1.4.09

John Rabe


BRD, Frankreich, Volksrepublik China (John Rabe) Regie: Florian Gallenberger mit Ulrich Tukur, Daniel Brühl, Steve Buscemi 134 Min

Dass Oskar Schindler ein „guter Deutscher“ in der Nazi-Zeit war, durfte der Jude Steven Spielberg in seinem epochalen und erschütternden Spielfilm „Schindlers Liste“ zeigen. Das Bild der Retters, den die Gedenkstätte Jad Vashem in Jerusalem als "Gerechten unter den Völkern" aufnahm, blieb ambivalent. Denn dieser Industrielle handelte aus einen Gemisch von Motiven - Menschlichkeit wird mit dabei gewesen sein. Nun kramte man noch weiteren „guten Deutschen“ aus, den Siemens-Ingenieur John Rabe. Während der Belagerung der chinesischen Stadt Nanking im Jahre 1937 rettete der stramme Nazi 200.000 Chinesen - unter dem Zeichen des Hakenkreuzes!

Schon lange leitete John Rabe (Ulrich Tukur) ein Stromwerk in Nanking, mit Pedanterie, Disziplin und dem Glauben, selbst Chinesen könnte man etwas Intelligenz anerziehen. Rabes Abberufung steht kurz bevor. Dass die Japaner bereits einige chinesische Städte brutal erobert haben, hält er für Propaganda. Immerhin sind sie „Achsenmächte“, Alliierte auf dem Wege zur faschistischen Weltherrschaft. Doch bald stehen Truppen vor Nanking und es wird klar, dass auch diese Herrenmenschen in ihrem Rassenwahn Krieg noch unmenschlicher betreiben, als er an sich schon ist.

Ohne wirkliche Begeisterung lässt sich der Weltreisende, Abenteurer und Ingenieur John Rabe zum Leiter einer Schutzstadt wählen. Das internationale Komitee besteht federführend aus dem deutsch-jüdischen Diplomaten Dr. Rosen (Daniel Brühl), einer französischen Schulleiterin und dem britischen Arzt Dr. Wilson (Steve Buscemi), der keinen Hehl daraus macht, wie sehr er die Nazis hasst.

Während der ersten Bombenangriffe lässt Rabe geistesgegenwärtig eine riesige Hakenkreuz-Fahne hissen und sofort lassen die Flieger vom Firmengelände ab. So scharen sich erst die eigenen Arbeiter - ganz wie bei Schindler - und deren Angehörige unter den Schutz des Nationalsozialismus, später drängen sich über 200.000 Menschen in einer erweiterten Schutzzone, die von den Japanern widerwillig akzeptiert wird.

In einigen dramatischen Situationen gilt es immer wieder, Menschen zu retten und die Brutalität der japanischen Herrenmenschen zu erleiden. Die Trennlinie zwischen Gut und Böse ist so scharf wie die Grenze der Schutzzone und so simpel wie Propaganda. Es ist erschreckend, wie wenig kritisch dieser „Held“ geschildert wird. Ulrich Tukur spielt ihn gut, man leidet mit dem trauenden, immer dramatischer zuckerkranken Rabe.

Während die Film-Fachpresse den Kampf um die internationalen Rechte an NS-Vergangenheitsbewältigung diskutiert und sich fragt, ob die „Ausländer“ das auch richtig machen, führt Oscar-Gewinner Florian Gallenberger (für seinen Kurzfilm „Quiero ser“) ernüchternd der Gegenbeweis: Die Geschichte des strammen Nazis John Rabe ist nicht nur dumme Glorifizierung einer zwiespältigen Figur, sie fiel auch viel zu lang und sehr bedenklich aus. Kann man so einen tapferen, nationalistischen Helden zeigen, der rettet, während seine Parteigenossen in Deutschland zur gleichen Zeit mit dem gleichen Eifer, Menschen foltern, morden, verfolgen und in Konzentrationslager stecken? Da helfen auch Alibi-Szenen mit Daniel Brühl als Botschaftsangehörigem mit jüdischer Abstammung nicht: So naiv sollte man auf keinen Fall Geschichte nachschreiben.