12.9.09

Venedig 2009 Preise

 

Deutsche Produktionen fangen drei Löwen ein

 

Venedig. Krieg und Frieden sind die großen Sieger der 66. Filmfestspiele Venedigs: Das Antikriegs-Drama „Lebanon" erhielt den Goldenen Löwen und Fatih Akins lustvolle Lebensgemeinschaft „Soul Kitchen" den Großen Preis der Jury. Zwei verdiente Gewinner in einem wechselhaften Preisreigen. Alle drei Hauptpreise sind deutsche (Ko-) Produktionen!

 

Schon auf dem Roten Teppich wurde Fatih Akin mit seinen Schauspielern wie zuvor in den Vorstellungen gefeiert. Neben Stars wie Colin Firth, Omar Sharif oder dem Team der deutsch-französischen Produktion „Women without Men", das mit grüner Bekleidung auf die blutig unterdrückten Proteste gegen die iranische Präsidentenwahl hinwies.

 

Jury-Präsident und zweifacher Venedig-Sieger Ang Lee („Brokeback Mountain", „Lust/Caution") entschied sich mit der Jury, der unter anderem

Sandrine Bonnaire, Joe Dante und der russische Regisseur Sergeij Bodrov angehörten, den Goldenen Löwe an den israelischen, deutsch und französisch produzierten Film „Lebanon" zu verleihen. Die durchrüttelnde und erschütternde Panzerfahrt in den Libanon-Krieg des Jahres 1982, rein aus der Perspektive der in Panik befindlichen israelischen Panzer-Besatzung gezeigt, ist ein ungemein starkes Fanal gegen Krieg oder wie auch immer Regierungen das steuerfinanzierte Morden nennen mögen. Die klaustrophobische Atmosphäre erinnert stark an Petersens „Das Boot". Regisseur Samuel Maoz, der seine eigenen Erlebnisse Jahrzehnte verarbeitete und nun verfilmte, widmete den Preis allen, die Krieg überlebt haben und nach Hause kommen konnten.

 

Der zweitwichtigste Preis, der Jurypreis, ging an Fatih Akins Hamburg-Komödie „Soul Kitchen". Ein Film, der von einigen anfangs als „zu leicht" befunden wurde. Aber das weiß man von den großen Komödien-Regisseuren wie Lubitsch und Chaplin, dass es am schwersten ist, etwas so leicht erscheinen zu lassen. Mit den Tagen wuchs die Achtung vor dem Film und der Leistung von Akin und seinem Team. Wenn es einen Publikumspreis gegeben hätte, der Applaus würde „Soul Kitchen" vergolden.

 

Die Beste Regie lieferte nach Meinung der Jury Shirin Neshat mit „Women without Men" ab, ein schöner, poetischer Un-Wohlfühlfilm, der den Beginn der Militärdiktatur unter dem Schah 1953 in vier exemplarischen Frauenschicksalen nacherzählt. Er blieb allerdings weit hinter der Kraft und Aktualität des heutigen iranischen Kinos, vom dem Hana Makhmalbafs Protestfilm „Green Days" zeugte, zurück. Hintergrund solcher schwer nachvollziehbarer Entscheidungen ist das Reglement Venedigs, das nur einen Preis pro Film zulässt. So kann auch die viertbeste Regie belobigt werden, wenn bessere Leistungen bereits Preise in anderen Kategorien erhielten.

 

Einhellige Begeisterung erntete der Brite Colin Firth, der in Tom Fords überragenden, stilistisch und emotional stärksten Film „A single man" einen schwulen Literaturprofessor spielt, der kurz vor dem Freitod an gebrochenem Herzens die Freude am Leben wieder findet. Firth bedankte sich gerührt und ausführlich auf Italienisch: Für das, was ihm das Land gegeben hat. Neben guten Filmen, Essen und Trinken auch eine Frau!

 

Dass die Beste Darstellerin die russische TV-Schauspielerin Ksenia Rappoport aus dem italienischen Film "La doppia ora" von Guiseppe Capotondi sein sollte, rief selbst beim einheimischen Publikum keine Begeisterung hervor. Ein schlechter Witz, wenn man bedenkt, dass Isabelle Huppert und Juliane Moore unberücksichtigt blieben.

 

Gelungene Mostra

Die Filme im Wettbewerb von Venedig interessierten und polarisierten in 2009 besonders stark. War der Sieger „Lebanon" für viele ein heftiger Antikriegs-Film, hörte man auch den Vorwurf der Einseitigkeit. Claire Denis unterlief in „White Material" ästhetisch alle Klischees und Erwartungen an den afrikanischen Konflikt zwischen der weißen Farmerin (Isabell Huppert) und verschiedenen schwarzen Bürgerkriegsparteien. Trotzdem fanden einige den Film kolonialistisch. Für die Qualität der Auswahl spricht, dass mehr als jeder zweite Film als Favorit diskutiert wurde - die vier italienischen Starter einmal ausgenommen, die hier von der Qualität oft unter Niveau mitlaufen. Wenn man demnächst auch viele der Filme im heimischen Kino entdecken kann, war die 66. Mostra wirklich eine gelungene Leistungsschau des internationalen Kinos.

 

Weitere Preise

Das Beste Drehbuch der 66. Mostra verfasste unbestritten Todd Solondz für seine düstere „Happiness"-Fortsetzung „Life during Wartime". Den Technikpreis erhielt der Belgier Jaco Van Dormael für seine komplexe Erinnerungsreise in das Herz von „Mr. Nobody".

 

3D-Hype

Venedig sprang als erstes großes Festival auf die neuerliche 3D-Welle auf, indem es einen Wettbewerb für diese Schau-Filmchen ausrief. Dabei zeigte ausgerechnet Joe Dante, der solide Handwerker und Spezialist für Popcorn-Unterhaltung mit seinem siegreichen, für 3D gedrehten Teenie-Horror „The Hole", dass die dreidimensionalen Effekte dem Film oft im Wege stehen und noch nicht ausgereift der Handlung dienen. Während Festivaldirektor Marco Müller verkündete, dass die Säle in Venedig mit immer besseren digitalen 3D-Projektoren ausgerüstet werden sollen, war das Publikum längst frustriert von sehr vielen technischen Pannen und Verspätungen beim ganz normalen Film. Das Pannenjahr zu Müllers Einführung kam vielen als echte Horror-Erinnerung hoch.