25.8.20

Tenet


USA, Großbritannien 2020 Regie: Christopher Nolan, mit John David Washington, Robert Pattinson, Elizabeth Debicki, Kenneth Branagh 150 Min. FSK ab 12

„Schnitzeljagd in Raum und Zeit", so könnte man das neue Agenten- und Action-Spektakel von Christopher Nolan („Memento", „Inception") auch nennen. Doch das Palindrom „Tenet" hört sich schon besser an. Und wenn es bei dieser ersten Großproduktion nach dem Corona-Ausbruch nicht nur um die Zukunft der Menschheit, sondern auch des Kinos geht, wollen schließlich alle mitmachen.

„Tenet", dieses langerwartete Auferstehen des lauten Actionkinos vom gefeierten „Memento"-, „Dark Knight"- und „Inception"-Regisseur Christopher Nolan, ist sein „Bond": Von der grandiosen Eröffnung eines geheimnisvollen Anschlags auf ein voll besetztes Opernhaus über die vielen reizvollen Schauplätze (Tallin, Amalfi-Küste, Oslo, Mumbai, Dänemark und Kalifornien) bis zu endlosen Actionszenen. In die Bewerbung für die britische Agenten-Reihe mit John David Washington als namenloser „Protagonist" schleicht sich allerdings schon früh eine Irritation. Für Sekunden bröckelt der Putz im Opernhaus entgegengesetzt zur Gravitation. Aber es dauert fast eine Stunde mit reichlich Erklärungen und kleinen Kunststückchen, bis der besondere Agent erfährt, dass immer mehr Gegenstände aus der Zukunft auftauchen, die sich in der Zeit rückwärts bewegen.

Inversion, Umkehrung, wird das Phänomen genannt, und ist Teil eines Angriffs der Zukunft auf die Gegenwart. Die Kugel, die vom Tisch in die Hand hochfliegt, ist das eine. Die Kugel, die aus der Wand zurück in den Revolver knallt, schon spektakulärer. Dass schließlich Autos und auch Menschen sich entgegengesetzt zur Einbahnstraße des Zeitverlaufs bewegen, Einschusslöcher von einem Überfall erzählen, der gleich erst stattfinden wird, dann immer noch nicht der Höhepunkt für Christopher Nolan. Erst muss sich der Protagonist selbst auf beiden Zeitschienen bewegen, bevor das Gegeneinander von Gegenwart und Zukunft, von Vor und Zurück, in weiteren Action-Szenen hochkomplex ausgefochten werden kann.

Die unmöglichen Grafiken von M. C. Escher, in denen ein Mann gleichzeitig eine Treppe auf und abwärts geht, sollen Vorbild für Nolan gewesen sein, und dazu passt es, dass auch der Kameramann Hoyte van Hoytema ein Niederländer ist. Wer hier schon verständnismäßig die Segel streicht, dem kommt der Film früh entgegen: „Don't try to understand it, feel it"! Versuche nicht, es zu verstehen; fühle es, meint eine Technikerin. Was bei der plotmäßig sehr simplen Schnitzeljagd, die immer zu enorm aufwändigem Überwältigungs-Spektakeln führt, kein Problem ist. Die bei Nolans Filmen üblichen Doktorarbeiten kommen später mit Erklärungen. „Tenet" beeindruckt zumindest so sehr, dass man nach dem Kino eine Weile verstärkt auf rückwärtsfahrende Autos achtet. Aber, so angenehm es im Hirn kitzelt, wenn das große Finale nur zur Lösung kommt, weil die gegeneinander laufenden Zeitebenen raffinierte Überraschungen erzeugen - das ist halt Grundstoff für Zeitreisen-Geschichten. Vielleicht noch nie so teuer inszeniert, aber im Prinzip das gleiche, alte „Wer-hat-an-der-Uhr-gedreht".

Da war Nolan mit seinem ersten sensationellen Erfolg „Memento", bei dem es Szene für Szene zurück in die Zeit und die Erinnerung ging, tatsächlich innovativer. Kompliziert wie die Verschachtelung von gleich drei Traumebenen in „Inception" war sicherlich der teure Dreh. Ein reizvolles Spiel mit Zeit, wie die drei unterschiedlichen Erzählgeschwindigkeiten in „Dunkirk", ganz bestimmt. Zwar bietet „Tenet" nicht nur filmische Geisterfahrerei. Aber das macht diesen Action-Thriller, der „Tenet" immer noch ist, trotz Liebesgeschichte des Protagonisten von John David Washington („BlackKklansman", Sohn von Denzel) zur sehr großen Frau (Elizabeth Debicki) des sehr bösen Schurken (Kenneth Branagh), nicht zu einem enorm packenden Film, bei dem man sich die Fingernägel abkaut.

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Nicht in, aber bei „Tenet" geht auch um die Zukunft des Kinos: Wochenlang starteten keine publikumsträchtigen US-Filme, weil die Kinos weltweit nur teilweise oder gar nicht öffnen können. Nolans Film sollte erst am 17. Juli weltweit starten, wurde aber nochmals verschoben. Jetzt wagt der Filmproduzent- und Verleiher Warner das Experiment in Europa. Für die USA ist der Start am 3. September ungekündigt, dort „wo die Kinos offen sind". Während Disney sich mit „Mulan" (Start 3. September) auf das Heimkino zurückzieht, trifft Warner eine mutige Entscheidung,