15.4.09

Drei Affen


Türkei, Frankreich, Italien 2008 (Üç Maymun) Regie: Nuri Bilge Ceylan mit Yavuz Bingöl, Hatice Aslan, Ahmet Rifat Sungar, Ercan Kesal, Cafer Köse 109 Min.

Das Türkische Kino existiert in Deutschland in zwei Welten: Da gibt es zum einen die populären und meist äußerst simplen Kassenschlager, die in Originalversion die Türken in Deutschland begeistern sollen. Und es gibt die Meisterwerke des internationalen Autorenkinos, unter denen in den letzten Jahren der Fotograf und Regisseur Nuri Bilge Ceylan hervorstach. Er erntete bei den wichtigsten Festivals Hauptpreise und begeisterte auch mit einer sehr persönlichen Art des Filmemachens, das immer wieder auch die gesamte Familie mit Ehefrau und Eltern als Schauspieler einschließt. Für die „Drei Affen“ wurde Ceylan bei den Filmfestspielen in Cannes 2008 mit einer Palme als bester Regisseur ausgezeichnet, obwohl viele Stimmen meinten, sein vierter Spielfilm sei der am wenigsten typischen „Cylan“.

Die Geschichte beginnt mit einem kleinen Unglück, legt die Basis eines Thrillers und entwickelt sich zu einer großen moralischen Parabel, zu einem bösen Spiel um den Wert von Recht und Gerechtigkeit: Ein Auto überfährt nachts auf einer Landstraße einen Menschen. Der Fahrer, der Politiker Servet (Ercan Kesal) leitet nun eine ganz besondere Form von Fahrerflucht ein. Er überredet seinen Chauffeur Eyüp (Yavuz Bingöl), die Schuld auf sich zu nehmen. Der schwere, grobe Mann mit den unergründlich tiefen Augen nimmt das Angebot an - oder folgt er der Anweisung? Das Drama nimmt auf jeden Fall seinen Lauf: Während Eyüp eine neunmonatige Haftstrafe im Gefängnis verbüßt, beginnt ausgerechnet Servet ein Verhältnis mit Eyüps Frau Hacer (Hatice Aslan). Deren Sohn Ismail (Ahmet Rifat Sungar) entdeckt die Affäre und verpasst seiner Mutter erst einmal richtig machohaft eine Ohrfeige. Zuvor zeichnete er sich durch die Faulheit eines Pascha und durch eine gut europäische Scheiß-egal-Haltung aus. Als Eyüp aus dem Knast kommt und wieder seine Eherechte einfordert, nimmt das Drama seinen Lauf und es hat noch einige Überraschungen in der Hinterhand.

Nury Bilge Ceylan erzählt seine bodenständig angesiedelte, aber im moralischen äußerst raffinierte Geschichte in vielen Episoden, bei denen man sich selbst ein Bild machen kann. Er selbst findet immer wieder zu enorm starken Bildern: So entdeckt man erst am Ende das Haus der Familie als einsamen Monolith am Meer, eingeschlossen von Gleisen und von der Straße. Nach den ausgezeichneten “Uzak” und “Iklimler” schaffen es die “Drei Affen”, die wie alle Beteiligten des Films nichts hören, sehen, sagen wollen, in einem großen Finale die Geschichte einer kommunikationslosen Familie psychologisch stimmig zusammenzuführen. Dieser stillere
Film wirkt auch mit großartigen Schauspielern, mit Hatice Aslan als türkischer Rossellini und mit Yavuz Bingöl, der einem groben Klotz die Augen von Clooney gibt. Man muss sich fragen, wieviel die Freiheit wert ist in diesem Land. Das patriarchale System funktioniert erst, wenn die Politiker tot sind - so könnte die Moral der Geschichte sein. Aber hat sie überhaupt (eine) Moral?