bühnensituation und in Farbe zurückkehren. Ein zwiespältiges Spektakel und ein problematischer Preisträger.
Die Tavianis und die „Schweren Jungs"
Die italienischen Regie-Brüder Taviani, die man nach Welterfolgen wie „Kaos" in den Siebzigern und Achtzigern eher im Filmmuseum als im Festivalalltag vermutet, haben im Februar mit dem Gewinn des Goldenen Bären bei der Berlinale für gemischte Reaktionen gesorgt. Die über 80-jährigen Paolo und Vittorio zeigten im Wettbewerb mit „Cäsar muss sterben" (Cesare deve morire) ein klassisches Stück Agitprop: Italienische Schwerverbrecher inszenieren im Hochsicherheitstrakt der römischen Strafanstalt Rebibbia Shakespeares „Julius Cäsar" und spielen sich selbst, während sie sich selber spielen. Durch die eindrucksvollen Physiognomien der groben Kerle mit ihren regionalen Dialekten ist diese altmodische „scripted reality" nett anzusehen, aber sie bleibt inszeniert.
Als die Tavianis vor fünf Jahren mit „Das Haus der Lerchen", einem altbackenen Kostümdrama über den Genozid der Türken an der armenischen Bevölkerung, zeigten, schien ihre verdienst- und eindrucksvolle Karriere beendet. Nun zeigt ihr nächster Film - fast durchgehend in Schwarzweiß gedreht - zumindest ein paar reizvolle Brüche. Vom Casting über die ersten Proben verselbständigt sich das Gefangenenprojekt. Die „schweren Jungs", wie man verharmlosend nicht sagen sollte, fallen ab und zu aus ihren Rollen: „Diese Sätze gibt es bei Cäsar nicht". Aus den Shakespeare-Rollen wohlgemerkt. Da wechselt die Dokumentation zu einem Spielfilm, in dem sich die Insassen dann vielleicht wieder selber spielen und sich „reale" Spannungen entladen.
Dann, beispielsweise wenn man nachts die Gedanken all eines „Gefangenen-Chores" hört, ist „Cäsar muss sterben" ein inszeniertes Nach-Spielen des Knastlebens von den selbst Betroffenen. So was kennt man im schlimmsten Falle aus dem Nachmittags-Programm der Privat-Sender. Unter den Tavianis wird es nie derart peinlich, es bleibt bei dem einen oder anderen höchstens hölzern. Doch, wenn etwa ein Chor die nächtliche Gedanken und Qualen dieser Haft evozieren will, macht der Film die größten Probleme. Denn es fällt schwer, das gewünschte Mitgefühl für diese Häftlinge aufzubringen. Kurze Seitenblicke beispielsweise auf vier fehlende Finger an einer Hand lassen schaurig ahnen, was für monströse Geschichten diese oft zu lebenslänglich verurteilten Kerle wirklich erzählen könnten. Sicher sitzt hier keiner nur wegen Autodiebstahl oder Steuerhinterziehung. Nun sind derartige Gefangenen-Projekte zur „Resozialisierung" sehr sinnvoll. Und, obschon ein alter Hut, sorgen sie immer noch für Aufsehen: Noch in diesem Jahr war es Thema, dass die Maastrichter Theater-Regisseurin Letizia Rompelberg in ihrem Stück „Vast" einen ehemaligen Häftling seine - nur auf der Bühne - preisgegebene Geschichte erzählen lässt. Doch darum geht es nicht in „Cäsar muss sterben", hier findet bei den „Figuren" keine Entwicklung statt.
Davon abgesehen zeigen die Tavianis mit ihrer reichen Inszenierungs-Erfahrung immer wieder reizvolle Gefängnis-Winkel für das Schauspiel und das Spiel im Spiel. Bis sie in den letzten Minuten zur tatsächlich stattgefundenen Aufführung in klassischer Bühnensituation und in Farbe zurückkehren. Ein zwiespältiges Spektakel und ein problematischer Preisträger.
Breathing Earth - Susumu Shingus Traum
BRD, Großbritannien 2012 Regie: Thomas Riedelsheimer 97 Min.
Mit einem vom Wind bewegten und bewegenden Porträt des japanischen Künstlers Susumu Shingu setzt Thomas Riedelsheimer seine Reihe quasi synästhetischer Filme wie „Touch the Sound" oder „Rivers and Tides - Andy Goldsworthy Working With Time" fort. Eine beglückende Dokumentation, die staunen lässt - angesichts der Wind- und Wasser-Skulpturen des 75jährigen Shingu und der kongenialen Bilder die der Filmemacher als Regisseur, Autor, Kameramann und Cutter dazu findet.
Susumu Shingu ist ein weltberühmter Künstler, den die Natur zu verspielten Mobiles inspiriert. Große Architekten wie Renzo Piano lassen ihre Bauten von seinen Skulpturen beleben, weltweit lassen seine Kunstwerke im öffentlichen Raum die Passanten innehalten, Choreographen schätzen seine Bühnenbilder, Kinder mögen seine meisterlich gemalten, phantasievollen Bücher. Und vor allem in der Begegnung Shingus mit Kindern kommt „Breathing Earth" dem Wesen dieses freundlichen, offenen Japaners nahe. Immer wieder betont er, man müsse sich die Offenheit der Kinder erhalten, um die Welt zu sehen, und immer wieder lösen seine Objekte auf der ganzen Welt kindliches Glücksempfinden aus.
Aber Shingu will auch der Kanarienvogel sein, der vor dramatischen Veränderungen der Umwelt warnt, wie es die Vögel früher bei den Bergarbeitern taten. Dabei geht die Poetologie dieses „Leonardo da Vinci des 21. Jahrhunderts" weiter, wenn er an einem Teich sitzend über den Moment der Rührung sinniert, der eintritt, wenn das Gefühl unserer Lebenszeit mit einem umfassenderen Gefühl der Zeit übereinstimmt. Wind ist für ihn und seine Kunst „das Absolute", er war schon vor den Menschen da.
Während Riedelsheimer solche Ideen einfängt, begleitet der Film Shingu auf seinen Reisen zur Realisierung des ökologischen Kunst-Projekts Breathing Earth. (Dabei fliegt er vom Kansai Airport in Osaka ab, der mit seinen Windsegeln geschmückt ist.) Auch die Zusammenarbeit und das gemeinsame Leben des Paares Susumu und Yasuko darf man miterleben. Sehr persönlich erzählt Shingu von seiner Kindheit, die tragische Geschichte seines Vaters und dessen letzten Wunsch, „Susumu, halt an deinen Träumen fest".
Aber vor allem findet der Film in den besten Momenten Bilder, die ebenso staunen lassen wie die Wind- und Wasser-Spiele Shingus. Zwei Blätter etwa, die aneinandergeschmiegt sich umeinander drehen, nur noch an einem Spinnfaden hängend. Man merkt, dass Riedelsheimer nach der Arbeit mit dem Landart-Künstler Andy Goldsworthy und der fast gehörlosen Percussionistin Evelyn Glennie längst ein Spezialist für das besonders aufmerksame Schauen und Lauschen ist. Er erspürt Gottesgeschenke des Moments wie die Heuschrecke, die als Sisyphos auf einem der Mobile herumkraxelt und es so belebt. Da geht das unvergleichliche Rauschen eines Bambuswaldes über in eine Episode mit Shakuhachi-Flöten aus dem Bambus-Holz, denn selbstverständlich ist in „Breathing Earth" auch die Musik wieder berauschend und beglückend.
Unfreundliche Realitäten werden nicht ausgeblendet. Ausgerechnet ein Taifun zerstört ein Projekt auf japanischen Reisfeldern völlig. Obwohl sie schon mehrfach zusammen gearbeitet haben, bringt er Renzo Piano mit seinem Entwurf für Breathing Earth noch zum ungläubigen Staunen und zum Ausruf „Ein Kind, das sieben mal 10 Jahre alt ist." Breathing Earth ist bislang noch nicht realisiert, die Begegnungen mit skeptischen Politikern und Bürokraten sind voll bitterer Komik. Auf einer Mondlandschaft inmitten von Kohlenhalden und Stromerzeugungs-Schloten entwickelt Shingu Visionen vom Besuch eines Außerirdischen - der lokale Abgesandte weist auf das Stadion von Schalke hin.
Der finale Frust wird von einem Windfestival mit vielen Menschen bei der doch noch fertig gestellten Reisfeld-Installation aufgefangen, vor einem noch schöneren Schlusspunkt bei Sonnenuntergang am Strand: Am liebsten würde er, meint Shingu, immer am Meer leben und die Skulpturen nur noch für sich und seine Frau machen.
Mit einem vom Wind bewegten und bewegenden Porträt des japanischen Künstlers Susumu Shingu setzt Thomas Riedelsheimer seine Reihe quasi synästhetischer Filme wie „Touch the Sound" oder „Rivers and Tides - Andy Goldsworthy Working With Time" fort. Eine beglückende Dokumentation, die staunen lässt - angesichts der Wind- und Wasser-Skulpturen des 75jährigen Shingu und der kongenialen Bilder die der Filmemacher als Regisseur, Autor, Kameramann und Cutter dazu findet.
Susumu Shingu ist ein weltberühmter Künstler, den die Natur zu verspielten Mobiles inspiriert. Große Architekten wie Renzo Piano lassen ihre Bauten von seinen Skulpturen beleben, weltweit lassen seine Kunstwerke im öffentlichen Raum die Passanten innehalten, Choreographen schätzen seine Bühnenbilder, Kinder mögen seine meisterlich gemalten, phantasievollen Bücher. Und vor allem in der Begegnung Shingus mit Kindern kommt „Breathing Earth" dem Wesen dieses freundlichen, offenen Japaners nahe. Immer wieder betont er, man müsse sich die Offenheit der Kinder erhalten, um die Welt zu sehen, und immer wieder lösen seine Objekte auf der ganzen Welt kindliches Glücksempfinden aus.
Aber Shingu will auch der Kanarienvogel sein, der vor dramatischen Veränderungen der Umwelt warnt, wie es die Vögel früher bei den Bergarbeitern taten. Dabei geht die Poetologie dieses „Leonardo da Vinci des 21. Jahrhunderts" weiter, wenn er an einem Teich sitzend über den Moment der Rührung sinniert, der eintritt, wenn das Gefühl unserer Lebenszeit mit einem umfassenderen Gefühl der Zeit übereinstimmt. Wind ist für ihn und seine Kunst „das Absolute", er war schon vor den Menschen da.
Während Riedelsheimer solche Ideen einfängt, begleitet der Film Shingu auf seinen Reisen zur Realisierung des ökologischen Kunst-Projekts Breathing Earth. (Dabei fliegt er vom Kansai Airport in Osaka ab, der mit seinen Windsegeln geschmückt ist.) Auch die Zusammenarbeit und das gemeinsame Leben des Paares Susumu und Yasuko darf man miterleben. Sehr persönlich erzählt Shingu von seiner Kindheit, die tragische Geschichte seines Vaters und dessen letzten Wunsch, „Susumu, halt an deinen Träumen fest".
Aber vor allem findet der Film in den besten Momenten Bilder, die ebenso staunen lassen wie die Wind- und Wasser-Spiele Shingus. Zwei Blätter etwa, die aneinandergeschmiegt sich umeinander drehen, nur noch an einem Spinnfaden hängend. Man merkt, dass Riedelsheimer nach der Arbeit mit dem Landart-Künstler Andy Goldsworthy und der fast gehörlosen Percussionistin Evelyn Glennie längst ein Spezialist für das besonders aufmerksame Schauen und Lauschen ist. Er erspürt Gottesgeschenke des Moments wie die Heuschrecke, die als Sisyphos auf einem der Mobile herumkraxelt und es so belebt. Da geht das unvergleichliche Rauschen eines Bambuswaldes über in eine Episode mit Shakuhachi-Flöten aus dem Bambus-Holz, denn selbstverständlich ist in „Breathing Earth" auch die Musik wieder berauschend und beglückend.
Unfreundliche Realitäten werden nicht ausgeblendet. Ausgerechnet ein Taifun zerstört ein Projekt auf japanischen Reisfeldern völlig. Obwohl sie schon mehrfach zusammen gearbeitet haben, bringt er Renzo Piano mit seinem Entwurf für Breathing Earth noch zum ungläubigen Staunen und zum Ausruf „Ein Kind, das sieben mal 10 Jahre alt ist." Breathing Earth ist bislang noch nicht realisiert, die Begegnungen mit skeptischen Politikern und Bürokraten sind voll bitterer Komik. Auf einer Mondlandschaft inmitten von Kohlenhalden und Stromerzeugungs-Schloten entwickelt Shingu Visionen vom Besuch eines Außerirdischen - der lokale Abgesandte weist auf das Stadion von Schalke hin.
Der finale Frust wird von einem Windfestival mit vielen Menschen bei der doch noch fertig gestellten Reisfeld-Installation aufgefangen, vor einem noch schöneren Schlusspunkt bei Sonnenuntergang am Strand: Am liebsten würde er, meint Shingu, immer am Meer leben und die Skulpturen nur noch für sich und seine Frau machen.
