19.12.13

Only Lovers Left Alive

 

BRD, Großbritannien, Frankreich, Zypern 2013 Regie: Jim Jarmusch mit Tom Hiddleston, Tilda Swinton, Mia Wasikowska, John Hurt, Anton Yelchin 123 Min. FSK: ab 12

 

Die Geschichte von Adam und Eva ... mal etwas anders: Denn Adam (Tom Hiddleston) ist ein einsamer Vampir, haust in der fast verlassenen Motortown Detroit und will nicht weiter leben. Dieser junge Mann hat den 1960 verstorbenen Eddie Cochran noch live gesehen und ist in persönlicher Begegnung zum Urteil gekommen, dass Lord Byron ein „selbstgerechtes Ekel" war. Adam fährt einen Jaguar mit selbstgebautem Elektromotor, sammelt klassische Gitarren und komponiert Musik, die anonym alle Trends umkrempelt. Anonym, weil Adam nur ganz selten das Haus verlässt, um sich aus sicherer Quelle Blutkonserven zu besorgen. Alles andere bringt ihm sein Lieferant und Groupie Ian (Anton Yelchin).

 

Eva (Tilda Swinton) genießt ihr Leben im marokkanischen Tanger. Fast wie eine Löwin trägt die Vampirfrau ihre langen blonden Haare, ansonsten ist alles weiß an ihr. Befreundet ist sie mit Christopher Marlowe (John Hurt), der im gleichen Jahr wie Shakespeare geboren wurde und sich hier um frisches Blut kümmert. (Dass Marlowe als besonders blutiger Autor bekannt ist, mag nur als einer von zahllosen kulturellen Insider-Scherzen erwähnt sein.) Als Eva von Adams Depression erfährt, reist sie - per Nachtflug mit Air Lumiere! - zu ihm und ein wunderbarer Film wird endgültig unbeschreiblich.

 

Eigentlich könnte auch Regisseur Jim Jarmusch ein Vampir sein. Es scheint Ewigkeiten her zu sein, seit er 1980 mit „Permanent Vacation" auftauchte, die trockenen, kultigen „Stranger than Paradise", „Down by Law",„Mystery Train" und „Night on Earth" nachlegte. Verändert hat sich das hagere Gesicht hinter der verdächtigen Sonnenbrille kaum. Seine Filme wurden noch eigenwilliger, der Western „Dead Man" ließ 1995 Johnny Depp meditativ zu der Musik von Neil Young einen ganzen Film über sterben. Dann gab es zu Young gleich einen der besten und dreckigsten Konzertfilme aller Zeiten: „Year Of The Horse - Neil Young & Crazy Horse Live". Die mit großen Abständen produzierten „Ghost Dog: Der Weg des Samurai" (1999), „Broken Flowers" (2005) oder „The Limits of Control" (2009) erzählten zwar von einem asiatisch angehauchten Kämpfer, von einem verpassten Leben mit Bill Murray in der trist-bunten Hauptrolle oder von einem geheimnisvollen Mordauftrag. Aber mit Jarmusch hat jemand überlebt, der vor allem sein „Ding", seinen Stil macht. Der stilvoll von Stil erzählt, von den guten Dingen und vom schlechten Leben.

 

Da braucht es keinen Oberschurken, kein Liebesdrama oder sonstigen Blödsinn, Jarmusch macht unfassbar gute Szenen und Filme. Das beginnt diesmal mit dem Drehen eines Plattentellers, das sich im Raum fortsetzt. Dann ein Hochgenuss, Eva / Tilda Swinton bei der Reisevorbereitung zu sehen, wenn sie aus Bergen alter Bücher ein paar Päckchen bündelt. Das Wiedersehen bringt atemberaubende Stillleben des Paares im wunderschönen Nackt. So wie diese Vampire als Götter unter den, von Adam als Zombies bezeichneten Menschen erscheinen, die sich tatsächlich nicht besonders positiv in den verlassenen Straßen und den Clubs der einstigen Auto-Stadt breit machen, so erscheint einem die Kunst von Jarmusch in der üblichen Kino-Flachheit. Er gestaltet kleine Gemälde, spielt humorvoll und ehrerbietig mit (Pop-) Kultur, wobei Adams „Hamlet" gelobt wird und auch Jack Black einen Ritterschlag erhält. Wie Adam ist auch der Film gleichzeitig altmodisch und im Jetzt nicht von einer bestimmten Moderne beschränkt. Der geniale Erfinder führt Teslas drahtlose Stromübertragung fort und bevorzugt Analoges, vor allem in der Musik. So hat er sich seinen eigenen, sicherlich besseren Face Time-Chat aus alten Elektroteilen zusammengebaut. Und Jarmusch legt seinen Soundtracks aus Sixties Soul und Garage Punk drüber, lässt die traumhaften Szenen mit einem ganz anderen Zeitgefühl und in einer Atmosphäre zum Verlieben vorübergleiten.

 

Jarmusch kultiger Vampir-Kick zeigt dabei erst spät Zähne: Etwas Aufregung gibt es, als Evas kleine, gemeine Schwester Ava (Mia Wasikowska) zu Besuch kommt, die Blutvorräte räubert und auch den Gitarren-Lieferanten Ian nach einer wilden Nacht leer trinkt. Die Geschichte treibt das Liebespaar zurück nach Tanger, wo sie erschöpft die Schönheit der Musik und der Lebens genießen. Und der Film es unglaublicherweise schafft, noch einmal mehr zu begeistern.