3.12.19

Motherless Brooklyn

USA 2019 Regie: Edward Norton, mit Edward Norton, Gugu Mbatha-Raw, Alec Baldwin, Willem Dafoe 145 Min. FSK ab 12

Seit drei Jahren und „Verborgene Schönheit" hat man keinen Film mit Edward Norton mehr gesehen. Und vor allem seit 2000 und „Glauben ist alles!" keinen von ihm. Das ist viel zu lang, wie man nach diesem sowohl filmisch als auch politisch, musikalisch und emotional prallem Meisterwerk „Motherless Brooklyn" sagen muss. Ein klassischer Gangster-Film im New York der 50er reflektiert mit exzellenten Darstellern, Ausstattungen und Kompositionen heutige Politik und das eigenes Genre.

Als sein Freund und Mentor Frank Minna (Bruce Willis) ermordet wird, macht sich Lionel Essrog (Edward Norton) auf, die Mörder zu entdecken. Allerdings herrscht in Lionels Kopf großes Chaos, wie Lionel selbst als Erzähler eine Mischung aus Autismus und Touret erklärt. Unauffällig in dunklen Bars und schwitzigen Jazz-Clubs zu ermitteln, ist nicht einfach, wenn man immer wieder Teile seiner Gedanken unvermittelt als Wortfetzen herausschreit. Vor allem in der Nähe von Frauen hat Lionel nie eine Chance, als typisch cooler Privatdetektiv rüber zu kommen.

Die komplexen Hintergründe um den korrupten und gefährlichen Stadtplaner Moses Randolph (Alec Baldwin), seinen ebenso genialen wie wirren Bruder Paul (Willem Dafoe) und das Geheimnis um die schwarze Bürgerrechtlerin Laura Rose (Gugu Mbatha-Raw) lassen sich hier nicht aufdröseln. Weil „Motherless Brooklyn" überhaupt mit Überfülle verwöhnt: Neben den vielen grandiosen Stars sind auch die Themen ein Füllhorn für interessierte Filmfans. Das wieder aktuelle Thema von Immobilien-Spekulationen und „Bereinigungen" ganzer Stadtviertel entstammt aus Jonathan Lethems Roman „Motherless Brooklyn". Doch als Enkel des legendären Stadtplaners James Rouse, der mit Columbia in Maryland eine ganze Stadt vom Reißbrett her schuf, ist Norton auch persönlich am Thema.

„Wir leben in Zeiten, in denen Dinge als das benannt werden müssen, was sie sind", so lautet einer der irritierend treffenden Sätze zur heutigen Politik von „alternativen Fakten". Es ist genialerweise Alec Baldwin, der größte Trump-Darsteller aller Zeiten, der als Moses Randolph den Missbrauch des Amtes zur persönlichen Bereicherung verkörpert.

Filmisch variiert Norton die klassische Detektiv-Geschichte der „Schwarzen Serie" mit einem touret-fluchenden anstelle des schweigsamen Detektivs. Auch als Regisseur gelingt dem Schauspielstar mit viel Stilwillen Hervorragendes. „Motherless Brooklyn" zeigt wunderbare historische Kostüme und Kulissen sowie einen erlesenen Soundtrack vor allem für die Szenen im Jazz-Club. Thom Yorke schrieb einen Song, Wynton Marsalis spielt seine Improvisation dazu. Lionel/Norton vergleicht das „Chaos" mit der Kreativität eines Jazz-Trompeters. Sich ernsthaft und interessant, packend und bewegend gleichzeitig mit Autismus, Rassismus, Korruption, Ämtermissbrauch und dem Genre des Detektivfilms zu beschäftigen, ohne einen Moment zu langweilen, ist schon große Kunst. Diese so edel und gekonnt rüber zu bringen, ein Meisterstück von Edward Norton.