1.2.22

Wunderschön


Deutschland 2020, Regie: Karoline Herfurth, mit Nora Tschirner, Martina Gedeck, Emilia Schüle, 132 Min., FSK: ab 6

„Wunderschön" – was bedeutet das? Die sicherlich oft auch wegen Äußerlichkeiten besetzte Schauspielerin und Regisseurin Karoline Herfurth spielt Schönheits-Wahn und -Druck an den bewegten Geschichten von sechs Frauen durch. Die Spanne reicht von jung bis alt, von Bulimie bis Fat-Shaming. Der Film erzählt von seicht komödiantisch bis bissig analytisch. Das sicher beherrschte Regiehandwerk von Herfurth und ein deutscher Filmball-Cast mit unter anderem Joachim Król, Maximilian Brückner, Nora Tschirner, Martina Gedeck und Emilia Schüle sorgen für leichte Unterhaltung mit einigen Widerhaken in zu glatter Weltsicht.

Selten knallen glänzende Werbung und verzweifelte Realität so direkt aufeinander wie im Foto-Shooting der Eingangsszene: Grelle Fröhlichkeit vor der Kamera funktioniert nur noch mit Drogen, passenderweise ist das Zeugs auch Schlankheitsmittel. Essen gibt es aber trotzdem nur mit Übergeben direkt danach. Mittendrin Julie (Emilia Schüle). Sie will als Model endlich die großen Aufträge erhalten, und versucht verbissen, ihren Körper in das Schönheitsideal der Branche zu pressen. Auf Diät und Koks.

Zum Drogendrama bei der Jüngsten, die als Model am Schönheitsdruck zugrunde geht, gesellt sich das Trauerspiel bei der älteren Frauke (Martina Gedeck), die sich „kurz vor der 60" nicht mehr begehrenswert findet. Gerade jetzt, wo ihr pensionierter Mann Wolfi (Joachim Król) unerfüllt durch die Wohnung turnt. Den gemeinsamen Tango-Kurs lehnt er erst einmal entrüstet ab. Frauke ist meist vor dem Spiegel zu sehen, doch die allgemeine Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper spürt jede der sechs Frauen.

Mittendrin in den Lebensphasen steckt Sonja (Karoline Herfurth), die mit ihrem Körper nach zwei Schwangerschaften unglücklich ist. Zum Alltags-Stress mit Kleinkindern kommt der Karriere-Frust. Während ihr Mann Milan (Friedrich Mücke) befördert werden soll, sieht sie sich auf ewig in der Mutterrolle gefangen. Deshalb macht sie einen radikalen Richtungswechsel zur nächsten Bewerbung. Mit den Kotzflecken vom Kleinsten auf dem Office-Kostümchen.

Während sich Herfurth selbst sehr schön tragikomische Momente zuschreibt, macht ihre beste Freundin Vicky (Nora Tschirner) volle Kanne auf Romantische Komödie. Die Lehrerin hat den Durchblick, was Geschlechterzwänge und Schönheits-Druck angeht. Sie bringt ihren Teenager geistreich und provokant etwas über innere Schönheit bei. Männer gibt es bei ihr nur für eine Nacht, bis der neue Sportlehrer Franz (Maximilian Brückner) ihre Sicherheiten durcheinanderwirbelt.

Geschickt verwebt Autorin, Regisseurin und Hauptdarstellerin Karoline Herfurth in ihrem neuen Film nach „SMS für dich" und „Sweethearts" mehrere Frauen-Generationen und -Lebensphasen. Sie hat erkennbar ein Anliegen und trägt es persönlich wütend vor. Dabei packt sie eine ganze Menge Geschichten in ihren Film. Auch die großen, gefühlsübervollen Montagesequenzen wirken überfrachtet.

Dass drei Frauen um einen Familientisch sitzen, ist nett anzusehen. Mehrwert durch die Familiendynamik ergibt sich dadurch nicht. Da hätte das Buch noch nacharbeiten müssen. Eigentlich Erschreckendes wird zeitweilig sehr witzig erzählt, vor allem Nora Tschirner ist dabei klasse besetzt als wilde Lehrerin mit Bindungsängsten. Magersucht, Schönheitswahn, junge und alte Eheprobleme sind im Einzelnen zwar nicht besonders originell, die Gesamtstimmung von „Wunderschön" ist schlüssig. Man könnte auch sagen, ausgewogene Unterhaltung.