Red Dawn
USA 2012 (Red Dawn) Regie: Dan Bradley mit Chris Hemsworth, Josh Peck, Adrianne Palicki, Josh Hutcherson 93 Min. FSK ab 16
Das Remake des erzkonservativen „Red Dawn" aus dem Jahre 1984 vom Rechtsaußen-Filmemacher John Milius wäre eine hirnrissige Lachnummer, wenn sich nicht Militarismus und Patriotismus von vorgestern ungebrochen ausbreiten dürften: Nordvietnamesische Soldaten landen zu Tausenden in den Vorgarten einer Kleinstadt im Bundesstaat Washington. Der Himmel ist mit ihren Fallschirmen gepunktet. Was wollen sie dort? Gartenzwerge klauen? Oder glauben sie, dass dort die Seele des Amerikaners am leichtesten zu verwunden ist? Da liegen sie nur knapp daneben - der wahre Sinn des US-Lebens liegt auf dem Platz. Hier Fußball, dort Football. So ist besonders bitter, dass dem provinziellen Kaff nach der Schmach im Spiel der „Wolverines" auch eine militärische Heimniederlage droht. Die vorletzten Kommunisten, die weit und breit noch zu finden sind und deren großer Führer eine Witzfigur auf Youtube ist, erobern Teile der USA! Unter Anführung des Irak-Heimkehrers Jed Eckert (Chris Hemsworth übernimmt Patrick Swayzes Rolle) verstecken sich sein kleiner Bruder Matt (Josh Peck) und einige von dessen Freunden in einer voll beleuchteten Waldhütte. Nach exakt 30 Minuten Filmzeit wird dann zurückgeschossen. Von nun an wird Bombe mit Bombe vergolten. Die angespannte Mischung aus einem Ex-Marine und einem Haufen bockiger Teens macht nun auf Stadt- und Wald-Guerilla, liest Hồ Chí Minh und trägt T-Shirts mit dem Che-Porträt. Ok, die letzten beiden Sachen stimmen nicht, aber bei dieser völlig bescheuerten Action ist eigentlich alles möglich. Die kleinen Rambos machen beim Trainieren so viel Krach, dass selbst der kranke Castro es noch hören muss, und die Nord-Koreaner verfolgen die Jagd auf ein paar Jugendliche, statt ein nicht gerade kleines Land zu erobern.
„Red Dawn" ist eine herrliche Zynismus-Vorlage, kann eigentlich nur als ganz schlechter Scherz gemeint sein. Wenn es nicht so furchtbar kriegstreiberisch und rassistisch wäre. Das Remake ist wie „War of the worlds" nur ohne Sci-Fi oder unmenschlichen Aliens. Obwohl die Koreaner ohne Gefühle, Mitleid oder Familie auch nicht sympathischer sind. Letztendlich ist dieser verquere militaristische Dreck auch Werbung für den Krieg, für das Morden, Foltern und Vergewaltigen in Uniform. Doch wir verteidigen ja nur unsere Heimat. Am Hindukusch oder im Irak sollte der Film sicher sehr gut ankommen.
Das Remake des erzkonservativen „Red Dawn" aus dem Jahre 1984 vom Rechtsaußen-Filmemacher John Milius wäre eine hirnrissige Lachnummer, wenn sich nicht Militarismus und Patriotismus von vorgestern ungebrochen ausbreiten dürften: Nordvietnamesische Soldaten landen zu Tausenden in den Vorgarten einer Kleinstadt im Bundesstaat Washington. Der Himmel ist mit ihren Fallschirmen gepunktet. Was wollen sie dort? Gartenzwerge klauen? Oder glauben sie, dass dort die Seele des Amerikaners am leichtesten zu verwunden ist? Da liegen sie nur knapp daneben - der wahre Sinn des US-Lebens liegt auf dem Platz. Hier Fußball, dort Football. So ist besonders bitter, dass dem provinziellen Kaff nach der Schmach im Spiel der „Wolverines" auch eine militärische Heimniederlage droht. Die vorletzten Kommunisten, die weit und breit noch zu finden sind und deren großer Führer eine Witzfigur auf Youtube ist, erobern Teile der USA! Unter Anführung des Irak-Heimkehrers Jed Eckert (Chris Hemsworth übernimmt Patrick Swayzes Rolle) verstecken sich sein kleiner Bruder Matt (Josh Peck) und einige von dessen Freunden in einer voll beleuchteten Waldhütte. Nach exakt 30 Minuten Filmzeit wird dann zurückgeschossen. Von nun an wird Bombe mit Bombe vergolten. Die angespannte Mischung aus einem Ex-Marine und einem Haufen bockiger Teens macht nun auf Stadt- und Wald-Guerilla, liest Hồ Chí Minh und trägt T-Shirts mit dem Che-Porträt. Ok, die letzten beiden Sachen stimmen nicht, aber bei dieser völlig bescheuerten Action ist eigentlich alles möglich. Die kleinen Rambos machen beim Trainieren so viel Krach, dass selbst der kranke Castro es noch hören muss, und die Nord-Koreaner verfolgen die Jagd auf ein paar Jugendliche, statt ein nicht gerade kleines Land zu erobern.
„Red Dawn" ist eine herrliche Zynismus-Vorlage, kann eigentlich nur als ganz schlechter Scherz gemeint sein. Wenn es nicht so furchtbar kriegstreiberisch und rassistisch wäre. Das Remake ist wie „War of the worlds" nur ohne Sci-Fi oder unmenschlichen Aliens. Obwohl die Koreaner ohne Gefühle, Mitleid oder Familie auch nicht sympathischer sind. Letztendlich ist dieser verquere militaristische Dreck auch Werbung für den Krieg, für das Morden, Foltern und Vergewaltigen in Uniform. Doch wir verteidigen ja nur unsere Heimat. Am Hindukusch oder im Irak sollte der Film sicher sehr gut ankommen.
17.12.12
Sammys Abenteuer 2
Belgien 2012 (Sammy's Avonturen 2) Regie: Ben Stassen 92 Min. FSK o.A.
Die Fortsetzung des überraschend erfolgreichen Animationsfilms „Sammys Abenteuer" von Ben Stassen („Fly me to the moon"), dessen Produktionsfirma nWave in Brüssel mit Ride-Animationen groß geworden ist, will wieder bei den großen Hollywood-Playern mitspielen. Richtig gut ist er allerdings nur bei den Action-Aufnahmen. Diesmal verschlägt es die Riesen-Schildkröten Sammy und Ray in ein Meeres-Aquarium mit italienischer Mobster-Bevölkerung. Der Pate ist ein Seepferdchen mit besonders kaltem Starren und zwei Muränen geben seine Handlanger mit Flossen. Für den Niedlich-Effekt sind die beiden Mini-Enkel von Sammy und Ray zuständig, den Humor besorgt ein Hummer mit schizophrenen Scheren. Fast alle wollen raus aus dem künstlichen Paradies mit seinen drei Fütterungen täglich. Doch draußen wird man eher gefressen als gefüttert.
Wie in einigen Action-Filmen basiert „Sammys Abenteuer 2" auf der Idee, gleich mehrere Kontinente in einem künstlichen Aquarium durchzuspielen. Diese spannende Unterwasser-Welt wurde konsequent in die 3D-Tiefe konstruiert. Und angefüllt mit vielen netten Ideen, ein paar schmissigen, alten Hits (wie schon titelgebend bei „Fly me to the moon") sowie einem Set bunter Figuren, die (im Original) ihren Charakter vor allem durch bekannte Stimmen erhalten. Denn auch dieser „Sammy" leidet oft unter unbeholfen wirkenden Zeichnungen. Neun Jahre nach „Findet Nemo", der demnächst auch noch mal in 3D auf den Markt geworfen wird, hat diese abgelagerte Fischhandlung immer noch wesentlich weniger Persönlichkeit als die Brüsseler Animations-Spitze. Nur in einer extrem spannenden Verfolgung durch zwei Barrakudas werden ausgerechnet diese fotorealistisch und zu bedrohlich realisiert. Damit wären dann ganz kleine Kinogänger draußen - heulend. Hölzern wie die Charakterzeichnung sind auch die überdeutlichen Botschaften: Bei der Anklage „unmenschlicher" Käfighaltung fällt die Entscheidung zwischen Freiheit oder Sicherheit nicht schwer.
Die Fortsetzung des überraschend erfolgreichen Animationsfilms „Sammys Abenteuer" von Ben Stassen („Fly me to the moon"), dessen Produktionsfirma nWave in Brüssel mit Ride-Animationen groß geworden ist, will wieder bei den großen Hollywood-Playern mitspielen. Richtig gut ist er allerdings nur bei den Action-Aufnahmen. Diesmal verschlägt es die Riesen-Schildkröten Sammy und Ray in ein Meeres-Aquarium mit italienischer Mobster-Bevölkerung. Der Pate ist ein Seepferdchen mit besonders kaltem Starren und zwei Muränen geben seine Handlanger mit Flossen. Für den Niedlich-Effekt sind die beiden Mini-Enkel von Sammy und Ray zuständig, den Humor besorgt ein Hummer mit schizophrenen Scheren. Fast alle wollen raus aus dem künstlichen Paradies mit seinen drei Fütterungen täglich. Doch draußen wird man eher gefressen als gefüttert.
Wie in einigen Action-Filmen basiert „Sammys Abenteuer 2" auf der Idee, gleich mehrere Kontinente in einem künstlichen Aquarium durchzuspielen. Diese spannende Unterwasser-Welt wurde konsequent in die 3D-Tiefe konstruiert. Und angefüllt mit vielen netten Ideen, ein paar schmissigen, alten Hits (wie schon titelgebend bei „Fly me to the moon") sowie einem Set bunter Figuren, die (im Original) ihren Charakter vor allem durch bekannte Stimmen erhalten. Denn auch dieser „Sammy" leidet oft unter unbeholfen wirkenden Zeichnungen. Neun Jahre nach „Findet Nemo", der demnächst auch noch mal in 3D auf den Markt geworfen wird, hat diese abgelagerte Fischhandlung immer noch wesentlich weniger Persönlichkeit als die Brüsseler Animations-Spitze. Nur in einer extrem spannenden Verfolgung durch zwei Barrakudas werden ausgerechnet diese fotorealistisch und zu bedrohlich realisiert. Damit wären dann ganz kleine Kinogänger draußen - heulend. Hölzern wie die Charakterzeichnung sind auch die überdeutlichen Botschaften: Bei der Anklage „unmenschlicher" Käfighaltung fällt die Entscheidung zwischen Freiheit oder Sicherheit nicht schwer.
Pitch Perfect
USA 2012 (Pitch Perfect) Regie: Jason Moore mit Anna Kendrick, Skylar Astin, Ben Platt, Brittany Snow 112 Min. FSK o.A.
„Reaktionäre Musik vom letzten Jahrhundert!" DJane Beca (Anna Kendrick) hat ja so recht, wenn sie entsetzt über die A-Capella-Gruppen an ihrem neuen College herzieht. Doch scheinbar bleibt ihr, vom Vater auf diesen Bildungsweg gezwungen, keine andere Wahl, als sich den beiden schlimmsten Tussen anzuschließen. Die „Barden Bellas" müssen eine neue Truppe aufbauen, nachdem sie beim letzten regionalen Finale mit einer großartigen Kotz-Einlage scheiterten. Nun soll ein Team aus übertriebenen Typen die überhebliche Männergruppe „The Treblemakers" schlagen: Die Schwarze, die Lüsterne, die Dicke und die Zicke. Dazu eine witzige Asiatin, die so unverständlich und leise redet wie South Parks Kenny.
„Pitch Perfect" ist keineswegs ein perfekter Film, eher phasenweise peinlich, um beim Stabreim zu bleiben. Außerdem hat dieses filmische Gesinge „Glee" falsch verstanden: Persönliche Eigenarten werden hier bei den sowieso schon ausgesonderten Nerds noch mal rausgestellt und veralbert. Die College-Umgebung bleibt dabei klinisch wie ein Disney-Film. Nur ein Moderatorenduo sondert heftigst sexuelle Kommentare ab. Ganz wie schweinisch verdorbene Nebenfiguren im Zeichentrick. Autoritätsgläubige Schüler geben alle ihre Egos auf, um tatsächlich ein paar flotte Nummern in den Film zu bringen. Aber Beca schnappt sich als Freund den langweiligsten von allen und lässt ihr eigentliches Talent, das Mixen von Musik, ungenutzt. Selbst wenn man die A-Capella-Musik toleriert, liefert „Pitch Perfect" eine schwache Vorstellung.
„Reaktionäre Musik vom letzten Jahrhundert!" DJane Beca (Anna Kendrick) hat ja so recht, wenn sie entsetzt über die A-Capella-Gruppen an ihrem neuen College herzieht. Doch scheinbar bleibt ihr, vom Vater auf diesen Bildungsweg gezwungen, keine andere Wahl, als sich den beiden schlimmsten Tussen anzuschließen. Die „Barden Bellas" müssen eine neue Truppe aufbauen, nachdem sie beim letzten regionalen Finale mit einer großartigen Kotz-Einlage scheiterten. Nun soll ein Team aus übertriebenen Typen die überhebliche Männergruppe „The Treblemakers" schlagen: Die Schwarze, die Lüsterne, die Dicke und die Zicke. Dazu eine witzige Asiatin, die so unverständlich und leise redet wie South Parks Kenny.
„Pitch Perfect" ist keineswegs ein perfekter Film, eher phasenweise peinlich, um beim Stabreim zu bleiben. Außerdem hat dieses filmische Gesinge „Glee" falsch verstanden: Persönliche Eigenarten werden hier bei den sowieso schon ausgesonderten Nerds noch mal rausgestellt und veralbert. Die College-Umgebung bleibt dabei klinisch wie ein Disney-Film. Nur ein Moderatorenduo sondert heftigst sexuelle Kommentare ab. Ganz wie schweinisch verdorbene Nebenfiguren im Zeichentrick. Autoritätsgläubige Schüler geben alle ihre Egos auf, um tatsächlich ein paar flotte Nummern in den Film zu bringen. Aber Beca schnappt sich als Freund den langweiligsten von allen und lässt ihr eigentliches Talent, das Mixen von Musik, ungenutzt. Selbst wenn man die A-Capella-Musik toleriert, liefert „Pitch Perfect" eine schwache Vorstellung.
Die Köchin und der Präsident
Frankreich 2012 (Les Saveurs du Palais) Regie: Christian Vincent mit Catherine Frot, Jean d'Ormesson, Hippolyte Girardot 95 Min. FSK o.A.
Eines ist wichtig: Diesen Film auf keinen Fall hungrig sehen! Die kurze Koch-Episode einer eigenständigen Frau beim französischen Präsidenten verläuft zwar oberflächlich so undramatisch, wie es zu der freundlichen aber bestimmten Hortense Laborie (großartig: Catherine Frot) passt. Was sie allerdings mit einer Rückbesinnung auf ursprüngliche regionale Lebensmittel auf den Teller und vor der Kamera zaubert, ist zum Dahinschmelzen. Da können tausend TV-Köche nichts gegen anbraten.
