5.2.09

Berlinale Eröffnung The International

Tom Tykwer macht einen zu engagierten Bond

Berlin. Nein, auch bei dieser Berlinale kosten die Karten noch keine Millionen, Schlange stand man hier schon immer für die Tickets und Schwarzhandel lohnt sich auch nur für ein paar Galavorstellungen mit vielen Promis. Volkswagen fuhr die Gäste auch gestern abend luxurikös zum Roten Teppich und das Logo des Konzerns dekoriert alles bei  diesem Filmfestival.Doch die Sucht, eine große Krise herbei zu schreiben, hat selbst die Vorberichte zur Berlinale fest im Griff. Und Tom Tykwers Berlinale-Eröffnungsfilm „The International" liefert den Kassandra-Fans eine Steilvorlage. Dreht es sich in dem Politthriller doch immerhin um die üblen Machenschaften der Banken. Perfektes Timing und erstaunlich prophetisch? Nein, bei diesem recht verkopften Politthriller ist die Bank zwar auch „bad", sprich böse, aber die Kreditkrise wäre hier eine Folge eines misslungenen Waffenhandels.

Ein Politthriller ist für den aus Wuppertal stammenden Tom Tyker, der mit „Winterschläfer" national durchbrach, mit „Lola rennt" weltweit für Rummel sorgte und mit „Das Parfum" im Mainstream landete, etwas Neues. Und auch wieder nicht, denn der Krieger Benno Fürmann war in „Der Krieger und die Kaiserin" auch sehr politisch aktiv. Und wenn jetzt mit enormem Aufwand - sechs Wochen Drehzeit in extra nachgebauter Kulisse - das New Yorker Guggenheim Museum Schauplatz einer spektakulären Schießerei wird, sollte man sich erinnern, dass „Lola rennt" pures Action-Kino war. Und Tykwer ist sich seines Handwerk so sicher, dass er sogar Michael Bay an den Karren fährt, einen ausgewiesenen Action-Regisseur aus Hollywood, der mit Erfolgen wie „Con Air", „The Rock" oder „Pearl Harbor" eine echte Gelddruckmaschine auf diesem Gebiet ist.

 

Aber diese filmische Bewerbung für den nächsten Bond fällt zwischen die Stühle. Nach einer optisch spektakulären Hetze durch die Städte der Finanzwelt, nachdem ein ramponierte Clive Owen versucht, das Recht in die eigene Hand zu nehmen, wünscht man sich einen richtigen Tykwer-Film und nicht einen Banken-Bond. Owen ist der internationale Fahnder Louis Salinger, der einer internationalen Bank auf den Fersen ist, die jeden, der ihr zu nahe kommt, umbringt. So pflastern Leichen Salingers Weg, bis er mit Oberst Wexler den Geheimdienst-Chef der global kriminellen Bank erwischt. Armin Mueller-Stahl macht in dieser Rolle das Verhör zu einem philosophischen Diskurs über die prinzipielle Möglichkeit der Menschen, sich zwischen zwei Wegen zu entscheiden.

 

Es stecken viele Ideen in diesem Thriller, einige großartige Momente, Clive Owen macht seinen Job gut, die Action-Szene im Guggenheim ist genial. Doch hier ist in den deutschen Videoprojektionen, in einer raffinierten Spirale der Gewalt am deutlichsten Filmkunst zu erleben. So wie Salinger am Ende desillusioniert über den Dächern von Istanbul steht, weil er letztendlich nur eine Kugel im Spiel der Waffenkonzerne war, bleibt auch der Zuschauer zwischen den Kinostühlen von Genre- und Autorenkino unbefriedigt zurück.

 

Konsequent gut und mit eigene Handschrift eröffnete Sebastian Schipper („Absolute Giganten") mit der ersten Sensation des Festivals die innovative Sektion „Forum": Sein „Mitte Ende August" ist eine moderne Variante von Goethes Wahlverwandtschaften, wie beiläufig aus der Hand gefilmt und doch ungeheuer präzise und mitreißend in einen See der Gefühle. Marie Bäumer und Milan Peschel spielen ein Paar, das sich ins Sommerhaus am See zurückzieht, deren Chemie aber durch zwei weitere Gäste durcheinander gerät.

 

Schon heute Abend gibt es direkt nach „The International" eine neue Geschichte vom transatlantischen Filmemachen: Bernhard Schlinks Roman „Der Vorleser" wurde mit Kate Winslet in einer amerikanisch Ko-finanzierten Verfilmung des Briten Stephen Daldry eben diesem zu schnell fertig geschnitten, um gerade noch für die Oscars ins Rennen zu gehen. Heraus kam trotz allem, aber vor allem mit allen Talenten eine auch im Film packende Geschichte von großer und kleiner Scham, die sicher für viel Aufregung in Berlin sorgen wird. Nicht nur wegen Kate auf dem Roten Teppich.