6.1.13

Hannah Arendt

BRD, Frankreich, Israel, Luxemburg 2012 Regie: Margarethe von Trotta mit Barbara Sukowa, Axel Milberg, Julia Jentsch, Ulrich Noethen, Klaus Dieter Pohl, Michael Degen 113 Min. FSK ab 6

Margarethe von Trottas filmische Rehabilitation der deutsch-amerikanischen Philosophin Hannah Arendt (1906-1975) konzentriert sich auf Arendts Reportage vom Eichmann-Prozess im Jahr 1961 und die Folgen ihrer Artikelserie dazu, die unter dem Titel „Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen" als Buch veröffentlich wurde. Verständlich, hat sie doch geprägt, wie wir diese Szenen und den Menschen Eichmann sehen, hat mit ihrer Analyse den Typus des Schreibtischtäters als das moderne Gesicht des Bösen herausgeleuchtet. Vorwissen ist hier - wie immer - vorteilhaft, aber nicht notwendig

Die Chefredaktion des New Yorkers hilft uns 1961 auf die Sprünge, was für eine hoch verehrte Denkerin und Autorin Hannah Arendt (Barbara Sukowa) ist. Sie reist im April dieses Jahres nach Jerusalem, um für das renommierte Magazin über den Prozess zu berichten. Eichmann, kurz zuvor vom israelischen Mossad in Argentinien gefangen genommen, war im Reichssicherheitshauptamt zuständig für die Organisation der europaweiten Deportation und somit mitverantwortlich für den Mord an sechs Millionen Juden in den Konzentrationslagern. Die Originaldokumente aus dem Gerichtssaal, die auch schon in unterschiedlicher Form künstlerisch bearbeitet wurden, bleiben bei von Trotta in Schwarzweiß. Das immer noch horrende „Ich habe nur Befehle ausgeführt" und das Entsetzen in Arendts Gesicht bei den Zeugenaussagen von Überlebenden, vermittelt eine Ahnung von der Wirkung dieses Ereignisses, das nicht nur ganz Israel gebannt verfolgte.

Arendts Versuch, Eichmann nicht nur als Monster zu verurteilen, sondern ihn und seine Funktion zu verstehen, sowie eine Randbemerkung über die vielleicht zu bereitwillige Mitarbeit der Judenräte an der Vernichtung, setzt sie heftigster Kritik aus. Während sich Freundinnen solidarisieren, verabschieden sich einige Männer aus dem Kreis der deutsch-jüdischen Emigranten New Yorks. Gegen die Versuch der Uni-Leitung, die sie zum Schweigen bringen will, hält Arendt vor jungen Stunden eine Verteidigungsrede zur ihrer Sicht auf die „Banalität des Bösen". Wie in den Rückblenden zu ihrer eigenen Studienzeit und der fatalen Affäre mit Martin Heidegger, sitzt wieder eine faszinierte junge Frau im Publikum - die Kontinuität des freien und exakten Denkens darf erhofft werden.

So dankbar man Margarethe von Trotta sein muss, dass sie nach Rosa Luxemburg und Hildegard von Bingen (beide mit Sukowa) wieder ein wichtiges historisches Frauenporträt auf die Leinwand bringt, zeigt sie nur das Erwartete. „Hannah Arendt" ist kein Film, der sich künstlerische Freiheiten erlaubt oder eine Annäherung versucht, die mehr als illustrierend und historisch stimmig anmutet. Als ideales Gegenbeispiel wäre wieder Derek Jarmans Biografie „Wittgenstein" zu empfehlen, dessen auch sicherlich nicht unkomplexes Gedankengebäude mit begeisternden filmischen Visionen umgesetzt wurde.

Neben den „Standards" um den Eichmann-Prozess und dem nicht sehr ergiebigen Versuch, Arendts Beziehung zu Heidegger, der als philosophierender Hanswurst und späterer Nazi-Unterstützer nur ein paar Sätze bekommt, zu ergründen, wird die Philosophin vor allem als eine Frau mit Gefühlen gezeigt. Während ihre universitären Kritiker sie beispielsweise als „Hannah Eichmann" und als arrogant bezeichnen. Sie ist ein streitbarer, aber von vielen geliebter und von noch mehr geschätzter Mensch. Barbara Sukowa („Vision – Aus dem Leben der Hildegard von Bingen") überzeugt in der Hauptrolle nicht unbedingt, nie kann sich die Figur Arendt vom bekannten Gesicht der Schauspielerin lösen. Bemerkenswert in den Nebenrollen sind vor allem Axel Milberg als ihr Ehemann Heinrich Blücher und als Hannah Arendts Sekretärin Lotte Köhler die „Sophie Scholl" Julia Jentsch.