3.8.20

Giraffe


Dänemark, BRD 2019 Regie: Anna Sofie Hartmann, mit Lisa Loven Kongsli, Maren Eggert, Jakub Gierszal 87 Min.

Die umstrittene Tunnelverbindung von Dänemark nach Deutschland vertreibt mit ihren neuen Autobahnen Menschen aus angestammter Heimat. Deshalb protokoliert die Ethnologin Dara (Lisa Loven Kongsli) auf der Insel Lolland, was bald verloren sein wird: Sie führt Interviews mit Menschen, die für den Tunnel weichen müssen, fotografiert alte Bauernhöfe und forscht den Menschen nach, die hier einst lebten. Während Dara das Tagebuch einer halbwegs bekannten Forscherin liest, beginnt sie eine Affäre mit einem jüngeren polnischen Bauarbeiter, der die Autobahn vorbereitet.

„Giraffe" macht in einer ungewöhnlichen und reizvollen Form genau das, was Aufgabe seiner Hauptfigur Dara ist: Aus losen Bruchstücken entsteht eine Archäologie des Lebens. Es gibt dokumentarische Interviews mit echten polnischen Arbeitern. Es bieten sich Verbindungen an, ohne dass sie in filmischen Großbuchstaben aufgezwungen werden. Sind da nicht Parallelen zwischen Daras Leben und dem der Tagebuch-Figur aus der Vergangenheit? Was ist das für eine Beziehung zwischen der 38-Jährigen, die erhalten will, und dem 24-jährigen Bauarbeiter, der Trassen für eine umstrittene Zukunft legt? Was ist Dara überhaupt für ein Mensch? „Giraffe" legt kein Psychogramm an, zeigt einfach. Das ist wie „Berliner Schule" aus Dänemark. Anna Sofie Hartmann studierte auch an der Berliner DFFB, produziert wurde „Giraffe" von „Komplizen Film", die mit „Western" (Valeska Grisebach), „Toni Erdmann" (Maren Ade) oder „Schlafkrankheit" (Ulrich Köhler) Zustände ähnlich unbestimmt beschrieben. Dabei halten eine sehr gute Kamera (Jenny Lou Ziegel) und die schön lebendige Mimik von Hauptdarstellerin Lisa Loven Kongsli („Höhere Gewalt", „Wonder Woman") das Interesse auch bei scheinbarer Ereignislosigkeit hoch. Eine bemerkenswerte, dann doch sentimentale Kontemplation über Orte und Erinnerungen.