4.12.13

Venezianische Freundschaft

Italien, Frankreich 2011 (Io sono li) Regie: Andrea Segre mit Zhao Tao, Rade Serbedzija 98 Min.

Ein alter Mann, eine einsame Frau in Zwangslage, ein verlorenes Kind - alle Bestandteile einer rührenden Geschichte finden sich im Fischerdörfchen Chioggia bei Venedig. Der nüchternen Inszenierung mit ganz sparsamem Musikeinsatz ist es jedoch zu verdanken, dass diese „Venezianische Freundschaft" nie in Kitsch abgleitet.

Die Chinesin Li (Zhao Tao) gehört zu unseren modernen Sklaven und Arbeitsnomaden: Als Näherin arbeitet sie in Rom, haust mit vielen Landsleuten auf engem Raum in Hochbetten. Sie muss angeblich die Kosten für ihre Reise und Aufenthaltsgenehmigung zurück verdienen. Ohne zu erfahren, wie viel das denn überhaupt ist, wird sie mit ihrem kleinen Sohn erpresst, der irgendwann nachgeschickt werden soll. Dann verschickt sie der Vorarbeiter nach Venedig, wo sie trotz schwacher Sprachkenntnisse eine Bar übernehmen soll - Spritz ist dabei ein besonders schwieriges Wort. Erst reiben sich die schrulligen venezianischen Fischer an der eifrigen Chinesin, doch schließlich gewinnt Li ihre Herzen. Besonders das des Poeten Bepi (Rade Serbedzija), einem alten Jugoslawen, der seit dreißig Jahren hier lebt, aber irgendwie immer noch als Zugezogener angesehen wird. Die vorsichtige Beziehung gefällt der Chinesen-Mafia allerdings gar nicht...

Mit enormer Sicherheit in der Inszenierung und einer Bildgestaltung mit sanften, warmen Tönen und melancholischer Poesie (Kamera: Luca Bigazzi) erzählt „Venezianische Freundschaft" leise von einer ungewöhnlichen Begegnung. Passend zu der Verweigerung von Klischees gehört auch, dass ein touristisches Venedig höchstens mal gestreift wird. Und dann auch noch überschwemmt. Doch selbst mit Gummistiefeln und einer Handbreit Wasser im Cafe geht der Alltag weiter. In einer der schönsten Szenen des Films lässt der Fischer dabei ein Tee-Licht auf dem Wasser treiben: Als Ehrerbietung an Chinas ältesten Dichter Qu Yuan und als Mitgefühl für Lis Heimweh. Ihre Briefe an ihren Sohn spiegeln die wahren Empfindungen der meist lächelnden Frau. Zwischen dem Austausch der intensiven, lebendig und glaubhaft gezeichneten Figuren gibt es viele poetische Lebensbetrachtungen und kleine Bemerkungen über die Veränderungen in der Welt, die sich auch bei großen Entfernungen manchmal ähneln.