22.4.09

Public Enemy No. 1 - Mordinstinkt


Frankreich, Kanada 2008 (Mesrine: L'ennemi Public N° 1) Regie: Jean-François Richet mit Vincent Cassel, Cécile de France, Gérard Depardieu 114 Min. FSK: ab 16

Noch ein Kino-Gangster? Nicht ganz: Im Originaltitel steht der Name Mesrine ganz vorne und in Frankreich wissen wesentlich mehr Leute, um wen es sich dabei handelt: Jacques Mesrine war Mörder, Bankräuber, Entführer und legendärer Ausbrecher, der 1979 von der Polizei in Paris auf offener Straße erschossen wurde. Und Jacques Mesrine war Autor einer Autobiografie! Völlig frei von jeglicher Bescheidenheit rühmt er sich in dem 1977 im Gefängnis verfassten „Der Todestrieb“ seiner insgesamt 39 Verbrechen - im Alter von 40 Jahren! Das Buch war ein Erfolg, der Verbrecher wurde zum Popstar und so musste zwangsläufig ein Film folgen. Ein gewaltiger und gewalttätiger ohne Zweifel. Ob die Verlängerung dieser Glorifizierung asozialer Brutalität so kritiklos erfolgen musste, ist jedoch sehr zweifelhaft. „Mordinstinkt“ ist dabei nur Teil 1, „Public Enemy No. 1 - Todestrieb“ folgt als Fortsetzung am 21. Mai.

Jacques Mesrines „Karriere“ beginnt im Algerien-Krieg mit der Folter. Der einfache Soldat Mesrine (Vincent Cassel) schafft es nicht, das Kind des Gefolterten umzubringen, in Panik erschießt er lieber direkt den Gefangenen. Diese Szene soll vielleicht - als eine von wenigen - die spätere Gewalt begründen. Wie die Amerikaner in Vietnam, so zogen auch die Franzosen sich ihre Psychopathen in einem Kolonialkrieg heran. Nur in Frankreich wurde der „Krieg ohne Namen“ lange verschwiegen und verdrängt. (Der Konflikt mit den Vätern, die als Kollaborateure der Deutschen aktiv waren, wird ebenfalls angedeutet und die Konkurrenz der Gangster setzt den Rassismus fort.) Doch dann das läuft im Film alles eher gradlinig durch. Der entlassene Soldat macht mit einem Freund den ersten Bruch, lernt den Gangster-Boss Guido (Gérard Depardieu) kennen und entwickelt sich schnell zum aggressiven Schläger, der seine Probleme immer auf die brutalste Weise löst. Der Film hält sich dabei nicht zurück. Genauso leidenschaftlich, wie das Blei in die Körper versenkt wird, lässt er die Kugeln ausführlich und langsam aus dem Arm ziehen. Jacques versucht es immer mal mit ehrlicher Arbeit, ganz ernsthaft. Doch das schnelle Geld reizt mehr. Als ihn seine spanische Ehefrau daran hindern will, misshandelt er sie und droht ihr mit seiner Pistole im Mund. Glücklich wird der gute Jacques erst später mit einer Frau, die ihn versteht: Mit Jeanne Schneider, einer Frau, die ebenso brutal wie er zuschlägt, auch gerne raubt und ihn heftig liebt. Das ist dann „Bonnie and Clyde“, ganz ohne Motiv, nur die Eitelkeit und die Selbstüberheblichkeit von Mesrine begründen die Verbrechen. Man muss sich schon die private Sorge hinzudenken, die Mesrine haben muss, als Gegner ihn unter Feuerhagel nehmen, während er mit seiner Tochter spazieren geht.

Vincent Cassel passt mit seinem brutalsten Gesicht in diese Mesrine-Show, denn der Selbstdarsteller ist kein sympathischer Held, kein guter Kerl auf Abwegen. Cécile de France beeindruckt erneut und sehr wandlungsfähig. Auch ansonsten sieht der Film sehr gut, sogar richtig cool aus. Die Kostüme und Sets geben ein Feeling der Zeit, die DS von Citroen darf wieder Gangster-Karosse sein. Regisseur Jean-François Richet spielt mit Splitscreens und Spiegeln während Mesrine mit Leben spielt. Das könnte man im Sinne von Tarantino als respektlose Kino-Kunst (oder Pulp) goutieren, es muss einem aber nicht schmecken.