Hortense ist eine eigentümliche Person, aber vor allem mit nichts zu erschüttern. Die Staatsaktionen, um sie aus der Provinz in den Elysee-Palast zu bekommen, samt Geschwindigkeitsüberschreitungen und Veränderung des Zugfahrplans, bestaunt sie nur leise. Das Angebot, den Präsidenten der Republik (Jean d'Ormesson) persönlich zu bekochen, lässt sie unbeeindruckt. Das ginge nicht, sie habe zuhause einen Onkel, um den sie sich kümmern müsse. Dass und wie schließlich alles mit einem enormen Aufwand doch geht, ist schon etwas albern, da sind wir ganz bei Hortense und ihrer Sicht der Dinge.
Während die Rückblende von solch kurioser Anstellung, die es bei Mitterand tatsächlich gab, erzählt, zeigt uns die Gegenwart Hortense als Köchin einer Forschungsstation in der Antarktis. Es ist ihr letzter Tag dort, ein Abschiedsmenu wird vorbereitet und eine australische Journalistin wüsste gerne, was es mit der Köchin und dem Präsidenten auf sich hat. Nicht viel könnte man - wieder oberflächlich - sagen: Der Staats-Chef will einfach den Geschmack der Dinge wieder entdecken. Einfache Dinge. Wie aus Großmutters Küche. So sehen wir den netten alten Mann, der lieber über Kochbücher seiner Kindheit redet, als dass er Politik macht. Überhaupt verbindet in diesem Film jeder Kindheitserinnerungen mit dem Essen, ist lebendiger Beleg für Proust und seinen Madeleine-Moment.
Nachdem Hortense die eingebildeten Macho-Köche des Palastes in ihre Schranken gewiesen, einen klugen Assistenten angelernt und sich mit den Lakaien-Bürokratie arrangiert hat, lebt sie sich paradiesisch aus: Für beste Zutaten werden private Beziehungen aktiviert. Ein Brot, dick mit Trüffelscheiben belegt, ist immer für den kleinen Hunger zwischendurch zu haben. Doch ein Kampf mit den etablierten Köchen ums Dessert eines durchkomponierten Menus, dazu ein Ermüdungsbruch schaffen selbst die Frau, die eigentlich mit beiden Füßen fest auf dem Boden steht.
Erst die Abschiedsfeier in der Antarktis zeigt, wie sehr dieser Mensch geschätzt und geliebt wird. Ein schönes Porträt einer Person, die sehr in sich selbst ruht. Von der Macht erfährt man hingegen wenig bis nichts: Da wohnt ein netter, älterer Herr im Elysee-Palast und wünscht sich nichts sehnlicher als lecker hausbacken zu essen. Nur ein Satz, im vertrauten Gespräch unten in der Küche geäußert, zeigt ein anderes Gesicht der Macht: Ihm würden andauernde Anfeindungen antreiben und Energie geben! Dabei kamen einige der nicht so netten Wahrheiten über Mitterand sogar erst später heraus. Vielleicht war es das, neben den Lakaien und Pfennigfuchsern, was Hortense vertrieben hat. Auf jeden Fall keine Affäre, so ein Film ist „Die Köchin und der Präsident" nicht. Auch keiner der üblichen Koch-Filme. Vor allem, wer von diesem ganzen Getue ums Kochen und vor allem von Koch-Shows Würgreiz bekommt, kann sich diesen schön stillen Film ansehen. Aber niemals hungrig!
Eines ist wichtig: Diesen Film auf keinen Fall hungrig sehen! Die kurze Koch-Episode einer eigenständigen Frau beim französischen Präsidenten verläuft zwar oberflächlich so undramatisch, wie es zu der freundlichen aber bestimmten Hortense Laborie (großartig: Catherine Frot) passt. Was sie allerdings mit einer Rückbesinnung auf ursprüngliche regionale Lebensmittel auf den Teller und vor der Kamera zaubert, ist zum Dahinschmelzen. Da können tausend TV-Köche nichts gegen anbraten.
Hortense ist eine eigentümliche Person, aber vor allem mit nichts zu erschüttern. Die Staatsaktionen, um sie aus der Provinz in den Elysee-Palast zu bekommen, samt Geschwindigkeitsüberschreitungen und Veränderung des Zugfahrplans, bestaunt sie nur leise. Das Angebot, den Präsidenten der Republik (Jean d'Ormesson) persönlich zu bekochen, lässt sie unbeeindruckt. Das ginge nicht, sie habe zuhause einen Onkel, um den sie sich kümmern müsse. Dass und wie schließlich alles mit einem enormen Aufwand doch geht, ist schon etwas albern, da sind wir ganz bei Hortense und ihrer Sicht der Dinge.
Während die Rückblende von solch kurioser Anstellung, die es bei Mitterand tatsächlich gab, erzählt, zeigt uns die Gegenwart Hortense als Köchin einer Forschungsstation in der Antarktis. Es ist ihr letzter Tag dort, ein Abschiedsmenu wird vorbereitet und eine australische Journalistin wüsste gerne, was es mit der Köchin und dem Präsidenten auf sich hat. Nicht viel könnte man - wieder oberflächlich - sagen: Der Staats-Chef will einfach den Geschmack der Dinge wieder entdecken. Einfache Dinge. Wie aus Großmutters Küche. So sehen wir den netten alten Mann, der lieber über Kochbücher seiner Kindheit redet, als dass er Politik macht. Überhaupt verbindet in diesem Film jeder Kindheitserinnerungen mit dem Essen, ist lebendiger Beleg für Proust und seinen Madeleine-Moment.
Nachdem Hortense die eingebildeten Macho-Köche des Palastes in ihre Schranken gewiesen, einen klugen Assistenten angelernt und sich mit den Lakaien-Bürokratie arrangiert hat, lebt sie sich paradiesisch aus: Für beste Zutaten werden private Beziehungen aktiviert. Ein Brot, dick mit Trüffelscheiben belegt, ist immer für den kleinen Hunger zwischendurch zu haben. Doch ein Kampf mit den etablierten Köchen ums Dessert eines durchkomponierten Menus, dazu ein Ermüdungsbruch schaffen selbst die Frau, die eigentlich mit beiden Füßen fest auf dem Boden steht.
Erst die Abschiedsfeier in der Antarktis zeigt, wie sehr dieser Mensch geschätzt und geliebt wird. Ein schönes Porträt einer Person, die sehr in sich selbst ruht. Von der Macht erfährt man hingegen wenig bis nichts: Da wohnt ein netter, älterer Herr im Elysee-Palast und wünscht sich nichts sehnlicher als lecker hausbacken zu essen. Nur ein Satz, im vertrauten Gespräch unten in der Küche geäußert, zeigt ein anderes Gesicht der Macht: Ihm würden andauernde Anfeindungen antreiben und Energie geben! Dabei kamen einige der nicht so netten Wahrheiten über Mitterand sogar erst später heraus. Vielleicht war es das, neben den Lakaien und Pfennigfuchsern, was Hortense vertrieben hat. Auf jeden Fall keine Affäre, so ein Film ist „Die Köchin und der Präsident" nicht. Auch keiner der üblichen Koch-Filme. Vor allem, wer von diesem ganzen Getue ums Kochen und vor allem von Koch-Shows Würgreiz bekommt, kann sich diesen schön stillen Film ansehen. Aber niemals hungrig!
End of Watch
USA 2012 (End of Watch) Regie: David Ayer mit Jake Gyllenhaal, Michael Peña, Anna Kendrick, Natalie Martinez, Frank Grillo 109 Min. FSK ab 16
Regisseur und Drehbuchautor David Ayer macht sich als Chronist des L.A. Police Department verdient - meint zumindest er und vielleicht auch ein paar der porträtierten Polizisten. Nach „Training Day" (Buch) und der DVD-Premiere „Harsh Times - Leben am Limit" (Buch, Regie) begleitet „End of Watch" wieder Arbeitsalltag meist in der kriminalisierten Gegend von South Central. Der endet jedoch erneut gewaltsam - wie viele andere Filme. Die Polizisten Brian Taylor (Jake Gyllenhaal) und Mike Zavala (Michael Peña) bekommen ein Rüffel, weil sie zu schnell gefahren sind und zu schnell einen Verdächtigen erschossen haben. Wenn man diese kindischen Cowboys näher kennen lernt, fragt man sich, wie die überhaupt Polizisten sein können. Sie sehen und inszenieren sich als Helden, die Stimmung allzeit aggressiv bis tödlich. Taylor soll der Intellektuelle sein, für die Abendschule nimmt er mit gleich einem Haufen Kameras seinen Job auf - illegal. Zavala ist der liebe, nette Latino, der nicht nur seinen Partner mit endlosen Familiengeschichten nervt.
Selbstverständlich sind diese Gespräche nicht tiefgründig, aber sind sie authentisch? Wie alles andere an diesem Film wird auch dieser Ansatz nur inkonsequent verfolgt. Die Knopf- und Videokameras sollen Dokumentarisches vorgaukeln, aber wahllos übernimmt immer wieder eine „echte" Filmkamera die Perspektive. Mit dem „wahren Leben" der Polizisten will sich dieser Cop-Thriller von Tausenden anderen unterscheiden, doch selbst beim Verteilen von Strafzetteln stoßen Taylor und Zavala immer wieder sofort auf Spuren großer Drogengangs, was ihnen schließlich zum Verhängnis wird. Da unterscheidet sich „End of Watch" höchstens in seiner verstärkten Brutalität von konkurrierenden Filmen und TV-Serien. Zwar können Jake Gyllenhaal und Michael Peña mit ihrem Spiel für das Leben der Figuren interessieren, doch gute Ansätze und Konzepte („watch" bezeichnet im Englischen Dienstschicht und Beobachten) werden vom Action- und Gewalthammer geplättet. Platt dann auch das Gesamtbild: Die Welt ist schlecht und Polizisten sind Helden ... niemals korrupt, überfordert, rassistisch...
Regisseur und Drehbuchautor David Ayer macht sich als Chronist des L.A. Police Department verdient - meint zumindest er und vielleicht auch ein paar der porträtierten Polizisten. Nach „Training Day" (Buch) und der DVD-Premiere „Harsh Times - Leben am Limit" (Buch, Regie) begleitet „End of Watch" wieder Arbeitsalltag meist in der kriminalisierten Gegend von South Central. Der endet jedoch erneut gewaltsam - wie viele andere Filme. Die Polizisten Brian Taylor (Jake Gyllenhaal) und Mike Zavala (Michael Peña) bekommen ein Rüffel, weil sie zu schnell gefahren sind und zu schnell einen Verdächtigen erschossen haben. Wenn man diese kindischen Cowboys näher kennen lernt, fragt man sich, wie die überhaupt Polizisten sein können. Sie sehen und inszenieren sich als Helden, die Stimmung allzeit aggressiv bis tödlich. Taylor soll der Intellektuelle sein, für die Abendschule nimmt er mit gleich einem Haufen Kameras seinen Job auf - illegal. Zavala ist der liebe, nette Latino, der nicht nur seinen Partner mit endlosen Familiengeschichten nervt.
Selbstverständlich sind diese Gespräche nicht tiefgründig, aber sind sie authentisch? Wie alles andere an diesem Film wird auch dieser Ansatz nur inkonsequent verfolgt. Die Knopf- und Videokameras sollen Dokumentarisches vorgaukeln, aber wahllos übernimmt immer wieder eine „echte" Filmkamera die Perspektive. Mit dem „wahren Leben" der Polizisten will sich dieser Cop-Thriller von Tausenden anderen unterscheiden, doch selbst beim Verteilen von Strafzetteln stoßen Taylor und Zavala immer wieder sofort auf Spuren großer Drogengangs, was ihnen schließlich zum Verhängnis wird. Da unterscheidet sich „End of Watch" höchstens in seiner verstärkten Brutalität von konkurrierenden Filmen und TV-Serien. Zwar können Jake Gyllenhaal und Michael Peña mit ihrem Spiel für das Leben der Figuren interessieren, doch gute Ansätze und Konzepte („watch" bezeichnet im Englischen Dienstschicht und Beobachten) werden vom Action- und Gewalthammer geplättet. Platt dann auch das Gesamtbild: Die Welt ist schlecht und Polizisten sind Helden ... niemals korrupt, überfordert, rassistisch...
16.12.12
Die Abenteuer des Huck Finn
BRD 2012 Regie: Hermine Huntgeburth mit Leon Seidel, Jacky Ido, August Diehl, Henry Hübchen, Andreas Schmidt, Milan Peschel, Michael Gwisdek, Kurt Krömer, Peter Lohmeyer 102 Min. FSK ab 6
„Huck Finn" als Western? Nein, der anfängliche Ausflug in eine Cowboy-Freizeitpark-Kulisse ist nur einer der vielen Ausrutscher, bei denen sich der Kinderfilm vergaloppiert. Der erste Auftritt von Hucks gemeinen, gefährlichen, zauseligen und Kautabak spuckenden Vater Finn (August Diehl) baut direkt Bedrohung und Abenteuer auf. Regisseurin Hermine Huntgeburth („Effi Briest", „Die weiße Massai", „Bibi Blocksberg") setzt mit der Verfilmung von Mark Twains Roman „Die Abenteuer des Huckleberry Finn" den Stil und die Versäumnisse von „Tom Sawyer" fort. Nach diesen Abenteuern und dem dabei gefundenen Schatz, beschwert sich der bei der Witwe Douglas sesshaft gemachte Huck (Leon Seidel), „jetzt wo ich reich bin, bin ich kein freier Mann mehr." Ziemlich unsensibel dies ausgerechnet dem Haussklaven Jim (Jacky Ido) zu klagen - die Handlung spielt noch vor dem Amerikanischen Bürgerkrieg und am Anfang einer Erkenntnisreise für den kleinen Rassisten Huck.
