3.2.09

Glaubensfrage


USA 2008 (Doubt) Regie: John Patrick Shanley mit Meryl Streep, Philip Seymour Hoffman, Amy Adams 104 Min. FSK: ab 6

Wenn ein Film in seiner ersten großen Szene, in einer programmatischen Predigt über Verzweiflung, Einsamkeit und Hoffnung derart mit seinem Thema auftrumpft, es so eindringlich und formvollendet einführt, merkt man sofort, dass es sich um ein besonders sorgfältig und gut gemachtes Werk handelt. Es ist nicht nur Philip Seymour Hoffman, der als Pater Flynn mit enormer Präsenz und eindringlichen Worten direkt die Aufmerksamkeit packt. Aus den hinteren Reihen schiebt sich eine in hoch geschlossener Kleidung und Häubchen gewandete Strenge nach vorne, die mit der Milde des Paters aneinander geraten wird. Schwester Aloysius (Meryl Streep), Leiterin der katholischen Schule, wird sich als erbitterte Gegnerin des sanften Kirchenmannes erweisen. Doch auf faszinierende Weise ist diese „Glaubensfrage“ in jeder Faser ambivalent.

Die Rollen scheinen klar: Schwester Aloysius, Drache genannt, führt mit harter Hand und noch härterer Mimik ein strenges Regime. Selbst die Schwestern, die als Lehrerinnen arbeiten, erzittern vor ihr, während ausgelassene Fröhlichkeit bei den Priestern herrscht. Zeichen des guten Herzens kann man selbst durch die dicken Brillengläser der Schwester kaum erkennen. Radio mit Knopf im Ohr - wir zeigen das Jahr 1964 - sind bei ihr ebenso verboten wie Kugelschreiber, weil sie diese die Handfertigkeit versauen. Die junge Schwester James weist Aloysius eindringlich an, besonders gut auf „Verfehlungen“ zu achten. Das naive Wesen meint dann auch eine besondere Zuneigung von Pater Flynt zu einem Schüler zu bemerken. Der ist ausgerechnet der erste und einzige Schwarze an dieser Schule.

Ist es nur ein Verdacht, ist es ein Vorwurf, der wie das Gerücht viel Schaden anrichten wird? Der Film lässt offen, ob dieser ungemein sympathische und kompetente Pädagoge Flynt sich an Schülern vergreift. Es ist eine „Glaubensfrage“ und es ist unglaublich, mit welcher Vehemenz Schwester Aloysius ihren Glauben verteidigt. Grandios spielen Meryl Streep und Philip Seymour Hoffman den Machtkampf im Büro der Schulleitung aus: Wer sitzt wo, wen blendet das Licht? Hasst sie ihn, weil er drei Stücke Zucker nimmt, säkulare Weihnachtslieder mag und Spaß am Leben hat? Auch diese komprimierte (und auch komische) Szene ist wie der ganze Film komplex und sehr mehrdeutig. Während draußen ein Unwetter aufzieht, bleibt Aloysius auf ihrem Kurs, ganz so, wie es das Gleichnis vom Schiffbrüchigen in der anfänglichen Predigt erzählte.

Als Schiffbrüchigen sah man Tom Hanks in dem völlig unterschätzten Debüt "Joe gegen den Vulkan" von John Patrick Shanley. Erst nach 18 Jahren führte Shanley jetzt wieder Regie, bei der Verfilmung seines eigenen preisgekrönten Theaterstücks. Ob es an der langen Vorbereitungszeit lag? Jedenfalls stimmt bei dieser „Glaubensfrage“ alles, da passt jedes Wort der geschliffenen Dialoge, da sitzt jede Geste, da ist nicht nur alles miteinander verbunden, da ist auch alles rund. Bis zum überraschenden Geständnis am Ende, das nahtlos an den Anfang anschließt.