20.9.09

Die Entführung der U-Bahn Pelham 123


USA 2008 (The Taking of Pelham 123) Regie: Tony Scott mit Denzel Washington, John Travolta, John Turturro, James Gandolfini 106 Min. FSK ab 16

Was für eine nette, altmodische Idee: Wir entführen einen U-Bahn-Wagen in New York und fordern ein paar Millionen vom Bürgermeister. Dass man heutzutage im Kino Flugzeuge entführt, mit ungebremsten Bussen durch L.A. rast oder gleich Kreuzfahrtschiffe zu voller Fahrt zwingt, einfach mal beiseite gelassen. Wir nehmen einen Film aus dem Jahre 1974, „Stoppt die Todesfahrt der U-Bahn 123“, Regie Joseph Sargent, Hauptrolle Walter Matthau, sorgen für drahtloses Internet im U-Bahn-Tunnel, erhöhen das Lösegeld, motzen die Bilder auf und besetzen den Geisel-Zug vor allem mit den Stars Denzel Washington und John Travolta.

Es beginnt wie ein normaler Arbeitstag für Geiselnehmer in einem Film von Tony Scott: Da sind hektischer Schnitt, wackelnde Kameras mit Riss-Schwenks und aggressiver Rap direkt inklusive im Millionen-Vertrag. So packte Scott auch in „Déjà vu“ und in „Der Staatsfeind Nr. 1“. „Top Gun“ aus 1985 war da noch antiquarisch und richtig übersichtlich. Zügig wird der Zug Pelham 123 an einem uneinsehbaren Ort im Netz der U-Bahn-Tunnel platziert. Über den Strecken-Funk meldet sich der Gangster-Boss Ryder (John Travolta) bei der Fahrleitung, wo zufällig der strafversetzte Bahnbeamte Walter Garber (Denzel Washington) Dienst tut. Ein guter Mann mit Durchblick, wie vorher etabliert wurde. Doch wie geht er mit dieser extremen Situation um? Garber muss vor allem dran bleiben, da Ryder irgendwas an ihm gefressen hat. Als sich ein eifriger Polizist (John Turturro) dazwischenschalten will, stirbt die erste Geisel. Und in einem ersten Psycho-Duell zeigt sich, was den braven Garber und den Ex-Häftling Ryder verbindet: Schuld.

Entführer und Unterhändler wechseln in einer Art katholischer Beichte immer wieder die Rollen zwischen Büßer und Beichtvater. Garber wurde strafversetzt, weil er bei einem großen Einkauf für die Bahngesellschaft Geld vom Lieferanten angenommen haben soll. Unter Ryders Druck gesteht der Familienvater, er muss gestehen, sonst erschießt der Geiselnehmer weitere Fahrgäste. Der Mann am Drücker will Buße - vom Bürgermeister, ja, gleich von der ganzen Stadt New York, die er nachdrücklich hasst.

So unterbrechen diese Inseln intensiven Schauspiels mit einem brutalen Travolta und einem bedächtigen Washington die unruhige und überbordende Action der Entführungsgeschichte. Die Buchvorlage von John Godey bearbeitete Skript-Spezialist David Koepp zusammen mit Peter Stone zu einem halbwegs anständigen Drehbuch. Heute kommt nicht nur WLAN hinzu, heute gibt es keine klassischen Gangster mehr, es sind alles nur Spekulanten und Börsianer. Vor allem beim letzten Wort- und Schusswechsel jedoch stimmt etwas nicht. Hier wird klar, dass Garber und Ryder nichts vom Stockholm-Syndrom wissen, sie haben keine richtige Beziehung zueinander aufgebaut. Kaum aus dem Tunnel rausgekommen, fallen im Tageslicht die Lücken in der psychologischen Entwicklung auf.