USA, Neuseeland 2012 (The Hobbit: An unexpected Journey) Regie: Peter Jackson mit Ian McKellen, Martin Freeman, Richard Armitage, Cate Blanchett, Ian Holm, Christopher Lee, Hugo Weaving, Andy Serkis 166 Min.
Eine unerwartete Reise? Na, da muss schon einer jahrelang tief in einer Troll-Höhle gehaust haben, um die Erwartungen auf den Nachfolger und (in der Chronologie der Erzählung) Vorläufer vom „Herrn der Ringe" verpasst zu haben! Nach einer langen, schwierigen Produktionsgeschichte, zuerst mit Peter Jackson, dann Benicio del Toro und jetzt wieder Jackson als Produzent und Regisseur, schlägt „Der Hobbit" endlich im Kino auf. Und hinterlässt viele Eindrücke. Der erste Teil der Filmtrilogie bläst das kleine, wirklich nette Buch von J.R.R. Tolkien zu gewaltigen Fantasie-Welten auf. Und sorgt in den ersten fast drei Stunden von „Der Hobbit - Eine unerwartete Reise" für viel Spannung.
Was erstaunt, denn so wie eine Gesellschaft von Zwergen, die eines Abends beim gemütlichen Hobbit Bilbo Beutlin hereinplatzt und die Vorräte plündert, es schildert, ist es ganz einfach: Sie ziehen unter Leitung des Zauberers Gandalf zur alten Zwergen-Festung, klauen dem Drachen, dort jetzt dort schlummert, seinen Schatz und kehren wieder heim. Dass auf dem Weg Horden blutrünstiger Orks lauern, die ganze Welt im Umbruch ist und der angebliche Meisterdieb Bilbo auf dem Weg einen Ring (sie alle zu finden ... usw., eine andere Geschichte) klaut, stand nicht im Zwergen-Vertrag.
Unvorstellbar! Das trifft bei „Hobbit 1" auf mehreres zu: Die Landschaft Neuseelands ist mittlerweile als Mittelerde ein alter Bekannter, aber beeindruckt noch immer. Hinzu kommen die filmischen Visionen von gewaltigen Zwergen-Königshallen und -Burgen, unüberschaubar labyrinthischen Ork-Grotten oder idyllisch in Bergflanken geschmiegten Elfen-Siedlungen. Bei einem Gefecht gigantischer Steinriesen taucht auch die alte surreale Fantasie eines Peter Jackson von „Heavenly Creatures" wieder auf, die ganz anders wirkt als der „Fantasy"-Kram mit der er sich zu lange beschäftigt hat. Immerhin kann man dabei verstehen, dass er diese Millionen-Maschine Film nutzt, um solche Welten zu kreieren.
Ebenfalls noch nie so gesehen, wurden die auffällig schärferen Bilder des HFR-Verfahrens, dass mit doppelter Bildfrequenz arbeitet. Dieser Effekt einer höheren Auflösung wirkt allerdings den Fantasy-Illusionen entgegen. Wer Traumwelten erwartet, will darin nicht die Nasenhaare eines Hobbit in eindrucksvoller Größe und Schärfe wahrnehmen. Mit dieser Klarheit verbindet man bisher Studio-Aufnahmen beim HD-TV. So sieht man auch zu gut, was nicht ganz gut computer-animiert ist. Die durch eine sattgrüne Hügellandschaft rasenden Warge fallen irgendwie aus dem Bild. Zudem - aber auch das nur eine Fußnote in einem durchgehend imposanten Film - schwirrt die 3D-Perspektive in vielen Action-Szene derart unter, über und um die Gemeinschaft der Kampf-Gefährten herum, dass die Identifikation mit „den Guten" schwierig wird. Ausufernde technische Möglichkeiten machen Eindruck, stiften aber auch mit uneinheitlicher Blickrichtung Verwirrung.
Ansonsten übertrifft Peter Jackson seine „Herr der Ringe"-Filme nicht nur in technischer Hinsicht: Vom spaßigen ersten Besuch an, zeigt sich ein sehr menschlicher Gandalf, der auch Furcht kennt. Ebenso sympathisch seine Wahl des kleinen Hobbit als „einfachen, unscheinbaren Menschen" (mit dem ansonsten unauffälligen Martin Freeman ideal besetzt), die ja doch für die Welt wichtiger sein können als große Helden. Solche sucht das Bild zwar auch immer wieder - witzigerweise werden gerade die Zwerge gern aus erhöhender Untersicht gezeigt - doch im Gegensatz zum eher trivialen Gemetzel beim Ringelreien 1-3 lassen auch Werte-Diskussionen aufhorchen. Vom Tolkien-typischen Öko-Touch beim wehrhaften Grünwald mit seinem durchgeknallten Brauen Zauberer Radagast (zu viele Pilze gegessen), über fast pazifistische Sprüche bei Gandalf bis zum Mitgefühl für „ein Volk ohne Heimat", das die Zwerge zu Fantasy-Asylanten macht.
Das Wiedersehen mit den alterslosen Elfen Galadriel (Cate Blanchett) und Elrond (Hugo Weaving) sorgt für Gänsehaut. Schauer bereitet die Schlüssel- oder Ring-Szene mit Gollum, den man in erneut eindrucksvoller Grotte noch nie so nah und berührend gesehen hat. Mit all seiner Scheußlich- und Menschlichkeit. Das ist dann auch die Spanne, in der Peter Jackson sein großes und großartiges Kinoabenteuer nach einem kleinen Buch ansiedelt.