2.4.12

Hinter der Tür

Ungarn, BRD 2012 (Az Ajtó / The Door) Regie: István Szabó mit Helen Mirren, Martina Gedeck, Károly Eperjes, Gábor Koncz 97 Min.

Sie lässt sich bitten. Emerenc (Helen Mirren) ist nicht irgendeine Haushälterin. Eifrig und verhärmt kehrt sie im Budapest der 60er Jahre die Bürgersteige, wäscht und kocht. Als die Schriftstellerin Magda (Martina Gedeck) mehr Zeit für ihren Roman haben will, soll Emerenc auch bei den Intellektuellen den Haushalt machen. Aber sie lässt sich bitten. Und ist ebenso stolz wie eigensinnig. Altmodisch wünscht sie beim Antrittsbesuch in der Villa mit Wänden voller Bücher „dem Gebieter einen guten Abend". Trinkgeld lehnt brüsk ab, aber eines Tages fegt sie den Schnee auch auf der Straßenseite Magdas.

Der „Gebieter", ein insgesamt eher profilloser Mini-Pascha, wird auch noch leidvoll erfahren, wen sie sich da ins Haus geholt haben. Doch die innige Konfrontation, die wechselhafte Beziehung bis über den Tod hinaus, führen von nun an Magda und Emerenc. Die Zugehfrau, wie man vielleicht im K&K-Tonfall stimmiger sagt, bleibt erstaunlich kühl, ja sogar richtig frech. Sie taucht immer wieder unerwartet im Haus der Dienstherren auf, leugnet aber, dass der Wurstteller in der Küche von ihr war. Magda lässt ihn daraufhin zu Scherben zerfallen und nimmt so den Kampf auf, was Emerenc mit einem respektvollen Lächeln quittiert. Die alte Frau lässt andere Menschen nicht nur sinnbildlich hinter einer verschlossenen Türe stehen. Sie lässt auch niemanden in ihre Wohnung. Weshalb, darüber gibt selbst die Polizei-Akte über die zickige Dame keine Auskunft. Ebenso faszinierend wie ihr Stolz ist die tragische Geschichte hinter der Tür.

Nicht so sehr Emerencs schreckliche Angst vor Gewittern, weil einst durch ihre Schuld drei Menschen starben, bestimmt diese Person. Es ist eine Episode aus dem Holocaust, in der die noch junge Frau ein jüdisches Kind als ihres ausgab und so unter großen Opfern ein Leben rettete. Der Dank blieb aus.

Besonders die kurz und trocken erzählte, schreckliche Gewitterepisode zeigt sehr schön den Stil der Autorin Magda Szabó (1917-2007), deren Roman „Die Tür" der nicht mit ihr verwandte Oscar-Preisträger István Szabó („Mephisto", „Zauber der Venus") unter anderem auch in NRW-Studios umsetzte. Die Farben haben Patina, aber auch das Licht von in der Erinnerung schöneren Sommern. Die Ausstattung gelang liebevoll und geht ganz in diese Figur auf, in diesen äußerst ungewöhnlichen und eigensinnigen Menschen. Während Helen Mirren eindrucksvoll hinter Emerenc mit ihrem Kopftuch verschwindet, gibt Martina Gedeck die eher staunende Stichwortgeberin, die Autorin, die mit arg begrenztem Mitgefühl Notiz nimmt und den Menschen für ihre Bücher verarbeitet.

Die Frauen kommen angeblich vom gleichen Landstrich, aber jetzt gehören sie eindeutig zwei verschiedenen Klassen an. Trotzdem ist die ungleiche Beziehung bewegend und auch immer wieder sehr komisch. Bald ist die Dienstmagd eigentliche Herrin und hat absolute Verfügungsgewalt über den Standplatz des hässlichen Porzellan-Boxers. Sobald Emerenc mit Kündigung droht, gehorchen ihr alle wie Magdas Hund aufs Wort.

Das historische Set bleibt zwar oft ohne weiteres Leben, ist eigentlich ein Zwei-Kammerspiel mit dazwischen liegender Straße. Doch die sichtbar begrenzten Produktionsmittel könnten durchaus gewollt und nicht Kompromiss sein. Denn die ganze Geschichte hält ihren eigenen Ton. Ein besonderer Film, ganz wie seine Hauptfigur, eigenwillig, unbedingt bemerkenswert.