22.4.09

C'est la vie - So sind wir, so ist das Leben


Frankreich 2008 (Le premier jour du reste de ta vie) Regie: Rémi Bezançon mit Jacques Gamblin, Zabou Breitman, Déborah François 112 Min. FSK: ab 12

Man muss der Zeit mutig ins Gesicht sehen - eine Minute, einen Tag, ein Leben lang. Im Spiegel und im Film. Mit Fotos, die das Leben einer Familie und seine Vergänglichkeit begleitet wird, beginnt dieser ambivalente Familien-Film. Der französische Taxifahrer Robert Duval (Jacques Gamblin) und seine Frau Marie-Jeanne (Zabou Breitman) haben drei Kinder. Fünf Duval, fünf Durchschnitts-Franzosen, von denen fünf Episoden im Laufe von zwölf Jahren erzählen. Aber über Rückblenden wird immer ein ganzes Leben erzählt, und das in fünf verschiedenen Stilen, deutlich anders für jede Einzelperson.

Im August 1988 zieht der älteste Sohn Albert (Pio Marmaï) aus und in ein kleines Zimmer im Miethaus seines Großvaters. Albert hat genug von der Familie, seine erste Nacht im eigenen „Appartement“ endet direkt mit einem Kuss. Darauf wird eine langjährige Beziehung und schließlich - in einer späteren Episode, die dem Vater gilt - die Erkenntnis von Selbstentfremdung und Leere im eigenen Leben. Fünf Jahre später wird Grunge-Tochter Fleur Duval (Déborah François) 16 Jahre alt und jeder vergisst es. Sie fällt auf die Fassade eines Freundes mit seinem Rock-Gehabe rein und schläft das erste Mal mit ihm. Diesen Moment, der Beginn von viel selbstzerstörerischem Sex, fängt der Film tief treffend in einer poetisch schönen, sehr einsamen und sehr verletzenden Szene ein. Es ist einer dieser handvoll Momente, die den Film unbedingt sehenswert machen.

Schmerz, Verlust und Abschied bleibt Thema auf der berührenden Seite dieses ebenso komischen wie traurigen Films. Die Erinnerungen des Großvaters, seine Zeit in der Ressistance, das Kennenlernen seiner Frau und der Schmerz über deren Tod - das alles steckt für ihn im Geschmack eines Weines. „C'est la vie“, oder: „Der erste Tag vom Rest deines Lebens“, wie der Originaltitel übersetzt lautet, beantwortet dies mit dem Leben des Enkels im Zeitraffer, als Traum, als Albtraum. Diese Episode vom jüngsten Sohn Raphaël (Marc-André Grondin, „Che: Part Two“, „C.R.A.Z.Y.“) ist reichlich wild, passend für den Rocker. Beim Luftgitarren-Wettbewerb sind jedoch vor allem die Grimassen des Vaters preiswürdig. Raphaëls Liebe zur Gitarristin Moira bleibt unerfüllt, auch wenn er sich sechs Jahre später im Traum an die Nummer erinnern kann, die ihm damals entflogen ist.

Freude und Schmerz, Trauer und Neuanfang sind sehr dicht beieinander in die Episoden eingewoben. Die Duvals sind eine sehr chaotische Familie, das Film ist nicht ganz entscheiden, ob es eine Komödie oder eine Tragödie ist - aber damit hat das Leben an sich ja auch so seine Schwierigkeiten. Die Übergänge und Rückblenden gelangen dabei ungemein elegant. Die Zeit, die vergeht, wird auch festgehalten von den Fotoserien der Mutter, die spät noch ein Studium aufnimmt. Immer ist Musik dabei, „C'est la vie“ ist in seinen besten Momenten stark als Film und stark als Musikgeschichte. Da röhrt Janis Joplin ihr „Summertime mitten im Kunstschnee-Winter. The Divine Comedy sucht mit „In Pursuit of Happiness“ mutig melancholisch das Glück mit. Lou Reed besingt „A perfect day“. Es sind sehr passende Songs, irgendwie genau die Songs, die man an den jeweiligen Stellen erwartet. Wie im artverwandten, etwas runder gelungenen kanadischen „C.R.A.Z.Y.“ darf auch David Bowie aufspielen. Und wenn man es skeptisch betrachtet, sind es auch genau die Momente, von denen solche Filme oft erzählen. Ganz knapp gesagt hieße das Klischees. Aber dieses „Leben“ hat auch immer wieder seine ganz grandiosen, umwerfenden und tief berührenden Momente, die man sich in der richtigen Stimmung nicht entgehen lassen sollte.