19.4.09
Kopf oder Zahl
BRD 2009 (Kopf oder Zahl) Regie: Benjamin Eicher und Timo Joh. Mayer mit Ralf Richter, Claude-Oliver Rudolph, Heinz Hoenig, Martin Semmelrogge 94 Min.
Mit der Erzählperspektive einer sorgenden Mutter wird der Krimi um Drogen, Menschenhandel und Prostitution emotional ganz einfach geerdet. Es geht seit der ersten Szene um das Überleben eines 12-jährigen Jungen. Sein Vater kommt nach vielen Jahren aus dem Gefängnis, alte Rechnungen werden nicht korrekt beglichen, ein Drogen-Deal geht schief, der korrupte Polizist Ron (Ralf Richter) versucht sich auf der falschen Spur zu bereichern und der tschetschenische Arzt Milos (Heinz Hoenig) arbeitet in Berlin illegal für das vermeintliche Studium seiner Tochter Valerie (Saskia Valencia), die aber längst drogenabhängig für den gleichen Gangsterboss Richie (Mark Keller), der auch ihn bezahlt, auf den Strich geht.
Eine ganze Menge Drama und Schicksal für die 24 Stunden des Films. Dabei tritt gleich eine Sammlung deutscher Eichenschränke mit Action-Diplom auf, bei denen man eigentlich weiß, was man in die Fresse kriegt. Ralf Richter, Claude-Oliver Rudolph und Heinz Hoenig - weniger Martin Semmelrogge - wurden sicher wegen ihrer zugkräftigen Namen zum Projekt geholt. Sie können aber auch schön mit ihren Rollenklischees spielen.
Dass das Leben manchmal vom Wurf einer Münze abhängt, hatten zuletzt die Coens bei „No Country for old Men“ mit einem diabolischen Javier Bardem als Anton Chigurh sehr pessimistisch dargestellt. Um die heftige Sozial-Action von Benjamin Eicher und Timo Joh. Mayer zwischen Coen und Kieslowski („Der Zufall möglicherweise“) etwas genauer zu verorten, könnte man sie deutsche Tarantinos oder Guy Ritchie-Imitatoren nennen. Doch dabei übersieht man wieder das Eigene der Film-Autoren, „Kopf oder Zahl“ ist gerade nicht Einerlei in deutscher Kopie.
Der Potsdamer Platz mit den Raben über der Stadt hat etwas von den Kunsthimmeln Wong Karweis. Die Atmosphäre bedient sich gelungen bei der Hauptstadt-Architektur (Kamera Marcus Stotz), vor allem das Sounddesign setzt gute Akzente. Die Schwächen beim Schauspiel werden kreativ durch wilde Montage und gute Rhythmuswechsel aufgefangen. Der Film vermeidet konsequent klare Bilder. Die Dialoge sind allerdings ebenso wie bei Uwe Boll unterirdisch! Da müssen die Regisseure und Autoren dringend jemand anderen dran lassen. Dabei wirkt die düster hoffnungslose Stimmung nicht nur aufgesetzt wie in einem Peter Fox-Song. Wenn hier „alles vom braunen Staub bedeckt ist“, dann schmeckt das bitter, sehr bitter.
Die Geschichte liefert dazu schön viele zynische Noten. Wenn der am Boden zerstörte Afghane am Ende einen Schein von seinem Drogengeld als Almosen erhält, wenn die Medien-Tusse, die immer gegen Ausländer hetzt, sich aber einen schwarzen Immigranten als Liebhaber hielt, genau von dem verlassen wird. Da kommt die deutsche Fahne nicht ohne Hintersinn unter die Räder. Und nicht zuletzt ist die getürkten Münze des Kleingangster Sammy Grundlage für ein falsches Spiel.
Während zwei Polizisten in schwarz und weiß vielleicht klischeehaft für gut und böse stehen, siegt bei „Kopf oder Zahl“ ganz unkonventionell einmal die Kreativität über das dumme Nachäffen.