4.12.19

Die Wache

Frankreich, Belgien 2018 (Au Poste!) Regie: Quentin Dupieux, mit Benoît Poelvoorde, Grégoire Ludig, Marc Fraize, Anaïs Demoustier 73 Min.

Wenn beim knallharten Verhör eine Leiche im Schrank steckt und Kafka im Hinterzimmer, dann ist das der neue Film von Quentin Dupieux, dem Electro-Musiker Mr. Oizo (Flat Beat). Nach Meisterwerken wie „Rubber" über einen amoklaufenden Reifen, kommt nun mit „Die Wache" sein siebter Film als erster auch in deutsche Kinos. Originell, abgedreht witzig und einzigartig mit einem großartig ekligen Benoît Poelvoorde in der Hauptrolle.

In einem Musterbau des Brutalismus mit tiefen Betondecken wird Louis Fugain (Grégoire Ludig) von Hauptkommissar Buron (Benoît Poelvoorde) verhört. Es gab einen Toten, Fugain fand ihn vor seinem Wohnkomplex und muss nun erklären, weshalb ihn seine Nachbarin sieben Mal raus- und reingehen hat sehen. „Ich habe mich noch nie so gelangweilt in einem Verhör", kommentiert der Cop. Doch der freundliche Verdächtige meint, er könne ja schließlich nicht einen Kühlschrank anstelle des Blumentopfes aus dem Fenster fallen lassen.

Dass allerdings eine später hinzugekommene Leiche, die jetzt im Verhörzimmer versteckt ist, völlig unrealistisch und vorwurfsvoll in seinen Rückblenden auftaucht, erzählt Fugain nicht. Bis der Kommissar selbst in einer anderen Rückblende bei Fugain und seiner Frau im Schlafzimmer sitzt. Was keineswegs der Höhepunkt des Abgedrehten ist. Bei Krimis sagt man oft, dass das Ende konstruiert wirkt. Nie traf das mehr zu als bei „Die Wache", nur ist es deswegen genial. Die dekonstruktivistische Krimi-Komödie erscheint anfangs konventionell, wird aber zunehmend kafkaesk und komisch, um schließlich auf unfassbare Weise zu enden.

Dazu ist das Ganze ein großer schräger Spaß. Poelvoorde („Das brandneue Testament", „Nichts zu verzollen", „3 Herzen") gibt wieder das grobschlächtige Ekel. Zwischendurch soll der einäugige Hilfspolizist ein Auge auf den Verdächtigen werfen, was schließlich böse in Auge geht. (Hier gibt es kurz einen Blick auf Dupieux' Splatter-Fähigkeiten.) Das Styling fasziniert mit altem, komplett in Braun- und Beige-Tönen vergilbtes Büro, dazu die passenden, zeitlos langweiligen Klamotten.

Erzählerisch ist „Die Wache" eine äußerst gewagte und raffinierte Konstruktion. Eine, die sonst nur Leuten wie David Lynch oder im Science-Fiction gelingt. Man könnte sagen, dass dies Dupieux' konventionellster Film bislang ist, nach „Rubber", „Wrong" oder „Reality". (Sein Neuester, „Le Daim" mit der wunderbaren Adèle Haenel und Jean Dujardin ist in anderen Ländern bereits zu sehen.) Doch vor allem durch den einzigartigen - und keineswegs konventionellen - Erzählbogen lässt sich „Die Wache" in einer Reihe mit großartigen Meisterwerken wie Kaufmans „Synecdoche, New York" und „Adaption" sowie Lynchs „Lost Highway" sehen.