Der Lausebengel verschenkt seine 6000 Dollar an den Richter, gerade bevor sein Vater sich das Geld unter den dreckigen Fingernagel reißen will und dazu den Jungen entführt. Gleichzeitig entdeckt Jim Frau und Kind unter einer neuen „Ladung" Sklaven, die über den Mississippi angeschifft werden. Und das junge Publikum entdeckt die Grausamkeit von Sklaverei. Irgendwie finden sich Huck und Jim auf der Flucht, verfolgt von Sklavenjägern und dem alten, geldgierigen Finn. Jim will flussabwärts bis zur Mündung des Ohio und von dort in die Nordstaaten, die den Sklaven die Freiheit wiedergegeben haben.
Wie schon bei „Tom Sawyer" muss Atmosphärisches hinter die Handlung zurücktreten, die ihrerseits den Ereignissen der Story hinterher hechelt. Während die Sklavenhändler als Niedlichkeiten aus der Kinder-Klamotte daherkommen, sind einige sehr spannende und beängstigende Momente schon gar nicht mehr für junges Publikum geeignet. August Diehl ist in seinen besten Momenten als alter Finn fast dämonisch. Doch nicht die Gewalt ist die Gefahr, die Verführung durch (falsche) Freundschaft ist die wahre Gewalt, die Huck bedroht. Der Junge ist denn auch der einzige gebrochene Charakter, der sich zwischen kleinen Egoismen und einem Risiko für echte Freundschaft entscheiden muss. Unterfordert bleibt die ganz außergewöhnlich gute Neben-Besetzung mit Henry Hübchen, Andreas Schmidt und Milan Peschel als Sklavenjäger, sowie mit Michael Gwisdek und Komödiant Kurt Krömer als fahrende Schauspieler und Betrüger. Bei ihrem Richard funktionieren nur die Prügeleien - das ähnelt irgendwie dem Film, der auf die lauten Momente setzt. Wenn dann beim Schnitt noch Einiges schief geht, sodass der Höhepunkt der Flucht gar nicht mehr funktioniert, ärgert man sich über den vertanen Aufwand bei einem viel besseren Stoff.
„Huck Finn" als Western? Nein, der anfängliche Ausflug in eine Cowboy-Freizeitpark-Kulisse ist nur einer der vielen Ausrutscher, bei denen sich der Kinderfilm vergaloppiert. Der erste Auftritt von Hucks gemeinen, gefährlichen, zauseligen und Kautabak spuckenden Vater Finn (August Diehl) baut direkt Bedrohung und Abenteuer auf. Regisseurin Hermine Huntgeburth („Effi Briest", „Die weiße Massai", „Bibi Blocksberg") setzt mit der Verfilmung von Mark Twains Roman „Die Abenteuer des Huckleberry Finn" den Stil und die Versäumnisse von „Tom Sawyer" fort. Nach diesen Abenteuern und dem dabei gefundenen Schatz, beschwert sich der bei der Witwe Douglas sesshaft gemachte Huck (Leon Seidel), „jetzt wo ich reich bin, bin ich kein freier Mann mehr." Ziemlich unsensibel dies ausgerechnet dem Haussklaven Jim (Jacky Ido) zu klagen - die Handlung spielt noch vor dem Amerikanischen Bürgerkrieg und am Anfang einer Erkenntnisreise für den kleinen Rassisten Huck.
Der Lausebengel verschenkt seine 6000 Dollar an den Richter, gerade bevor sein Vater sich das Geld unter den dreckigen Fingernagel reißen will und dazu den Jungen entführt. Gleichzeitig entdeckt Jim Frau und Kind unter einer neuen „Ladung" Sklaven, die über den Mississippi angeschifft werden. Und das junge Publikum entdeckt die Grausamkeit von Sklaverei. Irgendwie finden sich Huck und Jim auf der Flucht, verfolgt von Sklavenjägern und dem alten, geldgierigen Finn. Jim will flussabwärts bis zur Mündung des Ohio und von dort in die Nordstaaten, die den Sklaven die Freiheit wiedergegeben haben.
Wie schon bei „Tom Sawyer" muss Atmosphärisches hinter die Handlung zurücktreten, die ihrerseits den Ereignissen der Story hinterher hechelt. Während die Sklavenhändler als Niedlichkeiten aus der Kinder-Klamotte daherkommen, sind einige sehr spannende und beängstigende Momente schon gar nicht mehr für junges Publikum geeignet. August Diehl ist in seinen besten Momenten als alter Finn fast dämonisch. Doch nicht die Gewalt ist die Gefahr, die Verführung durch (falsche) Freundschaft ist die wahre Gewalt, die Huck bedroht. Der Junge ist denn auch der einzige gebrochene Charakter, der sich zwischen kleinen Egoismen und einem Risiko für echte Freundschaft entscheiden muss. Unterfordert bleibt die ganz außergewöhnlich gute Neben-Besetzung mit Henry Hübchen, Andreas Schmidt und Milan Peschel als Sklavenjäger, sowie mit Michael Gwisdek und Komödiant Kurt Krömer als fahrende Schauspieler und Betrüger. Bei ihrem Richard funktionieren nur die Prügeleien - das ähnelt irgendwie dem Film, der auf die lauten Momente setzt. Wenn dann beim Schnitt noch Einiges schief geht, sodass der Höhepunkt der Flucht gar nicht mehr funktioniert, ärgert man sich über den vertanen Aufwand bei einem viel besseren Stoff.
Beasts of the Southern Wild
USA 2012 (Beasts of the Southern Wild) Regie: Benh Zeitlin mit Quvenzhané Wallis, Dwight Henry, Jonshel Alexander 92 Min.
Mit einer sensationell guten Kinderdarstellerin erzählt "Beasts of the Southern Wild" von einer Gemeinschaft von Außenseitern und Verlierern, die im Sumpfdelta um New Orleans bewusst die geregelte Gesellschaft meiden. Unter ihnen wird die sechsjährige Hushpuppy unkonventionell vom mal liebevollen, dann oft abwesenden Vater aufgezogen. Auf sich gestellt, entwickelt das Kind eine fantastische Welt, die den Film zu einem der besten des Jahres macht.
Die sechsjährige Hushpuppy (Quvenzhané Wallis) lebt mit ihrem Vater Wink (Dwight Henry) im Marschland hinter einem Damm, der brave amerikanische Bürger bei New Orleans vor dem Golf von Mexiko schützt. Die Ungezähmten blieben im unregulierten Becken des Flussdeltas, in der freieren Natur. Hushpuppy wird von ihrem immer wieder heftig trinkenden Vater sehr unkonventionell zur Härte erzogen. So hat das kleine Mädchen, das auch Junge sein könnte, seine eigene Hütte neben der des Vaters. Die fackelt sie allerdings ab, als Wink wieder für einige Tage im Krankenhaus verschwindet. Das erstaunliche Kind sucht auf seinen Exkursionen in die wild wuchernde Natur selbständig Erklärungen für dies und vieles andere. Sie horcht nach dem Herzschlag von Tieren und Pflanzen. Vor allem will Hushpuppy wissen, wo ihre Mutter ist.
Die kindlich fantasievollen Antworten, die wir im Off des Mädchens hören, gehen ins Magische, erzählen vom Schmelzen der Polkappen, einer großen Flut und riesigen prähistorischen Auerochsen, die dann auch im Bild heranstürmen. Die Flut kommt tatsächlich über die bunte Gemeinschaft von Trinkern und überzeugten Außenseitern in Form eines heftigen Wirbelsturms. Und über Hushpuppy, weil ihr Vater sterben wird.
Die verlorenen Existenzen wollen ihre zerstörten Häuser selbst nicht verlassen, als der Staat massiv anrückt. Verrückte Randerscheinungen, die in einer der eindrucksvollsten und atmosphärisch stärksten Filme von Sundance und „Certain Regard" in Cannes 2012 viel Sympathie gewinnen. Selbst als sich die freiwillig Ausgegrenzten ein Loch in den Damm sprengen, damit die salzige Flut abfließen kann, die Tiere und Pflanzen umbringt. Eine Sensation dabei ist die Geschichte des kleinen Mädchens Hushpuppy, extrem stark gespielt von Quvenzhané Wallis. Sie erzählt neben vielen fantastischen, berührenden Momenten, tatsächlich auch von globaler Erwärmung und dem Abschmelzen der Polkappen - mit allen Folgen im Kleinen.
„Beasts of the Southern Wild" ist das Debüt des jungen Regisseurs Benh Zeitlin, der als Mitglied des unabhängigen Filmemacher-Kollektivs „Court 13" nach New Orleans zog und dort seinen ersten Kurzfilm „Glory at Sea" realisierte, nachdem 2008 Katrina die Stadt zerstörte. In jeder Faser, in jeder Szene feiert „Beasts of the Southern Wild" das Leben, so bildgewaltig und fantastisch, wie es die Sumpf-Bewohner in ihren ausgelassenen Feiern tun. Ein Muss für jeden, der nicht nur eingedämmte, sondern Filme voller Leben will.
Mit einer sensationell guten Kinderdarstellerin erzählt "Beasts of the Southern Wild" von einer Gemeinschaft von Außenseitern und Verlierern, die im Sumpfdelta um New Orleans bewusst die geregelte Gesellschaft meiden. Unter ihnen wird die sechsjährige Hushpuppy unkonventionell vom mal liebevollen, dann oft abwesenden Vater aufgezogen. Auf sich gestellt, entwickelt das Kind eine fantastische Welt, die den Film zu einem der besten des Jahres macht.
Die sechsjährige Hushpuppy (Quvenzhané Wallis) lebt mit ihrem Vater Wink (Dwight Henry) im Marschland hinter einem Damm, der brave amerikanische Bürger bei New Orleans vor dem Golf von Mexiko schützt. Die Ungezähmten blieben im unregulierten Becken des Flussdeltas, in der freieren Natur. Hushpuppy wird von ihrem immer wieder heftig trinkenden Vater sehr unkonventionell zur Härte erzogen. So hat das kleine Mädchen, das auch Junge sein könnte, seine eigene Hütte neben der des Vaters. Die fackelt sie allerdings ab, als Wink wieder für einige Tage im Krankenhaus verschwindet. Das erstaunliche Kind sucht auf seinen Exkursionen in die wild wuchernde Natur selbständig Erklärungen für dies und vieles andere. Sie horcht nach dem Herzschlag von Tieren und Pflanzen. Vor allem will Hushpuppy wissen, wo ihre Mutter ist.
Die kindlich fantasievollen Antworten, die wir im Off des Mädchens hören, gehen ins Magische, erzählen vom Schmelzen der Polkappen, einer großen Flut und riesigen prähistorischen Auerochsen, die dann auch im Bild heranstürmen. Die Flut kommt tatsächlich über die bunte Gemeinschaft von Trinkern und überzeugten Außenseitern in Form eines heftigen Wirbelsturms. Und über Hushpuppy, weil ihr Vater sterben wird.
Die verlorenen Existenzen wollen ihre zerstörten Häuser selbst nicht verlassen, als der Staat massiv anrückt. Verrückte Randerscheinungen, die in einer der eindrucksvollsten und atmosphärisch stärksten Filme von Sundance und „Certain Regard" in Cannes 2012 viel Sympathie gewinnen. Selbst als sich die freiwillig Ausgegrenzten ein Loch in den Damm sprengen, damit die salzige Flut abfließen kann, die Tiere und Pflanzen umbringt. Eine Sensation dabei ist die Geschichte des kleinen Mädchens Hushpuppy, extrem stark gespielt von Quvenzhané Wallis. Sie erzählt neben vielen fantastischen, berührenden Momenten, tatsächlich auch von globaler Erwärmung und dem Abschmelzen der Polkappen - mit allen Folgen im Kleinen.
„Beasts of the Southern Wild" ist das Debüt des jungen Regisseurs Benh Zeitlin, der als Mitglied des unabhängigen Filmemacher-Kollektivs „Court 13" nach New Orleans zog und dort seinen ersten Kurzfilm „Glory at Sea" realisierte, nachdem 2008 Katrina die Stadt zerstörte. In jeder Faser, in jeder Szene feiert „Beasts of the Southern Wild" das Leben, so bildgewaltig und fantastisch, wie es die Sumpf-Bewohner in ihren ausgelassenen Feiern tun. Ein Muss für jeden, der nicht nur eingedämmte, sondern Filme voller Leben will.
Du hast es versprochen
BRD 2011 Regie: Alex Schmidt mit Mina Tander, Laura de Boer, Lina Köhlert, Mia Kasalo, Katharina Thalbach, Max Riemelt 102 Min. FSK ab 16
Dem Winter tupft Blut ein paar Flecken in den Schnee. Zwei Mädchen wagen sich in einen abgelegenen Bunker. Hanna, die gerade Geburtstag feierte, erzählt unten im Dunkeln zur Spannungssteigerung eine Schaudergeschichte und tatsächlich taucht eine weitere Gestalt aus dem Dunkeln auf. Kurz darauf rennen Hannah und ihre Freundin Clarissa schreiend und blutend aus dem Wald. Zurück bleibt eine Narbe an Hannahs Hand und ihre Abneigung, den eigenen Geburtstag zu feiern. 25 Jahre später garniert die mittlerweile als Ärztin arbeitende Hanna (Mina Tander) das festliche Essen zu diesem Anlass mit der Enthüllung, sie wisse von der Geliebten ihres Mannes. Wie gerufen kommt da die Freundin Clarissa (Laura de Boer) aus der Vergangenheit zurück. Zusammen mit Hannas Tochter Lea reisen sie zur Ferien-Insel der Kindheit, heute ein ziemlich heruntergekommener, menschenarmer Ort. Es erwartet sie ein kleines Mädchen, das bedrohliche Zeichnungen hinterlässt. Gibt es einen Geist, der vergangene Taten rächen will? Langsam erinnert sich Hanna...
Die junge Berliner Regisseurin Alex Schmidt landete mit ihrem ersten Kinofilm direkt beim Filmfestival Venedig. Handwerklich sehr reif bedient die 34-Jährige das Horror-Genre. Dabei erweisen sich die sehr lauten Schocker im ersten Teil als vielleicht unnötiges Warm-Up für einen dann doch raffinierteren Psycho-Thriller mit in Nuancen überraschendem Ausgang. Dass man jedoch einen Großteil des Films dachte, das kennt man alles schon, trübt den Spaß nur scheinbar. Das Spiel von Mina Tander („Maria schmeckt's nicht") als Opfer und Täterin ist etwas feiner als das der Gegenspielerin Laura de Boer. Sehr viel Spaß macht Katharina Thalbach als alte Hexe (mit Tochter Anna in Flashbacks), während Max Riemelt als Inselfischer nicht gefordert wird. Insgesamt ein spannendes Vergnügen, auf das man sich im Kino freuen darf, und eine Regie-Entdeckung, der man noch einige andere Stoffe wünscht.
