Großbritannien, USA 2011 (The Pirates! Band of Misfits) Regie: Peter Lord 88 Min. FSK: o.A.
Johnny Depp als Knetfigur? Mitnichten! So was kommt uns nur ins Flaschenschiff. Diese Piraten aus der berühmten Aardman-Werft sind noch verrückter als die Kollegen aus der Karibik. Sie können rückwärts einparken mit dem Schiff und haben Kanonen mit Münzeinwurf. Klar, denn Strippenzieher der animierten Knethelden der sieben oder so Weltmeere ist Peter Lord, der schon mit „Arthur Weihnachtsmann", „Hennen rennen" sowie „Wallace & Gromit" begeisterte.
Die Wahl zum Piraten des Jahres steht an und die schillernde Konkurrenz trägt ganz dick auf, parkt teilweise mit dem Wal direkt vor der Spelunke. Die Mannschaft des Piraten Kapitän genannten Piraten-Kapitän ist dagegen ein peinlicher Haufen. Gerade mal 12 Dublonen und ein gratis Kuli werden auf seinem Steckbrief geboten. Doch obwohl ihr Anführer laut verlacht wird, steht seine treue, aufmunternde Truppe zu ihm. Vor allem Nummer Zwei ist auch ein wenig Psychiater, eigentlich sieht das verdammt nach betreutem Piraterien aus, was die so treiben. Zur Crew gehören außerdem ein Fisch mit Piratenhut, ein „überraschend kurvenreicher Pirat" mit verdächtig hoher Stimme und vor allem der Papagei Polly, der - obwohl faul und dämlich - zum Star des Films wird. Man hätte ihn auch „Die Piraten und das Geheimnis des Dodo" nennen können.
Nur der gemeinsame Schinken-Abend erheitert noch die erfolglose Truppe, denn die Seeräuberei bleibt eine lange Flaute. Bis Piraten Kapitän nach zahllosen vergeblichen und umwerfend komischen Enterversuchen auf Darwins Beagle trifft. Der erkennt kurz bevor er über die Planke geht, dass Polly kein Papagei, sondern der wohl letzte lebende Dodo der Welt ist. Nun will Piraten Kapitän unbedingt zur Royal Society in London, weil er bei „nicht mit Gold aufzuwiegen" nur Gold verstanden hat. Erst als Pfadfinderinnen und dann als verrückte Wissenschaftler verkleidet, ziehen sie in die Höhle des Löwen. Denn Königin Victoria hasst Piraten und ist auch sonst ein Biest, mit dem nicht zu scherzen ist. Die erste Gefahr droht allerdings von Darwins zum Hausdiener beförderten Affen, der irgendwie aussieht, als seien sie miteinander verwandt. Das führt zu einer famosen Action-Verfolgungsjagd mit Badewanne und einem Kopf von der Osterinsel im Treppenhaus-Labyrinth.
„Die Piraten" präsentieren nicht nur ein See-Bombardement komischer Ideen, der ganze Familien-Spaß begeistert auch mit seiner Detailverliebtheit bis in die kleinsten Ritzen der hintersten Planken. Da ist das Spiel mit alten See-Karten, wobei die roten Punkte, die Käpitäns Strecke markieren, eigenhändig von der Crew ausgeworfen werden. Auch das Seemonster, laut Darwin nur zur Dekoration eingezeichnet, wiederholt seinen großen Auftritt aus dem Trailer. Der Ausflug nach London bietet nicht nur Königin Victoria auf einem Pony, in einer Seemanns-Spelunke treffen sich Jane Austen und der Elefantenmensch. Historisch nicht ganz korrekt, aber ansonsten ein nettes Paar. Was ausbleibt, ist das erwartete Zitatfestival etwa mit dem Tauchgang des „Roten Korsar" Lancaster.
„Die Piraten" - und das ist neu bei Aardman - können aber jetzt auch ganz groß, etwa wenn
Königin Victoria 1 an einem titanischen Schaum-Berg aus Backpulver und Essig zerschellt. Da ist der Spaß-Film auch für einen Moment politisch, wenn die rücksichtslosen Weltherrscher ganz im Sinne von Occupy und Anonymus einen Haufen Torten ins Gesicht bekommen. Nur der dick ausgelegte Musikteppich (Theodore Shapiro) nervt öfters, erst hier wünscht man sich die technisch bedingte Reduktion alter Episoden von „Wallace & Gromit" zurück. Ob 3D für die Aardman-Filme mit ihrem ganz speziellen Humor ein Gewinn ist, bleibt fraglich. Auf die Piraten-Fahne mit den herausspringenden Augen kann man gerne verzichten. Auf den tollen Film sollte man auf keinen Fall verzichten.