9.4.12

The Grey

USA 2012 (The Grey) Regie: Joe Carnahan mit Liam Neeson, Frank Grillo, Dermot Mulroney, Dallas Roberts 117 Min. FSK ab 16

„Männer, die nicht in menschliche Gesellschaft passen". Schicksalsschwer erzählt der Wolfjäger Ottway (Liam Neeson) auf der Tonspur von seinem Hadern mit dem Leben. „Lebe und stirb heute Nacht, einmal noch in die Schlacht ein letztes Gefecht" lauten die wiederholten Zeilen eines Gedichts. Für einen Ölkonzern erschießt er im eisigen Alaska die Wölfe, setzt sich aber auch lange zum sterbenden Tier, um ihm den Tod ohne Angst zu ermöglichen. Nicht nur in den Gedanken, auch in den Bildern taucht immer wieder das Gesicht einer Frau auf. Ungewöhnlich für einen Film, der in vielen Momenten einfach Action sein könnte, fließen offene Assoziationen ein. Wer die Frau ist, wird einstweilen nicht beantwortet. Die auch bei den Stimmen nicht besonders gelungene deutsche Synchronisation bietet ein „Du bist gegangen...." an und man rätselt rückübersetzend, ob das englische „gone" für das Sterben gemeint sein könnte.

Dann geht es beim Rückflug ganz schnell nach unten. Aus einem Traum gerissen, stürzt Ottway eindrucksvoll ab. Es gibt nicht die vollen 10 Punkte, aber locker 9 1/2 bei den Haltungsnoten für diese Katastrophe. Ottway sammelt in einer Eiswüste die Überlebenden zwischen den Trümmern ein, denn den
Wolfsjäger greifen bald die Wölfe an, ein ganzes Rudel von Augen starrt das Häuflein gar nicht mehr so harter Bohrarbeiter aus der Dunkelheit an. Ottway weiß Einiges über Wölfe. Das meiste ist nicht ermutigend. Die erste Flucht durch tiefen Schnee geht zu einem weit entfernten Waldstück, der Wind pfeift und die Dämmerung naht. Das Rudel schlägt schnell zu, der Trupp wird dezimiert...

Liam Neeson, der Darsteller des Oskar Schindler, des Qui-Gon Jinn aus „Star Wars" und eines ehemaligen IRA-Attentäters in Hirschbiegels „Five Minutes of Heaven", ist ein sagenhafter Schauspieler, einer der allerbesten. Die eindrucksvolle Statur dieses Mannes kommt unter der dicken Winterkleidung nicht zur Geltung, doch packend der Kerl, der entschlossen mit den Wölfen kämpft, aber gleichzeitig zu viel Leid im Gesicht trägt, um noch weiter leben zu wollen. Dass ausgerechnet so ein Zerrissener, einen Haufen harter Männer anführt, damit sie nicht von den Wölfen zerrissen werden, ist ein schöner Hohn.

Dem Abschiedsbrief an seine Frau gesellen sich bei der verzweifelten Flucht immer mehr Brieftaschen und Familienfotos von Verstorbenen bei. Am schützenden Lagerfeuer tauscht man ein paar Geständnisse und Geschichten von Zuhause aus. Doch wenn es weiter gehen muss, ist letztendlich der Film wie die Wölfe zu gnadenlos: Nach einigen, teilweise wieder atemberaubenden Szenen bleibt nur Ottway übrig, das ist fast wie fast wie bei „Final Destination" einem wesentlich minderwertigerem Film. Die Geschichte kommt zu ihrem mythischen Kern erst am Ende. Schade dass diese Ebene zu unauffällig mitlief.

Regisseur Joe Carnahan, der bislang für hirnlose Action verantwortlich war („Smokin' Aces", „Das A-Team"), überrascht trotzdem mit diesem vielfältig spannenden und mehrschichtigen Männerfilm nach eigenem Buch auf Basis von Ian Mackenzie Jeffers' Kurzgeschichte „Ghost Walker".