5.3.12

Die vierte Macht

BRD 2011 Regie: Dennis Gansel mit Moritz Bleibtreu, Kasia Smutniak, Max Riemelt 115 Min. FSK ab 12

Dennis Gansel ist ein politischer Regisseur mit Tendenz zu Verschwörungstheorien, das ist nach Filmen wie „Die Welle" (2007), „Napola" (2004) oder „Das Phantom" (2000) klar und erfreulich. („Frauen-Filme" wie „Mädchen, Mädchen" oder „Wir sind die Nacht" mal außen vor gelassen.) Vor was will Gansel diesmal warnen? Die Fakten: Im Dezember 1994 überfällt Russland brutal das seit drei Jahren unabhängige Tschetschenien. Die für ihren Widerstand berüchtigten tschetschenischen Kämpfer reagierten auf den staatlichen Massenmord auch mit Anschlägen im Heimatland des Aggressors, in Russland. Diese echten oder vom eigenen Geheimdienst inszenierten Attentate nutzte wiederum die politische Führung Moskaus, um die eigene Bevölkerung mit Angst enger an die undemokratischen Herrscher zu binden. Das bewies Putin ganz aktuell mit einem Quasi-Trailer zum Film, indem er einen „versuchten tschetschenischen Anschlag", der Wochen zurücklag, kurz vor der Präsidentenwahl veröffentlichte. Mit Bildern von den brennenden Twin Towers soll zudem suggeriert werden, auch dieser Anschlag könnte von (us-amerikanischen) Geheimdiensten inszeniert sein. So weit, so löblich, aber auch so bekannt aus dem Politikteil der Zeitung oder aus Verschwörungs-Foren im Internet. Ebenfalls ist bekannt, dass Journalisten in Russland einfach und ohne juristische Verfolgung auf der Straße umgebracht werden können.

Insofern erzählt Gansel in „Die vierte Macht" nichts Neues. Politthriller haben jedoch schon hanebüchenere Hintergründe gehabt, die bei einer spannenden Inszenierung nicht direkt auffallen. Doch hier hakt es gewaltig. Dass ein deutscher Society-Journalist, der nicht Russisch spricht, einen Job in Moskau bekommt, nachdem er ein Interview gefälscht hat, ist albern. Moritz Bleibtreu gibt diesen typischen Entwicklungshelfer Paul Jensen - keine Ahnung, aber viel Ignoranz. So feiert Paul zuerst intensiv, um dann den alten, verdienten TV-Journalisten, der vor seinen Augen erschossen wird, mit einem kleinen Nachruf in seinen Klatschspalten zu ehren. Das löst heftige Reaktionen des Geheimdienstes aus, eine U-Bahn-Station fliegt in die Luft, Pauls neue russische Freundin Katja (Kasia Smutniak) wird verdächtigt und der Deutsche landet aufgrund konstruierter Vorwürfe in einer völlig überfüllten Zelle eines Geheimdienstknastes. Hier, in „Klein-Tschetschenien", auf einem Stück Pappe direkt neben dem Scheißloch, hat „Die vierte Macht" beim Zusammentreffen mit ebenso stolzen wie mörderischen tschetschenischen Widerstandskämpfern einen seiner besseren Momente. Das Spiel der Herren überzeugt, man nimmt die Sache ernst. Später, wieder in Freiheit und auf der Flucht, holpert die Handlung arg, die Lichtverhältnisse wechseln sprunghaft von kaltem Blau zu relativ normal, eine Zigarette tauchte schon vorher wie von Zauberhand in der Szene auf. War hier eine internationale Produktion überfordert? Auch die englischen Mundbewegungen zu deutschen Synchronstimmen sind vor allem grauslig und schmälern die Glaubwürdigkeit.

Schade, denn das Thema Staatsterror in Tschetschenien und in Folge der Verlust von Freiheit und Bürgerrechten auch in Russland, wären einen guten und klugen Film wert. Aber so steht alles besser in der Zeitung. Und wieso startet der Film eigentlich erst fünf Tage nach der Präsidentenwahl? Das ist wieder was für Verschwörungs-Theoretiker...