Dem Winter tupft Blut ein paar Flecken in den Schnee. Zwei Mädchen wagen sich in einen abgelegenen Bunker. Hanna, die gerade Geburtstag feierte, erzählt unten im Dunkeln zur Spannungssteigerung eine Schaudergeschichte und tatsächlich taucht eine weitere Gestalt aus dem Dunkeln auf. Kurz darauf rennen Hannah und ihre Freundin Clarissa schreiend und blutend aus dem Wald. Zurück bleibt eine Narbe an Hannahs Hand und ihre Abneigung, den eigenen Geburtstag zu feiern. 25 Jahre später garniert die mittlerweile als Ärztin arbeitende Hanna (Mina Tander) das festliche Essen zu diesem Anlass mit der Enthüllung, sie wisse von der Geliebten ihres Mannes. Wie gerufen kommt da die Freundin Clarissa (Laura de Boer) aus der Vergangenheit zurück. Zusammen mit Hannas Tochter Lea reisen sie zur Ferien-Insel der Kindheit, heute ein ziemlich heruntergekommener, menschenarmer Ort. Es erwartet sie ein kleines Mädchen, das bedrohliche Zeichnungen hinterlässt. Gibt es einen Geist, der vergangene Taten rächen will? Langsam erinnert sich Hanna...
Die junge Berliner Regisseurin Alex Schmidt landete mit ihrem ersten Kinofilm direkt beim Filmfestival Venedig. Handwerklich sehr reif bedient die 34-Jährige das Horror-Genre. Dabei erweisen sich die sehr lauten Schocker im ersten Teil als vielleicht unnötiges Warm-Up für einen dann doch raffinierteren Psycho-Thriller mit in Nuancen überraschendem Ausgang. Dass man jedoch einen Großteil des Films dachte, das kennt man alles schon, trübt den Spaß nur scheinbar. Das Spiel von Mina Tander („Maria schmeckt's nicht") als Opfer und Täterin ist etwas feiner als das der Gegenspielerin Laura de Boer. Sehr viel Spaß macht Katharina Thalbach als alte Hexe (mit Tochter Anna in Flashbacks), während Max Riemelt als Inselfischer nicht gefordert wird. Insgesamt ein spannendes Vergnügen, auf das man sich im Kino freuen darf, und eine Regie-Entdeckung, der man noch einige andere Stoffe wünscht.
12.12.12
Der Hobbit - Eine unerwartete Reise
USA, Neuseeland 2012 (The Hobbit: An unexpected Journey) Regie: Peter Jackson mit Ian McKellen, Martin Freeman, Richard Armitage, Cate Blanchett, Ian Holm, Christopher Lee, Hugo Weaving, Andy Serkis 166 Min.
Eine unerwartete Reise? Na, da muss schon einer jahrelang tief in einer Troll-Höhle gehaust haben, um die Erwartungen auf den Nachfolger und (in der Chronologie der Erzählung) Vorläufer vom „Herrn der Ringe" verpasst zu haben! Nach einer langen, schwierigen Produktionsgeschichte, zuerst mit Peter Jackson, dann Benicio del Toro und jetzt wieder Jackson als Produzent und Regisseur, schlägt „Der Hobbit" endlich im Kino auf. Und hinterlässt viele Eindrücke. Der erste Teil der Filmtrilogie bläst das kleine, wirklich nette Buch von J.R.R. Tolkien zu gewaltigen Fantasie-Welten auf. Und sorgt in den ersten fast drei Stunden von „Der Hobbit - Eine unerwartete Reise" für viel Spannung.
Was erstaunt, denn so wie eine Gesellschaft von Zwergen, die eines Abends beim gemütlichen Hobbit Bilbo Beutlin hereinplatzt und die Vorräte plündert, es schildert, ist es ganz einfach: Sie ziehen unter Leitung des Zauberers Gandalf zur alten Zwergen-Festung, klauen dem Drachen, dort jetzt dort schlummert, seinen Schatz und kehren wieder heim. Dass auf dem Weg Horden blutrünstiger Orks lauern, die ganze Welt im Umbruch ist und der angebliche Meisterdieb Bilbo auf dem Weg einen Ring (sie alle zu finden ... usw., eine andere Geschichte) klaut, stand nicht im Zwergen-Vertrag.
Unvorstellbar! Das trifft bei „Hobbit 1" auf mehreres zu: Die Landschaft Neuseelands ist mittlerweile als Mittelerde ein alter Bekannter, aber beeindruckt noch immer. Hinzu kommen die filmischen Visionen von gewaltigen Zwergen-Königshallen und -Burgen, unüberschaubar labyrinthischen Ork-Grotten oder idyllisch in Bergflanken geschmiegten Elfen-Siedlungen. Bei einem Gefecht gigantischer Steinriesen taucht auch die alte surreale Fantasie eines Peter Jackson von „Heavenly Creatures" wieder auf, die ganz anders wirkt als der „Fantasy"-Kram mit der er sich zu lange beschäftigt hat. Immerhin kann man dabei verstehen, dass er diese Millionen-Maschine Film nutzt, um solche Welten zu kreieren.
Ebenfalls noch nie so gesehen, wurden die auffällig schärferen Bilder des HFR-Verfahrens, dass mit doppelter Bildfrequenz arbeitet. Dieser Effekt einer höheren Auflösung wirkt allerdings den Fantasy-Illusionen entgegen. Wer Traumwelten erwartet, will darin nicht die Nasenhaare eines Hobbit in eindrucksvoller Größe und Schärfe wahrnehmen. Mit dieser Klarheit verbindet man bisher Studio-Aufnahmen beim HD-TV. So sieht man auch zu gut, was nicht ganz gut computer-animiert ist. Die durch eine sattgrüne Hügellandschaft rasenden Warge fallen irgendwie aus dem Bild. Zudem - aber auch das nur eine Fußnote in einem durchgehend imposanten Film - schwirrt die 3D-Perspektive in vielen Action-Szene derart unter, über und um die Gemeinschaft der Kampf-Gefährten herum, dass die Identifikation mit „den Guten" schwierig wird. Ausufernde technische Möglichkeiten machen Eindruck, stiften aber auch mit uneinheitlicher Blickrichtung Verwirrung.
Ansonsten übertrifft Peter Jackson seine „Herr der Ringe"-Filme nicht nur in technischer Hinsicht: Vom spaßigen ersten Besuch an, zeigt sich ein sehr menschlicher Gandalf, der auch Furcht kennt. Ebenso sympathisch seine Wahl des kleinen Hobbit als „einfachen, unscheinbaren Menschen" (mit dem ansonsten unauffälligen Martin Freeman ideal besetzt), die ja doch für die Welt wichtiger sein können als große Helden. Solche sucht das Bild zwar auch immer wieder - witzigerweise werden gerade die Zwerge gern aus erhöhender Untersicht gezeigt - doch im Gegensatz zum eher trivialen Gemetzel beim Ringelreien 1-3 lassen auch Werte-Diskussionen aufhorchen. Vom Tolkien-typischen Öko-Touch beim wehrhaften Grünwald mit seinem durchgeknallten Brauen Zauberer Radagast (zu viele Pilze gegessen), über fast pazifistische Sprüche bei Gandalf bis zum Mitgefühl für „ein Volk ohne Heimat", das die Zwerge zu Fantasy-Asylanten macht.
Das Wiedersehen mit den alterslosen Elfen Galadriel (Cate Blanchett) und Elrond (Hugo Weaving) sorgt für Gänsehaut. Schauer bereitet die Schlüssel- oder Ring-Szene mit Gollum, den man in erneut eindrucksvoller Grotte noch nie so nah und berührend gesehen hat. Mit all seiner Scheußlich- und Menschlichkeit. Das ist dann auch die Spanne, in der Peter Jackson sein großes und großartiges Kinoabenteuer nach einem kleinen Buch ansiedelt.
Eine unerwartete Reise? Na, da muss schon einer jahrelang tief in einer Troll-Höhle gehaust haben, um die Erwartungen auf den Nachfolger und (in der Chronologie der Erzählung) Vorläufer vom „Herrn der Ringe" verpasst zu haben! Nach einer langen, schwierigen Produktionsgeschichte, zuerst mit Peter Jackson, dann Benicio del Toro und jetzt wieder Jackson als Produzent und Regisseur, schlägt „Der Hobbit" endlich im Kino auf. Und hinterlässt viele Eindrücke. Der erste Teil der Filmtrilogie bläst das kleine, wirklich nette Buch von J.R.R. Tolkien zu gewaltigen Fantasie-Welten auf. Und sorgt in den ersten fast drei Stunden von „Der Hobbit - Eine unerwartete Reise" für viel Spannung.
Was erstaunt, denn so wie eine Gesellschaft von Zwergen, die eines Abends beim gemütlichen Hobbit Bilbo Beutlin hereinplatzt und die Vorräte plündert, es schildert, ist es ganz einfach: Sie ziehen unter Leitung des Zauberers Gandalf zur alten Zwergen-Festung, klauen dem Drachen, dort jetzt dort schlummert, seinen Schatz und kehren wieder heim. Dass auf dem Weg Horden blutrünstiger Orks lauern, die ganze Welt im Umbruch ist und der angebliche Meisterdieb Bilbo auf dem Weg einen Ring (sie alle zu finden ... usw., eine andere Geschichte) klaut, stand nicht im Zwergen-Vertrag.
Unvorstellbar! Das trifft bei „Hobbit 1" auf mehreres zu: Die Landschaft Neuseelands ist mittlerweile als Mittelerde ein alter Bekannter, aber beeindruckt noch immer. Hinzu kommen die filmischen Visionen von gewaltigen Zwergen-Königshallen und -Burgen, unüberschaubar labyrinthischen Ork-Grotten oder idyllisch in Bergflanken geschmiegten Elfen-Siedlungen. Bei einem Gefecht gigantischer Steinriesen taucht auch die alte surreale Fantasie eines Peter Jackson von „Heavenly Creatures" wieder auf, die ganz anders wirkt als der „Fantasy"-Kram mit der er sich zu lange beschäftigt hat. Immerhin kann man dabei verstehen, dass er diese Millionen-Maschine Film nutzt, um solche Welten zu kreieren.
Ebenfalls noch nie so gesehen, wurden die auffällig schärferen Bilder des HFR-Verfahrens, dass mit doppelter Bildfrequenz arbeitet. Dieser Effekt einer höheren Auflösung wirkt allerdings den Fantasy-Illusionen entgegen. Wer Traumwelten erwartet, will darin nicht die Nasenhaare eines Hobbit in eindrucksvoller Größe und Schärfe wahrnehmen. Mit dieser Klarheit verbindet man bisher Studio-Aufnahmen beim HD-TV. So sieht man auch zu gut, was nicht ganz gut computer-animiert ist. Die durch eine sattgrüne Hügellandschaft rasenden Warge fallen irgendwie aus dem Bild. Zudem - aber auch das nur eine Fußnote in einem durchgehend imposanten Film - schwirrt die 3D-Perspektive in vielen Action-Szene derart unter, über und um die Gemeinschaft der Kampf-Gefährten herum, dass die Identifikation mit „den Guten" schwierig wird. Ausufernde technische Möglichkeiten machen Eindruck, stiften aber auch mit uneinheitlicher Blickrichtung Verwirrung.
Ansonsten übertrifft Peter Jackson seine „Herr der Ringe"-Filme nicht nur in technischer Hinsicht: Vom spaßigen ersten Besuch an, zeigt sich ein sehr menschlicher Gandalf, der auch Furcht kennt. Ebenso sympathisch seine Wahl des kleinen Hobbit als „einfachen, unscheinbaren Menschen" (mit dem ansonsten unauffälligen Martin Freeman ideal besetzt), die ja doch für die Welt wichtiger sein können als große Helden. Solche sucht das Bild zwar auch immer wieder - witzigerweise werden gerade die Zwerge gern aus erhöhender Untersicht gezeigt - doch im Gegensatz zum eher trivialen Gemetzel beim Ringelreien 1-3 lassen auch Werte-Diskussionen aufhorchen. Vom Tolkien-typischen Öko-Touch beim wehrhaften Grünwald mit seinem durchgeknallten Brauen Zauberer Radagast (zu viele Pilze gegessen), über fast pazifistische Sprüche bei Gandalf bis zum Mitgefühl für „ein Volk ohne Heimat", das die Zwerge zu Fantasy-Asylanten macht.
Das Wiedersehen mit den alterslosen Elfen Galadriel (Cate Blanchett) und Elrond (Hugo Weaving) sorgt für Gänsehaut. Schauer bereitet die Schlüssel- oder Ring-Szene mit Gollum, den man in erneut eindrucksvoller Grotte noch nie so nah und berührend gesehen hat. Mit all seiner Scheußlich- und Menschlichkeit. Das ist dann auch die Spanne, in der Peter Jackson sein großes und großartiges Kinoabenteuer nach einem kleinen Buch ansiedelt.
11.12.12
HFR - mehr Bilder aufs Auge
Der Film baut seit fast 100 Jahren auf Trägheit - nicht die, sich in den Kinosessel zu schmeißen und bei den meisten Filmen nicht weiter denken zu müssen. Nein, die wirklich grundlegende Erscheinung, die Film erst möglich macht, ist die Trägheit des Auges: Ab etwa 18 Bildern pro Sekunde - das ist individuell leicht unterschiedlich - nehmen wir eine Folge von Fotografien als laufende Bewegung wahr. Deshalb wird Film seit den wilden Anfangsjahren fast immer mit 24 Bildern pro Sekunde projiziert. Nun verkauft Peter Jackson den „Hobbit" nicht nur als Sensation, aus einem schmalen Büchlein drei überlange Filme zu machen. Es ist auch der erste Film in „HFR", in einer „hohen Frequenz-Rate" (High Frame Rate) von 48 Bildern pro Sekunde. Dadurch nimmt das Gehirn die Bilder als schärfer und „realistischer" wahr. Mit Erhöhung der Bildrate entsteht - auch ohne 3D - ein stärkeres Raumgefühl. Was erst einmal nicht separat zu erleben ist, denn „Der Hobbit" ist in HFR nur mit 3D zu sehen. Das bei den Kinos der Ketten Cinemaxx, Cineplex, Cinestar und UCI sowie bei einigen unabhängigen Kinos.
