22.4.09

Unbeugsam ­ Defiance


USA 2008 (Defiance) Regie: Edward Zwick mit Daniel Craig, Liev Schreiber, Jamie Bell, Alexa Davalos, Allan Corduner, Mark Feuerstein 137 Min.

Es ist eine unglaubliche Geschichte, wie drei Brüder es unter der deutschen Besetzung Ostpolens schafften, mit hunderten anderer Juden jahrelang in den Wäldern zu überleben. Der eindringliche und ernsthafte „Defiance“ schafft es, eine Ahnung vom Unfassbaren, vom Unbegreiflichen zu geben.

Es ist keine Geschichte von Schindler, John Rabe oder einem anderen „Retter“. Die der Brüder Bielski ist eine Geschichte, von Juden, die sich selbst gerettet haben. Und eine Antwort auf die ignorante, aber angesichts der Gnadenlosigkeit des Mordens immer wieder auftauchende Frage „Warum haben die sich denn nicht gewehrt?“. Weil zum Beispiel die deutsche Wehrmacht und die folgenden Mordkommandos 1941 unvorstellbar brutal schon in den ersten Tagen der Invasion der Sowjetunion 50.000 Juden ermordet haben. Weil die nicht-jüdischen Polen oft nur zu bereitwillig die Nachbarn ausgeliefert haben. So wurden auch die Eltern der Bielski-Brüder niedergemetzelt. Die Bauern und Schmuggler fliehen in die dichten Wälder rund ums Dorf, die sie wie ihre Westentasche kennen. Bei der Suche nach Nahrung finden sie nur immer mehr verstörte Flüchtlinge, die Grausames erlebt und Angehörige verloren haben. Nun erhalten die ungebildeten Brüder Anerkennung, doch die Konkurrenz zwischen den älteren Tuvia Bielski (Daniel Craig) und Zus (Liev Schreiber) gefährdet auch den Zusammenhalt der Waldbewohner. Als Tuvia schließlich auch in Ghettos gezwungenen Juden anbietet, mit ihnen im Wald zu leben und viele ihm folgen, wechselt der wütende Zus zu den Soldaten der Roten Armee, die als Partisanen in den Wäldern leben und kämpfen. Und die Tradition des Antisemitismus pflegen...

Im Streit zwischen dem ruhigeren, nachdenklicheren Tuvia und dem provokanten, aufbrausenden Zus steckt auch die Frage, wie jeder einzelne mit dem Töten umgeht. Da ist der notwendige Widerstand, der das Gewissen nicht ausschaltet. Auf der anderen Seite sind Gewalt und Rache, die drohen, sich zu verselbständigen. Die Rache am antisemitischen Mörder des Vaters macht sich der Film nicht leicht: Die Frau des lokalen Polizeichefs, die Tuvia als einzige Überlebende ihrer Familie um den Tod anfleht, zeigt, dass das Leid so nicht enden wird. Der Idealist Tuvia raubt Nahrungsmittel von den Bauern der Umgebung, versucht den Mundraub aber gerecht zu organisieren.

Die historischen Details um die realen (vier) Bielski-Brüder sind umstritten, aber was für „Unbeugsam – Defiance“ zählt, sind Eindringlichkeit und Ernsthaftigkeit, mit der Edward Zwick („Blood Diamond“, „Der letzte Samurai“) erzählt. Die Nachrichten von Toten und Massakern, der unerträgliche Hunger, die Kälte sind fühlbar. Dabei erlaubt sich der Film nur ein paar Momente, in denen Heldentum überhöht wird, etwa wenn Tuvia als Ritter auf weißem Pferde auftritt, bei dessen Anblick ein Kind erstaunt fragt, ist er wirklich ein Jude? (Wenn man sich vorstellt, was Tarantino mit seinen „Inglourious Basterds“ in Cannes präsentieren wird, ist man für diesen Rückhalt an Ernsthaftigkeit umso dankbarer!) Der Überlebenskampf ist vor allem von Daniel Craig sehr, sehr eindrucksvoll gespielt. Das Waldleben mit seinen Sonderlichkeiten, mit Wald-Ehefrauen, mit den philosophischen Gesprächen zwischen einem Lehrer und einem Journalisten darf auch mal für Humor sorgen, der jüngste Bruder Asael (Jamie Bell) erlebt eine unschuldige Liebesgeschichte und eine wunderschöne Hochzeit im Schnee, heftig unterschnitten mit Bildern der Gewalt. Während der rettende Wald durch die Bilder von Eduardo Serra eine eigene Rolle erhält, berühren am meisten die geradezu utopischen Szenen der Hoffnung, die abgerissenen Judensterne am Fluchtloch aus dem Getto, die geradezu biblisch gelungene Querung eines Sumpfes. „Unbeugsam – Defiance“ kann wie „Der Zug des Lebens“ eigentlich kein Happy End haben, aber der bewegende Film zeigt vor allem auf seiner gesellschaftspolitischen Ebene eine großartige Vision der Gemeinschaft von Starken und Schwachen.