2.12.13

Oldboy (2013)

USA 2013 Regie: Spike Lee mit Josh Brolin, Elizabeth Olsen, Sharlto Copley, Samuel L. Jackson, Michael Imperioli 104 Min.

Es war einst ein unglaublicher, unfassbarer, aufwühlender und verstörender Film: „Oldboy" vom genialen koreanischen Regisseur Park Chan-Wook („Stoker", „Durst", „I'm a Cyborg, But That's OK", „Lady Vengeance") erhielt in Cannes 2004 den Großen Preis der Jury. Jetzt folgt nach langem Hin und Her ein harmloses Remake durch den exzellenten us-amerikanischen Regisseur und Produzenten Spike Lee („Inside Man", „Malcolm X", „Do The Right Thing"). Dass der 2013er „Oldboy" immer noch hammerhart und zeitweise sehr unbekömmlich ist, bestätigt nur die Qualitäten des Originals, das auf einer Manga-Vorlage von Garon Tsuchiya und Nobuaki Minegishi basiert.

Der Verlauf blieb gleich: Joe Doucett (Josh Brolin), ein extrem unsympathischer, saufender und heftig fremdgehender Werbemann, findet sich nach noch einer durchzechten Nacht nackt in einem hermetisch verriegelten Hotelzimmer wieder. Hinter der Fensterscheibe gibt es nur per Bildschirm wechselnde Landschafts-Aufnahmen, auf einem Plakat höhnt ein schwarzer Page: „Können wir Ihren Aufenthalt angenehmer gestalten?" Der „Aufenthalt" dehnt sich von ein paar Tagen auf Monate und schließlich 20 Jahre aus. Das Aufbegehren weicht einer inneren und äußeren Abhärtungs-Strategie. Zwischendurch entsagt Joe dem Alkohol und erlebt in den Fernseh-Nachrichten, dass seine Frau vergewaltigt und ermordet wurde - angeblich von ihm. Seiner Tochter Mia schreibt er eine ganze Sammlung von Briefen, die auch nie das Zimmer verlassen. Als er völlig unerwartet frei gelassen wird, gibt ihm eine mysteriöse Figur (Sharlto Copley) zwei Fragen mit: Wer hat ihn 20 Jahre eingesperrt und weswegen?

Mit einer Liste der Leute, die er jemals verletzt hat, und dem Geschmack der chinesischen Teigrollen, die er täglich gegessen hat, auf den Lippen, sucht der Gequälte Rache. Hilfreich ist ihm dabei die Sozialarbeiterin Marie (Elizabeth Olsen), deren Helferkomplex sofort anspringt, als sie den verwirrten Joe kurz nach dessen Entlassung trifft. Doch wie bei den guten düsteren Detektivgeschichten wird Joe nur sein eigenes schreckliches Geheimnis entdecken...

Im direkten Vergleich zwischen Original und Fälschung zeigt sich, wie eingeschränkt Hollywoods Filmemachen selbst bei einem ehemaligen Rebellen wie Spike Lee doch ist. Alles wird simpler, stringenter, einfacher und eindimensionaler. Fantastische oder surreale Momente fielen weg. (Was auf Dauer ein Film-Illiteralität zur Folge hat. Wenn ein paar Auslassungen schon nicht mehr verstanden werden, wie in vielen Kritiken zu „The Counselor" geschehen, schrumpft das Kino-Angebot auf tägliches Weißbrot.)

Das Schlimmste dabei ist, dass der neue „Oldboy" sich auch zu einer moralischen Simplifizierung aufschwingt: Der Grund für alles ist im Original eine zerstörte Liebe, im falschen Remake ein verratenes Verbrechen. Nur ein paar der vielen faszinierenden Ideen haben überlebt, etwa dass die angebliche Freiheit nur ein größeres Gefängnis ist, mit den Mauern aus Schuld und Rache. Und selbstverständlich die hammerharte Gewalt. Wobei, weshalb Fleischstückchen aus dem Hals schneiden jetzt harmloser oder besser sein soll als Zähne ziehen, muss man wahrscheinlich Sigmund Freud fragen. Oder hat der „Marathon Man" in Hollywood das Copyright darauf? Einen Zahn muss man Spike Lee aber doch ziehen, diesen Film hätte er sein lassen sollen.