Fachleute wie der technik-affine Regisseur James Cameron („Avatar") zeigten sich bei der Hobbit-Premiere begeistert. Tatsächlich ist auch diese Idee schon ein paar Jahrzehnte alt. Douglas Trumbull, der mit Stanley Kubrick an „2001: A Space Odyssey", mit Steven Spielberg an „Unheimliche Begegnung der dritten Art" und an Ridley Scotts „Blade Runner" arbeitete, zeigte schon in den 80ern etwa im französischen Kinogiganten-Park Futuroscope sein Showscan-Verfahren mit 60 Bildern und 70mm-Film. Und Fernsehen lief bei uns schon immer mit 50 Halbbildern pro Sekunde, neuerdings auch gerne mal mit einer Frequenz von 60 oder 100 Hertz.
Dass die Szenen mit HFR auch künstlich und steril wie billige TV-Soaps wirken, meinen die Kritiker. Der erste Eindruck erinnert an den vergleichbaren Effekt, erstmals HD-TV zu sehen. Auch das wirkte künstlich und hyperreal. Mittlerweile ist man es gewohnt. Ausgewählte Kinos setzen nach digitalem 3D nun also auf HFR - vor allem, um sich vom Heimkino abzusetzen. Außerhalb von Deutschland wurde dem „Hobbit" noch eine zusätzliche Klangdimension verpasst. Bei „Dolby Atmos" hängen Lautsprecher nun auch unter der Decke, das 3D des Hörens ist damit abgeschlossen. Was bei einem schlechten Film alles nicht viel helfen wird...
Fachleute wie der technik-affine Regisseur James Cameron („Avatar") zeigten sich bei der Hobbit-Premiere begeistert. Tatsächlich ist auch diese Idee schon ein paar Jahrzehnte alt. Douglas Trumbull, der mit Stanley Kubrick an „2001: A Space Odyssey", mit Steven Spielberg an „Unheimliche Begegnung der dritten Art" und an Ridley Scotts „Blade Runner" arbeitete, zeigte schon in den 80ern etwa im französischen Kinogiganten-Park Futuroscope sein Showscan-Verfahren mit 60 Bildern und 70mm-Film. Und Fernsehen lief bei uns schon immer mit 50 Halbbildern pro Sekunde, neuerdings auch gerne mal mit einer Frequenz von 60 oder 100 Hertz.
Dass die Szenen mit HFR auch künstlich und steril wie billige TV-Soaps wirken, meinen die Kritiker. Der erste Eindruck erinnert an den vergleichbaren Effekt, erstmals HD-TV zu sehen. Auch das wirkte künstlich und hyperreal. Mittlerweile ist man es gewohnt. Ausgewählte Kinos setzen nach digitalem 3D nun also auf HFR - vor allem, um sich vom Heimkino abzusetzen. Außerhalb von Deutschland wurde dem „Hobbit" noch eine zusätzliche Klangdimension verpasst. Bei „Dolby Atmos" hängen Lautsprecher nun auch unter der Decke, das 3D des Hörens ist damit abgeschlossen. Was bei einem schlechten Film alles nicht viel helfen wird...
9.12.12
Lola gegen den Rest der Welt
USA 2012 (Lola Versus) Regie: Daryl Wein mit Greta Gerwig, Joel Kinnaman, Zoe Lister Jones, Hamish Linklater, Bill Pullman, Debra Winger 87 Min. FSK ab 12
Nach Lolas 29. Geburtstag kehrt Saturn zurück zur Postition ihrer Geburt und soll ihr Leben auf den Kopf stellen. Nett sieht das aus, wenn die Kamera sich synchron zu Lolas Radschlag am Strand auf den Kopf stellt. Dann ist der Traum vorbei, es dauert kein Jahr und einige Hochzeitsvorbereitungen mehr, bis ihr Freund sie sitzen lässt. Nun bleibt Lola nur die Doktorarbeit über die Stille in der französischen Literatur und die Verzweiflung einer jungen New Yorkerin mitten im Sommer. Dazu die verrückte, experimentierfreudige Freundin Alice (Ko-Regisseurin Zoe Lister Jones) sowie der gute Freund Henry (Hamish Linklater). Erst wird der erste von den paar Männern sein, die Lola in ihrem Bett durcheinander bringt...
Greta Gerwig, dieses so ungewöhnlich gewöhnliche Gesicht aus „Greenberg" und „To Rome with Love", ist zur Zeit die beste Wahl für Wirrungen und Irrungen junger, amerikanischer Großstädter. Aber als Lola ist Gerwig nie so elend wie in „Greenberg", Neurotiker sind keine in Sicht. Man kann immer nur ahnen, was das Autoren-, Regie- und auch sonst Paar Daryl Wein und Zoe Lister Jones („Breaking Upwards", 2009) gemeint hat. Man kann es aber auch übersehen. Dann bleibt nur der sympathische Vorteil, dass dieser Film nichts aufdrängen will. Und immer wieder nette Momente, wie die Präsentation der Doktorarbeit über die Stille und die Reaktion der Professoren - Stille. Erst nachdem Lola gar nicht so viel falsch gemacht hat, aber trotzdem besoffen (als Gast) im Strip-Laden landet, was wohl ein Tiefpunkt sein soll, entdeckt sie ein paar Weisheiten für sich selbst.
So sieht Greta Gerwig mit und ohne New York nur nett aus. Die immer so einfach funktionierenden Musik-Passagen klicken nicht, die Liedchen klingen eher langweilig. Am Rande tauchen als Lolas Vater ein sehr gealterter Bill Pullman mit 4-5 Doppelkinn-Wölbungen, die in den Hals übergehen, und Debra Winger als esoterische Mutter auf, die Kombucha-Tee für die Seele empfiehlt. Wäre vielleicht wirklich besser als dieser Film.
Nach Lolas 29. Geburtstag kehrt Saturn zurück zur Postition ihrer Geburt und soll ihr Leben auf den Kopf stellen. Nett sieht das aus, wenn die Kamera sich synchron zu Lolas Radschlag am Strand auf den Kopf stellt. Dann ist der Traum vorbei, es dauert kein Jahr und einige Hochzeitsvorbereitungen mehr, bis ihr Freund sie sitzen lässt. Nun bleibt Lola nur die Doktorarbeit über die Stille in der französischen Literatur und die Verzweiflung einer jungen New Yorkerin mitten im Sommer. Dazu die verrückte, experimentierfreudige Freundin Alice (Ko-Regisseurin Zoe Lister Jones) sowie der gute Freund Henry (Hamish Linklater). Erst wird der erste von den paar Männern sein, die Lola in ihrem Bett durcheinander bringt...
Greta Gerwig, dieses so ungewöhnlich gewöhnliche Gesicht aus „Greenberg" und „To Rome with Love", ist zur Zeit die beste Wahl für Wirrungen und Irrungen junger, amerikanischer Großstädter. Aber als Lola ist Gerwig nie so elend wie in „Greenberg", Neurotiker sind keine in Sicht. Man kann immer nur ahnen, was das Autoren-, Regie- und auch sonst Paar Daryl Wein und Zoe Lister Jones („Breaking Upwards", 2009) gemeint hat. Man kann es aber auch übersehen. Dann bleibt nur der sympathische Vorteil, dass dieser Film nichts aufdrängen will. Und immer wieder nette Momente, wie die Präsentation der Doktorarbeit über die Stille und die Reaktion der Professoren - Stille. Erst nachdem Lola gar nicht so viel falsch gemacht hat, aber trotzdem besoffen (als Gast) im Strip-Laden landet, was wohl ein Tiefpunkt sein soll, entdeckt sie ein paar Weisheiten für sich selbst.
So sieht Greta Gerwig mit und ohne New York nur nett aus. Die immer so einfach funktionierenden Musik-Passagen klicken nicht, die Liedchen klingen eher langweilig. Am Rande tauchen als Lolas Vater ein sehr gealterter Bill Pullman mit 4-5 Doppelkinn-Wölbungen, die in den Hals übergehen, und Debra Winger als esoterische Mutter auf, die Kombucha-Tee für die Seele empfiehlt. Wäre vielleicht wirklich besser als dieser Film.
Die Tochter meines besten Freundes
USA, 2011 (The Oranges) Regie: Julian Farino mit Leighton Meester, Hugh Laurie, Catherine Keener, Alia Shawkat, Adam Brody, Oliver Platt 94 Min. FSK ab 12
Hugh Laurie geht nicht mehr am Stock, kann sogar joggen und ist gut gelaunt. Das wird die Fans des „Dr. House" freuen. Ansonsten sollte man für alles, was der Film mit dem blöden Titel „Die Tochter meines besten Freundes" sonst verspricht, „American Beauty" oder den neuen, wunderbaren „Hello I Must Be Going" von Todd Louiso und mit Melanie Lynskey anschauen. Statt diesen extrem langweiligen und zum Schreien spießigen Abklatsch.
Bitter, wenn man nach fünf Jahren intensiven Lebens in der ganzen Welt und nach deutlich demonstriertem Rückenkehren gegenüber der kleinbürgerlichen Vorstadt-Jugend in New Jersey gerade dort, am Orange Drive, wieder aufschlägt. Nina Ostroffs (Leighton Meester) Freund hat sie kurz vor der Hochzeit betrogen, jetzt muss sie auch noch mit der Familie Thanksgiving feiern. Immer dabei ist die Nachbar-Familie Walling, samt hässlich neidender Tochter Vanessa und Karriere-Sohn Toby, der von Ninas Mutter (Allison Janney) verkuppelt werden soll. Ninas Spruch „wenn er so toll ist, dann nimm du ihn doch" ist nicht nur die beste Antwort auf entmündigende Szenen, bei denen man sofort alle Familienbesuch dieses Jahrhunderts absagen möchte. Sie selbst schnappt sich Tobys Papa David (Hugh Laurie). Es ist schon echte Liebe, die zwischen den Generationen und den einzigen Lebendigen dieser Straße ausbricht. Und ein großer Skandal! Paige Walling (Catherine Keener) zieht aus. Der Nachbar und Freund Terry Ostroff (Oliver Platt) redet nicht mehr mit David, die Töchter hassen sich sowieso.
Hugh Laurie, Catherine Keener und Oliver Platt - da müsste doch was zu sehen sein... Denkste, hier nicht. (Keener und Platt hatten 2010 einen Second Hand-Laden und eine schöne Geschichte in „Please Give".) Etwas Spott gegenüber dem amerikanischen Black Friday-Wahnsinn oder den Weihnachts-Dekos, so weit geht die Kritik. Das falsche Leben wird nicht angerührt, der Frust am selben mit dem Schnee einfach weggekehrt. Weder die Spießigkeit der Vorstädter noch Leidenschaft, die nicht passiert oder die langweiligste von allen, die Erzählerin Vanessa, interessieren irgendwie in diesem Kleinklein der Gefühle mit Mini-Romantik in Atlantic City. Da will man selbst nur weg und wundert sich, dass aus dem Film keiner mit will. „The Oranges" (um den furchtbaren Synchrotitel zu vermeiden) ist ein Unglück, größte anzunehmende Festtagsverderbung. Dagegen hilft nur „American Beauty".
Hugh Laurie geht nicht mehr am Stock, kann sogar joggen und ist gut gelaunt. Das wird die Fans des „Dr. House" freuen. Ansonsten sollte man für alles, was der Film mit dem blöden Titel „Die Tochter meines besten Freundes" sonst verspricht, „American Beauty" oder den neuen, wunderbaren „Hello I Must Be Going" von Todd Louiso und mit Melanie Lynskey anschauen. Statt diesen extrem langweiligen und zum Schreien spießigen Abklatsch.
Bitter, wenn man nach fünf Jahren intensiven Lebens in der ganzen Welt und nach deutlich demonstriertem Rückenkehren gegenüber der kleinbürgerlichen Vorstadt-Jugend in New Jersey gerade dort, am Orange Drive, wieder aufschlägt. Nina Ostroffs (Leighton Meester) Freund hat sie kurz vor der Hochzeit betrogen, jetzt muss sie auch noch mit der Familie Thanksgiving feiern. Immer dabei ist die Nachbar-Familie Walling, samt hässlich neidender Tochter Vanessa und Karriere-Sohn Toby, der von Ninas Mutter (Allison Janney) verkuppelt werden soll. Ninas Spruch „wenn er so toll ist, dann nimm du ihn doch" ist nicht nur die beste Antwort auf entmündigende Szenen, bei denen man sofort alle Familienbesuch dieses Jahrhunderts absagen möchte. Sie selbst schnappt sich Tobys Papa David (Hugh Laurie). Es ist schon echte Liebe, die zwischen den Generationen und den einzigen Lebendigen dieser Straße ausbricht. Und ein großer Skandal! Paige Walling (Catherine Keener) zieht aus. Der Nachbar und Freund Terry Ostroff (Oliver Platt) redet nicht mehr mit David, die Töchter hassen sich sowieso.
Hugh Laurie, Catherine Keener und Oliver Platt - da müsste doch was zu sehen sein... Denkste, hier nicht. (Keener und Platt hatten 2010 einen Second Hand-Laden und eine schöne Geschichte in „Please Give".) Etwas Spott gegenüber dem amerikanischen Black Friday-Wahnsinn oder den Weihnachts-Dekos, so weit geht die Kritik. Das falsche Leben wird nicht angerührt, der Frust am selben mit dem Schnee einfach weggekehrt. Weder die Spießigkeit der Vorstädter noch Leidenschaft, die nicht passiert oder die langweiligste von allen, die Erzählerin Vanessa, interessieren irgendwie in diesem Kleinklein der Gefühle mit Mini-Romantik in Atlantic City. Da will man selbst nur weg und wundert sich, dass aus dem Film keiner mit will. „The Oranges" (um den furchtbaren Synchrotitel zu vermeiden) ist ein Unglück, größte anzunehmende Festtagsverderbung. Dagegen hilft nur „American Beauty".
