21.3.12

Wer weiß, wohin?

Frankreich, Libanon 2011 (Et maintenant, on va où?) Regie: Nadine Labaki Claude Baz Moussawbaa, Layla Hakim, Nadine Labaki 102 Min. FSK ab 12

In einem staubigen arabischen Dorf nimmt der Trauermarsch alter und junger Frauen in Schwarz das Schlagen auf die Brust zum Rhythmus eines klagenden Tanzes auf. Mit dieser fantastischen Szene beginnt Nadine Labaki, Regisseurin der libanesischen Frauen-Frisörsalon-Komödie „Caramel", ihre märchenhafte Geschichte über das Entstehen von Glaubenskonflikten, die in witzigen, fast surrealen Szenen einige Weisheit entwickelt. Der neu installierte, alte Fernseher bringt die Idee des Glaubenskrieges in die Gemeinschaft, die im Libanon angesiedelt ist, und auch mal Ähnlichkeiten zur den Figuren von „Asterix" aufweist. Wir befinden uns auf (historisch) gefährlichem Terrain, über eine Schlucht führt ein schmaler Grat zu Dorf, vermint mit Warnschildern, als die Jugendlichen auf den Hügeln Satelliten-Empfang suchen. Beim Rauskramen des verstaubten Fernsehers fällt die heilige Jungfrau zu Boden - ein Vorzeichen? Denn die Leichtigkeit der Geschichte mit schönem (im arabischen Original belassenen) Liebesduett eines jungen Paars endet jäh sobald Unruhen in der Hauptstadt verlauten. Schon das Radio meldet Verletzte, wird aber sabotiert, bevor die Männer etwas mitbekommen. Als die nur für Handwerk und Leidenschaft geeigneten Männer sich aufstacheln lassen, versuchen die Frauen listig das Testosteron der Gatten zu bremsen. Die Frau des Bürgermeisters spricht mit der heiligen Maria, nachdem Ziegen die Kirche verwüstet haben und Blut im Weihwasser war. Doch dies und auch die Table-Dancer aus der Ukraine fruchtet nicht. Die ultima ratio ist eine radikale Maßnahme, die Religion herrlich weiblich in Frage stellt: Die arabischen Töchter Lysistratas wechseln den Glauben, der Christ beziehungsweise Muslim muss erkennen, dass die andere Seite gar nicht anders ist. Bis zum letzten Satz und falsch übersetztem Filmtitel: „Und jetzt, wohin?" gelingt Nadine Labaki (selbst als leidenschaftliche Café-Chefin Amale im Film) mit tollen Darstellern eine Mischung aus Leichtigkeit und Lamento über bescheuerte, doch trotzdem mörderische Konflikte, die wir den Religionen zu verdanken haben.