27.5.06

C.R.A.Z.Y.


Kanada 2005 (C.R.A.Z.Y.) Regie: Jean-Marc Vallée mit Maxime Tremblay, Alex Gravel, Felix-Antoine Despatie, Mariloup Wolfe, Jean-Louis Roux, Francis Ducharme, Helen Gregoire, Johanne Lebrun, Natasha Thompson 127 Min.
 
Wer den Hit "C.R.A.Z.Y." erleben durfte, wird den gleichnamige Ohrwurm von Patsy Cline nicht mehr los. Der lustvoll historische und ebenso emotional wie komische "Familienfilm" ist eine Top-Notierung unter verfilmten Songs und ein ungemein originelles Coming Out des kanadischen Regisseurs Jean-Marc Vallée.
 
Zachary Beaulieu hatte schon früh ein Problem: Nie bekam er zu Weihnachten, was er wirklich wollte. Wünschte er sich einen Kinderwagen, gab es ein Hockey-Spiel. Nun ist man schon geschlagen, wenn man seinen Geburtstag mit einem gewissen Jesus Christus teilen muss. Das Ganze dann noch in einer besonders religiösen franco-kanadischen Familie. Da kann nur ein Wunder helfen. Es kommt auch, hilft aber gar nicht: Als eine hellseherische Bekannte der Mutter, die Tupperware-Lady, erkennt: "Er hat eine Gabe!", steht das Telefon der Familie nicht mehr still. ("Matrix" lässt grüßen!) Bei jedem Schnitt in den Finger, bei jeder Verstauchung, soll Zac nun heilen.
So viele wundersame und höchst amüsante Aufregungen, da gerät fast in den Hintergrund, dass Zacharys Vater und Held Gervais Beaulieu (Michel Côté       ) an diesen hohen Feiertagen regelmäßig Aznavour schmettert. Das nimmt mit, die Familie nervlich, das Kino hell begeistert.
 
Bei alle der Aufregung - von den vier anderen, ebenfalls sehr besonderen Brüdern Christian, Raymond, Antoine und Yvan haben wir noch gar nichts erzählt - wundert es nicht, dass Zac nicht recht mitbekommt, dass er schwul ist. Doch der einst stolze Papa Gervais muss irgendwann miterleben, wie sein Lieblingssohn in Mädchenklamotten den nachgeborenen Bruder Yvan stillen will. Von da an steht eine eisige Eigernordwand zwischen den vormalig dicksten Kumpeln, die immer heimlich zum Pommes essen fuhren. Und Zac selbst will nicht wahrhaben, was sein Vater nicht ertragen kann.
 
Dieses grandiose kanadische "Ma vie en rosa" wäre nur als schwieriges Coming Out zu lang und zu konventionell. Doch Regisseur und Ko-Autor Jean-Marc Vallée gelang eine begeisternde Hitrevue mit schillernden Menschen und einer ernst zu nehmende Rebellion gegen die Religion. Schon die historische Ausstattung in dem Zyklus der Weihnachts- bzw. Geburtstagsfeiern mit dem Besten aus den Sechzigern, den späten Siebzigern und den frühen Achtzigern bietet Hochgenuss, der Humor ist vom Feinsten und lässt nie lange auf sich warten. Und selbstverständlich die Musik, wenn die ersten Buchstaben der Namen der Söhne zum Titel des Lieblingssongs C.R.A.Z.Y. werden, wenn der Regisseur Vallée für die Rechte an Songs wie Bowies "Space Oddity" angeblich auf Teile seines Honorars verzichtete. Emotionaler Tiefgang kommt von alleine, das Religiöse bleibt durchgehend ein spannender Reibungspunkt. Es gibt mehr als genug Gründe, diesen in jeder Hinsicht gelungenen Film unbedingt sehen zu müssen!