USA 2011 (Mirror Mirror) Regie: Tarsem Singh mit Julia Roberts, Lily Collins, Armie Hammer, Sean Bean, Nathan Lane 106 Min. FSK o.A.
Ei verhext, das wird einen Aufstand geben beim Hexensabbat: Kommt da doch die Pretty Woman daher und gibt einfach die tollste, garstigste und gemeinste Hexe seit die Besen fliegen lernten! Und gut angezogen ist sie auch noch! Bei diesem sensationell durch den Wolf gedrehten Märchen-Verschnitt vergisst man glatt alles andere um Julia Roberts rum. Wie hieß noch mal die Frau bei den Sieben Zwergen? Schlumpfine?
Die Königin ist pleite, wie gegenwärtig! Eitel ist sie selbstverständlich auch und von der Bettkante stoßen würde sie den hübschen wie reichen Prinzen Andrew Alcott (Armie Hammer) auf keinen Fall, der da halb nackt vor ihr steht. Doch zu den Verwirrungen an der Bettkante kommen wir später. Vorher ist Alcotts Kampf gegen riesige Zwerge angesagt: Im winterlichen Wald, da sind die Räuber auf hydraulischen Stelzen unterwegs und selbst als der Prinz dies entdeckt, bekommt er von den kurzen Kerlen noch mächtig einen auf den Deckel. Hinter diesem fantastischen Element stecken selbstverständlich die Sieben Zwerge, die in ihrer Kostümierung an Terry Gilliams' „Time Bandits" erinnern.
Ganz in gelb und anonym kommt Schneewittchen (Lily Collins) vorbei. Die Prinzessin will mit eigenen Augen sehen, wie elend es der Bevölkerung geht, seit ihr Vater (Sean Bean) verunglückte und die böse Stiefmutter ihre Herrschaft begann. Diese Vorgeschichte erzählt der fantastische Film auch als Filmgeschichte mit Puppenspiel und -Animation. Der Spiegel, den die Königin nicht nur befragt, sondern gleich ganz in ihn eintaucht, ist komplett Cocteau. Hinter dem Glas gibt es ein ganzes Spiegel-Kabinett, nicht ganz wie bei Orson Welles, sondern mit einem noch älteren Ego der bösen Stiefmutter. Das alles ist raffiniert angerichtet von Regisseur Tarsem Singh, aber vor allem ein großer Spaß und ein noch größerer Augenschmaus. Nach dem Psycho-Märchen „The Cell" (2000) und der Fantasy-Odyssee „The Fall" (2006) erwartete man das auch von ihm, nur der Monumentalfilm „Krieg der Götter" enttäuschte 2011.
Nun erzählt Singh das grimmige Märchen mit so fantastischen, atemberaubenden und verrückten Kostümen (der kürzlich verstorbenen Designerin Eiko Ishioka) und Bildern, da können selbst wild fabulierende Handlung und Figuren nicht ganz mitzuhalten. Obwohl uns die böse Stiefmutter mit jedem Satz ihrer herrlich zynischen Kommentare, ihrer sehr spitzen und spitzfindigen Texte ans Herz wächst. Julia Roberts vermittelt ungemeinen Spaß im Spiel dieser ausgesucht garstigen und selbstverliebten Stiefmutter, die mit lebenden Figuren Schach spielt und auch sonst mit Menschen nicht nett umgeht. Lustvoll steuert sie riesige, ferngesteuerte Marionetten in den Kampf gegen Schneewittchen und die Sieben Zwerge. Nur mit dem Prinzen klappt es nicht so richtig, der falsche Zauber lässt ihn wie einen Hund auf der Bettkante winseln. Aber auch ansonsten ist „Spieglein Spieglein" toll besetzt: Nathan Lane zieht als treuer Hofdiener Brighton, wenn er die Innereien zum Beweis von Schneewittchens Tod aus dem Sack zeigt, auch aus Versehen noch ein paar Würste mit heraus.
Ganz neu in die Handlung eingesponnen wurde die Ausbildung Schneewittchens zum Räuber, so dass es zum tänzerischen Liebesduell Prinzessin gegen Prinz mit dem Schwert kommen kann. Der rettende Kuss bleibt klassisch. Obwohl diesmal sie ihn rettet. Und sich die Stiefmutter selber am vergifteten Apfel verschluckt, bevor eine Bollywood-Reminiszenz gemixt mit Baz Luhrmans „Moulin Rouge" den vollen Genuss vollendet.