BRD 2009 (Sturm) Regie: Hans-Christian Schmid mit mit Kerry Fox, Anamaria Marinca und Stephen Dillane
Hans-Christian Schmid beweißt erneut, dass er nicht nur ein exzellenter Regisseur mit ganz besonderem Vermögung zur Schauspielführung ist, er kommt auch mit den unterschiedlichsten Genres zurecht. Nachdem er mit der verrückten Jugendgeschichte „Nach Fünf im Urwald" Franka Potente entdeckte, dirigierte er für seine Internatsgeschichte „Crazy" ein ganzes Jugend-Ensemble. „Lichter" war ein soziales Episoden-Stück an der deutsch-polnischen Grenze, wogegen er bei „Requiem" ein Psychodrama mit Anklang an den Horrorfilm meisterte. Nun drehte er einen Politthriller: „Sturm" hat als Hauptfigur die Juristin Hannah Maynard (Kerry Fox), Anklägerin am Kriegsverbrechertribunal für das ehemalige Jugoslawien. Sie schafft es, eine in Berlin lebende Bosnierin (Anamaria Marinca) zu überzeugen, in Den Haag gegen den ehemaligen serbischen Befehlshaber Goran Duric, einen mutmaßlichen serbischen Kriegsverbrecher, auszusagen.
Hannah Maynard muss nicht nur politische Hindernisse überwinden. Zuerst wird sie bei einer Beförderung übergangen, dann erweist sich ihr Hauptzeuge für die Deportationen Durics in einem bosnisch-muslimischen Dorf als Lügner. Nach dem Selbstmord des jungen Bosniers droht der Prozess zu platzen, doch Hannah entdeckt die Schwester des Toten, die selbst durch die Hölle gehen musste, und versucht sie zu einer Aussage zu bewegen.
Nicht nur die Überzeugungsarbeit bei der traumatisierten Zeugin, die schnell brutale Angriffe unbelehrbarer Serben erlebt, spannt Hannah Maynard ein. Von allen Seiten, ja sogar vom Haager Gericht selbst, wird der Weg zur Gerechtigkeit verstellt.
Das intensive Spiel in ist vielen packenden Szenen faszinierend, es macht das Grauen des Jugoslawischen Bürgerkrieges in den Gesichtern und Geschichten der Opfer deutlich, ohne dass es gezeigt werden muss. Ebenso faszinierend ist, wie Schmid das Geflecht von Abhängigkeiten und Interessen um eine mutige Frau herum strickt. Von einem Partner, der nicht zu ihr steht, über den Vorgesetzten, der sie hintergeht, bis zum globalen Niveau der Europäischen Union, die einen Deal einfädelt, und damit grausamste Verbrechen im Tausch für ein noch größeres Europa unter den Teppich kehrt.
In einer Schlüsselszene zeigt Schmid ein Gemälde Vermeers und lässt davon erzählen, wie Maler im Dienste ihrer politischen Herren arbeiten musste. Schmid selbst zeichnet mit Gesichtern, die einem nahe gehen, das Bild einer supranationalen Institution, die für eine bessere Welt absolut notwendig ist, aber deren Funktionieren noch in den Kinderschuhen steckt. Er hätte „die Themenkomplexe Völkerrecht und Balkankriege erarbeitet und dann Figuren entwickelt, welche die Leidenschaft und Integrität der Vorbilder spiegeln, die wir beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag gefunden haben," meinte Schmid zu seinem hochaktuellen und bewegenden „Sturm".