BRD 2012 Regie: Miriam Pucitta, Michael Chauvistré 87 Min.
Die Pose der Provinz beginnt mit einem Fußball-Verein, der ein riesengroßes Stadion haben wollte. Alle Politiker nicken trotz leerer Kassen ab, denn grinsenden Projektmanager versprechen und grinsen. Der Oberbürgermeister ist auch gleichzeitig Fußballvereinsvorsitzender und wohl über noch ein paar Pöstchen mehr involviert. Doch ein wackeres Häuflein, deren schöne Wiesen zu Parkplätzen für die Fußball-Zuschauer werden sollen, leistet Widerstand. Es sind die Menschen, die im Grünen wohnen und kleingärtnern, die auf der vierspurigen Straße dann in die Stadt zur Arbeit fahren, zu den Leuten, die es nicht so grün haben. Engagiert treffen sie sich, demonstrieren mit Traktoren, proben Protest-Balladen und erreichen, dass die Autos nun im teuren Parkhaus gestapelt werden. Die Kleingärtner werden in herzerweichenden Szenen vertrieben, einem widerspenstigen Wirt das schöne Restaurant abgefackelt, beim ersten Spiel im neuen, monströsen Stadion stirbt fasst ein gegnerischer Zuschauer und alle sind begeistert: Friede, Freude, Eierkuchen...
Diese universelle Provinzgeschichte spielte sich tatsächlich in Aachen ab, der idyllische Winkel zwischen Zentrum und Autobahn heißt Soers, der Fußballverein ist mittlerweile finanziell wie sportlich eine Katastrophe. Michael Chauvistré hat sich mit genau beobachtenden Dokumentationen wie „Mit Ikea nach Moskau" (2001), „Mal sehen, was draus wird" (1990) oder der Leihweihnachts-Mann-Komödie „Schau mich nicht so böse an (1998) und dem raffinierten Ikea-Spielfilm „Pax" (1999) einen guten Namen gemacht. Doch Chauvistré sowie seine Lebens- und Arbeitspartnerin Miriam Pucitta waren diesmal sehr nah dran am Thema und an den Menschen, denn auch sie wohnen in der Soers und sollten einen Parkplatz voller Fußball-Prolls hinters Haus bekommen.
Es hätte eine Dokumentation mit Chauvistrés Humor, der oft an der Grenze zum Bösen und Schwarzen spielt, werden können. Kurz denkt man, dies ist eine heitere Lehrstunde in Sachen Graswurzelpolitik, Occupy Soers sozusagen. Investigativer Journalismus hätte ausgeleuchtet, wieso solch lokale Politiker sich ein Millionen-Grab nach dem anderen von mittlerweile nicht mehr so breit grinsenden Investoren andrehen lassen. Doch in diesem Film haben sich am Ende alle lieb. Selbst der mittlerweile abgesägte Obergrinse-Bär darf noch mal putzig vor den Kameras posieren. Der (beabsichtigte?) Effekt ist trotzdem eine nachhaltige Übelkeit angesichts dieser Zustände.