Apparition - Dunkle Erscheinung
Apparition - Dunkle Erscheinung
USA 2012 (The Apparition) Regie: Todd Lincoln mit Ashley Greene, Sebastian Stan, Tom Felton, Julianna Guill 82 Min. FSK ab 16
Lust auf eine Horror-Sitzung? Aber Vorsicht: Diese hier ist lang, wirr und unbefriedigend. Eine eher überflüssige als „dunkle Erscheinung". „Apparition" beginnt mit zwei spirituellen Sitzungen, die außer Rand und Band geraten. Nach dem Doppelschlag schaltet der Film erst mal einen Gang zurück, um ein junges Paar in eine horrend neue und klinisch künstliche Siedlung irgendwo in einem Wüstental der amerikanischen Westküste zu begleiten. Kelly (Ashley Greene) und Ben (Sebastian Stan) richten sich ein, doch Zimmerpflanzen verwelken in Minuten, Türen gehen nachts von alleine auf, Schränke schieben sich zur Seite, bevor man was in die Schublade legen kann, der Schimmel unter dem Fußboden und in einer Ecke der Decke ist von besonders ekliger Art. Dieses Haus scheint Kelly und Ben nicht zu mögen. Liegt wieder ein Indianergrab unter den Fundamenten? Wieso thronen auf dem Hügel sehr viele Hochspannungsmasten drohend? Oder ist das verfluchte Haus nur ein Sinnbild für spanische oder niederländische Immobilienkrise mit zu teuer eingekauften Objekten, die einen - jetzt unverkäuflich - umbringen?
Nix von alledem - Ben brachte einfach etwas „von der anderen Seite" beim anfänglichen Experiment mit. Das tobt sich jetzt aus - angenehmerweise mit Schockmomenten zurückhaltend. Die Hoffnung auf weitere Erklärungen sollte einen jedoch nicht hindern, diesen sehr mäßigen Film frühzeitig zu verlassen. Klären tut sich gar nichts mehr. Das Ende ist ebenso schlecht konstruiert wie die Beziehung vorher. Das Finale hat noch ein paar Effekte und viel Krach. Die Figuren stehen dabei staunend rum. „Apparition" ist übrigens Todd Lincolns Debütfilm für 17 Millionen Dollar, was könnte man damit für gute Sachen machen...
USA 2012 (The Apparition) Regie: Todd Lincoln mit Ashley Greene, Sebastian Stan, Tom Felton, Julianna Guill 82 Min. FSK ab 16
Lust auf eine Horror-Sitzung? Aber Vorsicht: Diese hier ist lang, wirr und unbefriedigend. Eine eher überflüssige als „dunkle Erscheinung". „Apparition" beginnt mit zwei spirituellen Sitzungen, die außer Rand und Band geraten. Nach dem Doppelschlag schaltet der Film erst mal einen Gang zurück, um ein junges Paar in eine horrend neue und klinisch künstliche Siedlung irgendwo in einem Wüstental der amerikanischen Westküste zu begleiten. Kelly (Ashley Greene) und Ben (Sebastian Stan) richten sich ein, doch Zimmerpflanzen verwelken in Minuten, Türen gehen nachts von alleine auf, Schränke schieben sich zur Seite, bevor man was in die Schublade legen kann, der Schimmel unter dem Fußboden und in einer Ecke der Decke ist von besonders ekliger Art. Dieses Haus scheint Kelly und Ben nicht zu mögen. Liegt wieder ein Indianergrab unter den Fundamenten? Wieso thronen auf dem Hügel sehr viele Hochspannungsmasten drohend? Oder ist das verfluchte Haus nur ein Sinnbild für spanische oder niederländische Immobilienkrise mit zu teuer eingekauften Objekten, die einen - jetzt unverkäuflich - umbringen?
Nix von alledem - Ben brachte einfach etwas „von der anderen Seite" beim anfänglichen Experiment mit. Das tobt sich jetzt aus - angenehmerweise mit Schockmomenten zurückhaltend. Die Hoffnung auf weitere Erklärungen sollte einen jedoch nicht hindern, diesen sehr mäßigen Film frühzeitig zu verlassen. Klären tut sich gar nichts mehr. Das Ende ist ebenso schlecht konstruiert wie die Beziehung vorher. Das Finale hat noch ein paar Effekte und viel Krach. Die Figuren stehen dabei staunend rum. „Apparition" ist übrigens Todd Lincolns Debütfilm für 17 Millionen Dollar, was könnte man damit für gute Sachen machen...
4.12.12
Shut up and play the hits
Großbritannien 2012 Regie: Will Lovelace, Dylan Southern 109 Min. FSK o.A.
Der Morgen danach - nach dem letzten Konzert. Das ist ein äußerst reizvoller Blickwinkel, um das sehr geplante und strukturierte Ende einer Band zu dokumentieren. Die Regisseure Will Lovelace und Dylan Southern nähern sich einem für Fans legendären Konzert von „LCD Soundsystem" vom Moment nach der Implosion. James Murphy, Kopf der Band und scheuer Konzeptkünstler, meint, dass es nach seinem späten Einstieg in die Musik mit 35 Jahren etwas früher an der Zeit sein müsse, aufzuhören. Das „Last Concert" rund um den programmatischen Hit „Losing My Edge" fand im New Yorker Madison Square vor 16.000 Zuschauern statt. Viele Fans des Indie-Dance-Punk-Projekts waren nach vier Stunden in Tränen aufgelöst. James Murphy trottet am nächsten Tag als etwas verkaterter, selbstverlorener Hipster mit seiner französischen Bulldogge durch New York und schluchzt erst, als er alleine mit den schon eingemotteten Instrumenten in einem Lagerraum steht.
„LCD Soundsystem" klingt in den besten Momenten wie Talking Heads mit ein paar Takten Sonic Youth und etwas Pogo, so versucht der außenstehende Rezensent dies Phänomen zu fassen. Während sich ein durchgehendes Interview im Film kritisch um das Konzept „Star" dreht und überdenkt, dass man mit 41 für den Rock zu alt werde, hat es doch ein etwas anderes Gewicht, wenn Neil Young in Jarmuschs „Crazy Horse" beispielsweise von seinen Musikern spricht, die an den Drogen starben. (Die Interviews, die Murphy ansonsten gibt, sollen wesentlich dichter und gehaltvoller sein.) Und auch wenn das hochverehrte Multitalent Spike Jonze an einer der Kameras war, in Sachen Konzertfilm ist „Shut up" kein Meilenstein, vom Scorseses Referenzpunkt „The last waltz" oder Beasty Boys' „Awesome; I Fuckin' Shot That!", bei dem das Publikum mit zig Kameras wirklich alles aufnahm, ganz zu schweigen. So wie „LCD Soundsystem" wohl ein etwas kopflastiges Musikkonzept ist, kommt auch dieser Film daher. Für Außenstehende ganz interessant. Für Fans gibt es zusätzlich noch eine DVD-Box mit dem kompletten vierstündigen Konzert und längeren Interview-Passagen.
Der Morgen danach - nach dem letzten Konzert. Das ist ein äußerst reizvoller Blickwinkel, um das sehr geplante und strukturierte Ende einer Band zu dokumentieren. Die Regisseure Will Lovelace und Dylan Southern nähern sich einem für Fans legendären Konzert von „LCD Soundsystem" vom Moment nach der Implosion. James Murphy, Kopf der Band und scheuer Konzeptkünstler, meint, dass es nach seinem späten Einstieg in die Musik mit 35 Jahren etwas früher an der Zeit sein müsse, aufzuhören. Das „Last Concert" rund um den programmatischen Hit „Losing My Edge" fand im New Yorker Madison Square vor 16.000 Zuschauern statt. Viele Fans des Indie-Dance-Punk-Projekts waren nach vier Stunden in Tränen aufgelöst. James Murphy trottet am nächsten Tag als etwas verkaterter, selbstverlorener Hipster mit seiner französischen Bulldogge durch New York und schluchzt erst, als er alleine mit den schon eingemotteten Instrumenten in einem Lagerraum steht.
„LCD Soundsystem" klingt in den besten Momenten wie Talking Heads mit ein paar Takten Sonic Youth und etwas Pogo, so versucht der außenstehende Rezensent dies Phänomen zu fassen. Während sich ein durchgehendes Interview im Film kritisch um das Konzept „Star" dreht und überdenkt, dass man mit 41 für den Rock zu alt werde, hat es doch ein etwas anderes Gewicht, wenn Neil Young in Jarmuschs „Crazy Horse" beispielsweise von seinen Musikern spricht, die an den Drogen starben. (Die Interviews, die Murphy ansonsten gibt, sollen wesentlich dichter und gehaltvoller sein.) Und auch wenn das hochverehrte Multitalent Spike Jonze an einer der Kameras war, in Sachen Konzertfilm ist „Shut up" kein Meilenstein, vom Scorseses Referenzpunkt „The last waltz" oder Beasty Boys' „Awesome; I Fuckin' Shot That!", bei dem das Publikum mit zig Kameras wirklich alles aufnahm, ganz zu schweigen. So wie „LCD Soundsystem" wohl ein etwas kopflastiges Musikkonzept ist, kommt auch dieser Film daher. Für Außenstehende ganz interessant. Für Fans gibt es zusätzlich noch eine DVD-Box mit dem kompletten vierstündigen Konzert und längeren Interview-Passagen.
3.12.12
Müll im Garten Eden
BRD 2012 Regie: Fatih Akin 93 Min.
Die schwachen Kritiken von Cannes wurden ausgelagert, Fatih Akin erhielt vor ein paar Wochen den Peter-Weiss-Preis - ein geschickter Zeitpunkt, den Dokumentarfilm „Müll im Garten Eden" in den Kinos zu deponieren. Ein neuer „Fatih Akin" allerdings auch der mit Abstand schwächste Film des Regisseurs von „Soul Kitchen" (2009), „Auf der anderen Seite" (2007), „Gegen die Wand" (2004) oder „Solino" (2002).
Als Altmüll könnte man despektierlich Akins sehr persönliches Projekt „Der Müll im Garten Eden" beschreiben: Für seine „Heimat"-Doku drehte er fünf Jahre im türkischen Dorf Camburnu, aus dem seine Eltern stammen. Ein politischer Beschluss bescherte den idyllischen Hügeln am Schwarzen Meer ab 1995 eine Müllkippe für die ganze Region und eine Hölle aus Gestank, Tierplagen und schwarzem Grundwasser. Fotos und Filme lokaler Aktivisten dokumentieren Fehlplanung, Selbstüberschätzung sowie stümperhafte Ausführung von Ingenieuren und Bauarbeitern. Also eigentlich alles so wie in Deutschland. „Müll im Garten Eden" stellt zwar den aussichtlosen Kampf von vor allem Frauen aus dem Ort dar, schafft es aber nicht, über den Tellerrand hinaus zu blicken. Das Wort Müllvermeidung fällt kein einziges Mal. Das hinterlässt weder einen besonderen Footprint im Kinoprogramm noch in der Filmografie von Fatih Akin.
Die schwachen Kritiken von Cannes wurden ausgelagert, Fatih Akin erhielt vor ein paar Wochen den Peter-Weiss-Preis - ein geschickter Zeitpunkt, den Dokumentarfilm „Müll im Garten Eden" in den Kinos zu deponieren. Ein neuer „Fatih Akin" allerdings auch der mit Abstand schwächste Film des Regisseurs von „Soul Kitchen" (2009), „Auf der anderen Seite" (2007), „Gegen die Wand" (2004) oder „Solino" (2002).
Als Altmüll könnte man despektierlich Akins sehr persönliches Projekt „Der Müll im Garten Eden" beschreiben: Für seine „Heimat"-Doku drehte er fünf Jahre im türkischen Dorf Camburnu, aus dem seine Eltern stammen. Ein politischer Beschluss bescherte den idyllischen Hügeln am Schwarzen Meer ab 1995 eine Müllkippe für die ganze Region und eine Hölle aus Gestank, Tierplagen und schwarzem Grundwasser. Fotos und Filme lokaler Aktivisten dokumentieren Fehlplanung, Selbstüberschätzung sowie stümperhafte Ausführung von Ingenieuren und Bauarbeitern. Also eigentlich alles so wie in Deutschland. „Müll im Garten Eden" stellt zwar den aussichtlosen Kampf von vor allem Frauen aus dem Ort dar, schafft es aber nicht, über den Tellerrand hinaus zu blicken. Das Wort Müllvermeidung fällt kein einziges Mal. Das hinterlässt weder einen besonderen Footprint im Kinoprogramm noch in der Filmografie von Fatih Akin.
Ralph reicht’s
USA 2012 (Wreck-It Ralph) Regie: Rich Moore 97 Min.
Längst haben Gestalten aus Computer-Spielen die Leinwand erobert, „Lara Croft" und Alice aus „Resident Evil" sind nur zwei Beispiele. Doch dass der böse rote Fresser aus „Pac man" irgendwann bei einem Treffen von „Bad-Anon", der Anonymen Spieleschurken sitzt, ist doch besonders ausgefallen. Oder rausgefallen aus dem jeweiligen Spiel, denn eine ganze Reihe zerstörerischer Figuren aus allen möglichen Spielwelten trifft sich hier und stimmt ein: „Ich bin schlecht und das ist gut!" Das will Ralph allerdings nicht mehr sein. Täglich zertrümmert er wie ein roter Hulk mit Hammer-Händen ein simpel gepixeltes Wohnhaus, während „Fix-it Felix jr." in dem gleichnamigen Spiel als eine Art Super Mario alles wieder in Ordnung bringt. Abends, wenn die Spielhalle zu hat, trifft sich die Hausgemeinschaft zum geselligen Beisammensein, während Ralph einsam auf dem Schrottplatz friert. Kennt man ja: Die Strahlemänner bekommen Lob und Liebe ab. Nicht nur der Film freut sich da besonders hämisch mit den Schurken, wenn das Schlechte mal siegt. Ralph hingegen will Held werden und klaut sich seine Medaille bei einem benachbarten Spiel, das mit faschistoiden Kämpfern und riesigen Käfern „Universal Soldier" kopiert. Seine folgende Flucht in eine Autorenn-Welt, die aus lauter Süßkram besteht, bringt auch dorthin Chaos. Nun sind gleich drei Konsolen derart von Störungen im Spielablauf betroffen, dass ihnen Abschaltung droht...
