USA 2012 (The Hunger Games) Regie: Gary Ross mit Jennifer Lawrence, Josh Hutcherson, Liam Hemsworth, Woody Harrelson, Elizabeth Banks, Lenny Kravitz, Stanley Tucci, Donald Sutherland 142 Min.
Wissen diese Marketing-Menschen eigentlich nicht, dass man all diese „Bestseller" auch mal einfach „Buch" nennen kann? Nun gut, der letzte Teil der Trilogie „Die Tribute von Panem", „Flammender Zorn" von Suzanne Collins, stand im Januar 2011 drei Wochen auf Platz 1 der Bestsellerliste eines deutschen Magazins. Doch von da ist es weit zu „Harry Potter" oder „Herr der Ringe", und zu solch einem Erfolg soll der düstere Jugendbuch-Stoff „Panem" künstlich aufgeblasen werden.
„Die Tribute von Panem" drehen sich um die zukünftigen USA, in denen das mächtige Kapitol zwölf Distrikte unterdrückt. Der Name des Landes Panem leitet sich ab von „panem et circenses" (Brot und Spiele), hierin liegt auch das Herrschaftsprinzip, an dem selbst der Schlächter Stalin Spaß gehabt hätte: Die zwölf kolonial ausgebeuteten Distrikte müssen jedes Jahr jeweils einen Jungen und ein Mädchen abliefern, die sich mit anderen Opfern in modernen Gladiatoren-Kämpfen bei einer Live-Übertragung gegenseitig abschlachten. Dieses Jahr meldet sich die rebellische 16-jährige Katniss Everdeen (Jennifer Lawrence) freiwillig, um ihre kleine Schwester zu retten.
Schon bei der Fahrt im futuristischen Schwebe-Zug zum Kapitol wird klar, dass es im Kampf der 24 Tribute nicht um Waffenbeherrschung geht, darin wäre die Halbwaise Katniss, die ihre Familie mit Wilderei ernährt, recht erfahren. Das ganze Spektakel in der absurd reichen Hauptstadt funktioniert auch nach den Regeln des Show-Geschäfts. So sorgt ein Team aus dem ehemaligen Sieger und heutigem Alkoholiker Haymitch Abernathy (Woody Harrelson), schrillen Kosmetikern sowie dem Stylisten Cinna (Lenny Kravitz) für einen flammenden Einzug der zwei Gladiatoren aus dem Kohle-Distrikt. Katniss und Peeta (Josh Hutcherson), der effektvoll seine heimliche Liebe zur Mitkämpferin enthüllt, starten als Underdogs, können aber letztendlich die „Hunger Games" sogar zu zweit gewinnen. Eine Regeländerung sorgte in der menschenverachtenden Vergnügung zuerst für bessere Quoten, dann stellte sich Katniss klug gegen die Regeln und zieht sich für zwei Fortsetzungen den Zorn des Präsidenten Snow (Donald Sutherland) zu.
Abtrünnige Teilstaaten kennen die USA zu genüge, so sieht es in der allerletzten der zwölf, vor mehr als 70 Jahren besiegten konföderierten Destrikte aus wie hinter der Hütte eines Südstaaten-Slums. „Panem" selbst spannt sich stilistisch von grauer Armut und Naturidyll über Anleihen beim Faschismus bis hin zur bunten Pop-Welt von „Das fünfte Element". Inhaltlich ist die düstere Polit-Fabel für Jugendliche eine Mischung aus Casting-Shows, dem Spiel mit Medien-Welten - siehe „Truman Show" - sowie zynischen Menschen-Jagden, die immer wieder Thema von Filmen werden.
(Hier könnte man mitdenken, dass auch wir gerade einem Spektakel zuschauen, bei dem ja mal der eine oder andere Schauspieler (2010: Frank Giering, 2011: Maria Kwiatkowsky...) ums Leben kommt. Doch bestimmt waren es „die Drogen" tödlich und nicht unsere Aufmerksamkeit, genannt Ruhm.)
In Sachen dystopischer Menschenjagd hat „Panem" nicht den Trash-Charakter von „Running Man" nach Stephen King, nicht das Gegenwärtige von Wolfgang Menges' „Das Millionenspiel". Die Verfilmung von Regisseur und Ko-Autor Gary Ross, der sich vor allem mit „Pleasantville" qualifiziert hat, ist in den komplexeren Momenten „Truman Show 2 - jetzt mit Action". Dicht erzählt, gut gespielt und trotz der Lauflänge von fast zweieinhalb Stunden ohne Längen.
Jennifer Lawrence kennt sich bereits aus mit erbärmlichen Umständen im zwölften Distrikt: Schon bei ihrer Rolle in „Winter's Bone" sah es fast genau so aus, nur damals musste sie ganz alleine mit ganz realen Problemen wie Hypotheken, Armut und Hunger fertig werden. So spielte sie eindrucksvoller. Gut besetzt sind auch die Rollen von Woody Harrelson („Natural Born Killers") als zynischem Mentor, der an etwas zerbrach, was sich erst im zweiten Buch zeigt, und Stanley Tucci („Der Teufel trägt Prada") als überkandidelter Moderator Caesar Flickerman.
Etwas weniger reizvoll wird es ausgerechnet, als „Panem" aufhört, auch Futter für die Gedanken* zu sein und sich auf die spannende, aber unspektakuläre Jagd konzentriert. Doch bei diesen Großprojekten für die Groß-Verdiener unter den großen Produzenten kann man schon froh sein, nicht mit digitalen Horden von Orks oder Seelenessern erschlagen zu werden. Da wirkt „Panem" mit Naturmädel und Bogenschützin Katniss sympathisch bodenständig, auch wenn hier „Natur" eine futuristische Kampfarena ist, in der die Kameras selbst in Astlöchern stecken und höllische Hunde einfach aus dem Boden wachsen können. Geschaffen von einer personalintensiven Schaltzentrale, in der nicht nur die weiße Kleidung den Himmel auf Informatiker-Niveau runterrechnet. Präsident Snow ist dort Gott und letztendlich auch der Regisseur dieser zynischen TV-Show.
„Panem" wurde wie die Vorlage als Trilogie angelegt, hoffentlich infiziert sich die Produktion nicht mit dem LUNMGR-UZTAEM-Virus (Lass uns noch mehr Geld rausschlagen und zwei Teile aus einem machen.)
* Man könnte anlässlich der Auswahl der Tribute darüber nachdenken, wofür wir junge Menschen zum Beispiel in Afghanistan opfern. Auch so ein zynisches Spiel. Und dass die Regeln wie in den „Hunger Games" immer zu Lasten der kleinen Mitspieler geändert werden, zeigt der Dauerzustand „Bankenkrise", vormals Demokratie: Dass die Zocker, die besonders viel Zinsen auf ihre Kredite für Griechenland haben wollten, nachdem diese Gewinnmaximierung platzte, nach einer spontanen Regeländerung („Rettungsschirm") doch noch belohnt werden, und zwar mit dem Geld der europäischen Bevölkerungen für Gesundheit, Renten, Kultur oder Bildung, hat den gleichen Zynismus. Aber „man kann ja nichts dagegen machen", sagen zumindest Banker und Politiker, die sich um Gesundheit, Renten, Kultur oder Bildung keine Sorgen machen brauchen. Das Geld anderes Leute halt. Die Rebellion bricht im zweiten Teil von „Panem" aus.