„Ralph reicht's" ist „Tron" auf niedlich und komisch. Ein Haufen Computerspiel-Figuren und -Situation zum Wiedererkennen bilden den Hintergrund für den groben Ralph, der sein Herz am rechten Fleck erst entdecken muss. Witziger sind allerdings Nebenfiguren wie die toughe Action-Heldin mit einem emotionalen Trauma, seit ein Bug ihr den Mann vom Traualter weggefressen hat. Nun hängt sich ausgerechnet der winzige Fix-it Felix jr. an ihre hohen Hacken, er zwar nicht HD-animiert aber dafür raffiniert. Neben dem Spaß gibt es schnell viel Action, im Candy-Land fallen Mentos in Seen von Diät-Cola und erzeugen gigantische Geysire. Ebenso sprudeln die netten Ideen in dieser wortwörtlich verspielten Animations-Komödie.
Längst haben Gestalten aus Computer-Spielen die Leinwand erobert, „Lara Croft" und Alice aus „Resident Evil" sind nur zwei Beispiele. Doch dass der böse rote Fresser aus „Pac man" irgendwann bei einem Treffen von „Bad-Anon", der Anonymen Spieleschurken sitzt, ist doch besonders ausgefallen. Oder rausgefallen aus dem jeweiligen Spiel, denn eine ganze Reihe zerstörerischer Figuren aus allen möglichen Spielwelten trifft sich hier und stimmt ein: „Ich bin schlecht und das ist gut!" Das will Ralph allerdings nicht mehr sein. Täglich zertrümmert er wie ein roter Hulk mit Hammer-Händen ein simpel gepixeltes Wohnhaus, während „Fix-it Felix jr." in dem gleichnamigen Spiel als eine Art Super Mario alles wieder in Ordnung bringt. Abends, wenn die Spielhalle zu hat, trifft sich die Hausgemeinschaft zum geselligen Beisammensein, während Ralph einsam auf dem Schrottplatz friert. Kennt man ja: Die Strahlemänner bekommen Lob und Liebe ab. Nicht nur der Film freut sich da besonders hämisch mit den Schurken, wenn das Schlechte mal siegt. Ralph hingegen will Held werden und klaut sich seine Medaille bei einem benachbarten Spiel, das mit faschistoiden Kämpfern und riesigen Käfern „Universal Soldier" kopiert. Seine folgende Flucht in eine Autorenn-Welt, die aus lauter Süßkram besteht, bringt auch dorthin Chaos. Nun sind gleich drei Konsolen derart von Störungen im Spielablauf betroffen, dass ihnen Abschaltung droht...
„Ralph reicht's" ist „Tron" auf niedlich und komisch. Ein Haufen Computerspiel-Figuren und -Situation zum Wiedererkennen bilden den Hintergrund für den groben Ralph, der sein Herz am rechten Fleck erst entdecken muss. Witziger sind allerdings Nebenfiguren wie die toughe Action-Heldin mit einem emotionalen Trauma, seit ein Bug ihr den Mann vom Traualter weggefressen hat. Nun hängt sich ausgerechnet der winzige Fix-it Felix jr. an ihre hohen Hacken, er zwar nicht HD-animiert aber dafür raffiniert. Neben dem Spaß gibt es schnell viel Action, im Candy-Land fallen Mentos in Seen von Diät-Cola und erzeugen gigantische Geysire. Ebenso sprudeln die netten Ideen in dieser wortwörtlich verspielten Animations-Komödie.
Anna Karenina (2012)
Großbritannien 2012 (Anna Karenina) Regie: Joe Wright mit Keira Knightley, Jude Law, Aaron Taylor-Johnson, Matthew MacFadyen, Domhnall Gleeson, Ruth Wilson, Alicia Vikander, Emily Watson, Susanne Lothar 130 Min. FSK ab 12
Das Leben ist eine Bühne. Zumindest das gesellschaftliche Leben und da ist es nur konsequent, wenn Regisseur Joe Wright und Drehbuch-Autor Tom Stoppard „Anna Karenina" komplett im Bühnenraum spielen lassen. Dass dieser sich in der immer wieder verblüffenden Umsetzung von vielen Hundert Tolstoi-Seiten auch mal unvermittelt zu einer russischen Steppe öffnet oder Zugfahrten erlaubt, macht die altbekannte Geschichte ganz anders packend.
Der Vorhang hebt sich und schon werden all die von Tolstoi so genau beschriebenen Figuren einfach mal vorgeführt: Komödiantisch, karikierend. Oblonskij (Matthew MacFadyen) tänzelt in Moskau im Takt zahlloser Bürokraten-Stempel von der Amts- zur Ausgeh-Uniform. Die Dienerschaft bei dessen Schwester Anna Karenina (Keira Knightley) und deren Mann, dem strengen Minister des Zaren Karenin (Jude Law) dreht in Sankt Petersburg absurd unnötige Kreise um die Herrschaften. Die Kreise der Kamera sind in durchgehenden Plansequenzen hingegen derart effektiv, dass in kürzester Zeit die Handlung abgehakt ist: Oblonskij hat sich beim Fremdgehen erwischen lassen, nun muss Anna nach Moskau, um die Schwägerin zu besänftigen. Beim schweren Abschied von ihrem Sohn - es ist das erste Mal - entführt sie dessen Modelleisenbahn mit noch so einem genialen Übergang aus dem Spielraum der Bühne in ein echtes Abteil. Bei der Ankunft trifft sie auf den blasierten Schnösel Wronskij (Aaron Taylor-Johnson), der eigentlich beim Ball um die Hand der verträumt jungen Kitty (Alicia Vikander) anhalten wollte. Eine furiose Einlage mit rauschendem Kostüm, Bewegungen modernen Tanzes und erhebenden Momenten macht jedoch klar, dass ihn jetzt nur noch die Karenina interessiert. Zu dumm, dass der ebenfalls liebestrunkene Bauer Levin (Domhnall Gleeson) sich schon vorher bei der noch hoffnungsvollen Kitty eine schnöde Abfuhr einhandelte. Für den alten Theaterhasen Tom Stoppard ist diese Umsetzung ein gefundenes Fressen, verwob er doch schon bei „Shakespeare in Love" (1998) und „Rosenkranz & Güldenstern" (1990) Leben und Bühne aufs Köstlichste. (Dass er auch die Drehbücher zu „Das Rußland-Haus", „Das Reich der Sonne" oder „Brazil" schrieb, zeigt die Breite seines Könnens.)
Es ist einfach faszinierend, wie Joe Wright zusammen mit seinem Kameramann Seamus McGarvey mittels kunstvoll gleitender Übergange, raffinierter Kulissenschiebereien, gewagter Schwenks und wunderbarer Bildeinfälle erzählt. So ist „Anna Karina" längst kein verruchtes Kulturgut mehr, der Text Tolstoi wird zum äußerst gelungenen Konzentrat, die Gefühle und Strukturen der russischen Oberschicht in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vermitteln Bewegung, Bilder und Metaphern, wie der selbstverständlich immer wieder ins Bild dampfende Zug. Bis zum Tiefpunkt der gesellschaftlichen Ausgrenzung, wenn die Aufgeregtheit der Gesellschaft mit dem nervösen Fächern längst in offene Abneigung gegen die Ehebrecherin Anna Karenina umgeschlagen ist. Selbstverständlich im Theater, das die Bühne des Lebens und Mittelpunkt der Inszenierung bleibt.
Die großartige Freiheit dieser Inszenierung im Umgang mit Raum und Zeit kann sich beim Schicksal einer unfreien Frau nicht endlos austoben. Doch ist es schade, dass Annas Niedergang konventioneller ausgewalzt wird, dass es etwas zäh zu Ende geht. Waren doch in der ersten Hälfte die Wechsel der Szene fast spannender als die Inhalte. Aber nun kann man sich auf die exzellente Besetzung konzentrieren, allen voran Jude Law, der nur anfangs hinter dem Bart Karenins uninteressant wirkt, dann aber sehr treffend im Ausdruck der lange unterdrückten Gefühle ist. Keira Knightley überzeugt auch in der dritten Zusammenarbeit mit Regisseur Wright nach „Stolz und Vorurteil" sowie „Abbitte". Nur zerstört von Streit und Morphium entgleiten auch als Karenina mal wieder die Gesichtszüge. Emily Watson kann mittlerweile die spießige Alte Gräfin Lydia geben und Susanne Lothar ist in ihrer letzten Rolle als Mutter Kittys leider nur für Sekunden zu sehen. Dass der Tod auch so zwischen den Kulissen lauert, bestätigt nur noch einmal wie gelungen die äußerst freie Umsetzung eines Romans über die Unfreiheit in der Gesellschaft ist.
Das Leben ist eine Bühne. Zumindest das gesellschaftliche Leben und da ist es nur konsequent, wenn Regisseur Joe Wright und Drehbuch-Autor Tom Stoppard „Anna Karenina" komplett im Bühnenraum spielen lassen. Dass dieser sich in der immer wieder verblüffenden Umsetzung von vielen Hundert Tolstoi-Seiten auch mal unvermittelt zu einer russischen Steppe öffnet oder Zugfahrten erlaubt, macht die altbekannte Geschichte ganz anders packend.
Der Vorhang hebt sich und schon werden all die von Tolstoi so genau beschriebenen Figuren einfach mal vorgeführt: Komödiantisch, karikierend. Oblonskij (Matthew MacFadyen) tänzelt in Moskau im Takt zahlloser Bürokraten-Stempel von der Amts- zur Ausgeh-Uniform. Die Dienerschaft bei dessen Schwester Anna Karenina (Keira Knightley) und deren Mann, dem strengen Minister des Zaren Karenin (Jude Law) dreht in Sankt Petersburg absurd unnötige Kreise um die Herrschaften. Die Kreise der Kamera sind in durchgehenden Plansequenzen hingegen derart effektiv, dass in kürzester Zeit die Handlung abgehakt ist: Oblonskij hat sich beim Fremdgehen erwischen lassen, nun muss Anna nach Moskau, um die Schwägerin zu besänftigen. Beim schweren Abschied von ihrem Sohn - es ist das erste Mal - entführt sie dessen Modelleisenbahn mit noch so einem genialen Übergang aus dem Spielraum der Bühne in ein echtes Abteil. Bei der Ankunft trifft sie auf den blasierten Schnösel Wronskij (Aaron Taylor-Johnson), der eigentlich beim Ball um die Hand der verträumt jungen Kitty (Alicia Vikander) anhalten wollte. Eine furiose Einlage mit rauschendem Kostüm, Bewegungen modernen Tanzes und erhebenden Momenten macht jedoch klar, dass ihn jetzt nur noch die Karenina interessiert. Zu dumm, dass der ebenfalls liebestrunkene Bauer Levin (Domhnall Gleeson) sich schon vorher bei der noch hoffnungsvollen Kitty eine schnöde Abfuhr einhandelte. Für den alten Theaterhasen Tom Stoppard ist diese Umsetzung ein gefundenes Fressen, verwob er doch schon bei „Shakespeare in Love" (1998) und „Rosenkranz & Güldenstern" (1990) Leben und Bühne aufs Köstlichste. (Dass er auch die Drehbücher zu „Das Rußland-Haus", „Das Reich der Sonne" oder „Brazil" schrieb, zeigt die Breite seines Könnens.)
Es ist einfach faszinierend, wie Joe Wright zusammen mit seinem Kameramann Seamus McGarvey mittels kunstvoll gleitender Übergange, raffinierter Kulissenschiebereien, gewagter Schwenks und wunderbarer Bildeinfälle erzählt. So ist „Anna Karina" längst kein verruchtes Kulturgut mehr, der Text Tolstoi wird zum äußerst gelungenen Konzentrat, die Gefühle und Strukturen der russischen Oberschicht in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vermitteln Bewegung, Bilder und Metaphern, wie der selbstverständlich immer wieder ins Bild dampfende Zug. Bis zum Tiefpunkt der gesellschaftlichen Ausgrenzung, wenn die Aufgeregtheit der Gesellschaft mit dem nervösen Fächern längst in offene Abneigung gegen die Ehebrecherin Anna Karenina umgeschlagen ist. Selbstverständlich im Theater, das die Bühne des Lebens und Mittelpunkt der Inszenierung bleibt.
Die großartige Freiheit dieser Inszenierung im Umgang mit Raum und Zeit kann sich beim Schicksal einer unfreien Frau nicht endlos austoben. Doch ist es schade, dass Annas Niedergang konventioneller ausgewalzt wird, dass es etwas zäh zu Ende geht. Waren doch in der ersten Hälfte die Wechsel der Szene fast spannender als die Inhalte. Aber nun kann man sich auf die exzellente Besetzung konzentrieren, allen voran Jude Law, der nur anfangs hinter dem Bart Karenins uninteressant wirkt, dann aber sehr treffend im Ausdruck der lange unterdrückten Gefühle ist. Keira Knightley überzeugt auch in der dritten Zusammenarbeit mit Regisseur Wright nach „Stolz und Vorurteil" sowie „Abbitte". Nur zerstört von Streit und Morphium entgleiten auch als Karenina mal wieder die Gesichtszüge. Emily Watson kann mittlerweile die spießige Alte Gräfin Lydia geben und Susanne Lothar ist in ihrer letzten Rolle als Mutter Kittys leider nur für Sekunden zu sehen. Dass der Tod auch so zwischen den Kulissen lauert, bestätigt nur noch einmal wie gelungen die äußerst freie Umsetzung eines Romans über die Unfreiheit in der Gesellschaft ist.
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