GB, BRD, Frankreich 2005 (The Piano Tuner Of Earthquakes) Regie: Stephen Quay, Timothy Quay mit Amira Casar, Gottfried John, César Saracho, Assumpta Serna 99 Min.
"The Piano Tuner of The Earthquakes" war lang erwartet, weil die Brüder Quay immer lang für ihre Werke brauchen. Sie kommen von der Malerei und dies ist nicht der einzige Berührungspunkt mit dem frühen Greenaway, dem anderen Maler, der Einschränkung und Herausforderung der Kamera überwindet. Allein der unglaublich bildgewaltige Titel machte lange neugierig: "The Piano Tuner of The Earthquakes" - Jemand, der Erdbeben stimmt! Dann die Aufregung um die Dreharbeiten in Leipzig mit Gottfried John der zwischen Cäsar und Bond-Schurke vielleicht wieder zum Kunstkino aus Fassbinders Zeiten zurück wollte. Nun werden die Fans der auf vielen Festivals ausgezeichneten Quay-Kurzfilme (gesammelt auf DVD erhältlich) direkt ins Kino rennen. Alle anderen sollten sich einige Hinweise zu Herzen nehmen, bevor sie das traumhafte Kunstuniversum der Brüder betreten.
Der Traum beginnt mit dem Tod oder der Entführung der Oper-Sängerin Malvina (Amira Casar) direkt von der Bühne weg kurz vor ihrer Hochzeit mit dem Dirigenten Adolfo (César Saracho). Malvina erwacht in einem Traum, einem Gemälde auf der Insel des mysteriösen Dr. Droz (Gottfried John). Dieser verhinderte Komponist plant ein großes Werk, das die Welt in ihren Grundfesten erschüttern soll. Die Welt, die seine Kompositionen vorher ablehnte. Um die sieben Musik-Automaten mit ihren Ruderbooten und Fischköpfen zu stimmen, die sich in einem geheimnisvollen Wald verteilen, wird der Piano-Stimmer Felisberto (César Saracho) engagiert. Der Kontrakt des Piano-Stimmers beinhaltet strenge Regeln, wie mit den kleinen kunstvollen Theaterbühnen und (Alp-) Traumwelten umzugehen ist. Während die Haushälterin Assumpta (Assumpta Serna) ihm eindeutige Avancen macht, fühlt sich Felisberto stark zu der stillen Malvina hingezogen, die im Zentrum des Werkes von Droz stehen soll.
"The Piano Tuner of The Earthquakes" basiert sehr frei auf dem Text "The Invention Of Moral" des Argentinier Adolfo Bioy Casares, Verweise auf "Die Insel des Dr. Moreau" lassen sich ebenfalls hineinlesen. Anfangs entsteht das Schwere, Geheimnisvolle, Traumhafte im "Piano Tuner" durch neblig weich gezeichnete Bilder, durch eine Fabel von Ameisen und vom Pilz im Off. Zunehmend geht der Sog dieses poetischen Science Fiction immer mehr von den Automaten und ihren düsteren, blutigen Vorausdeutungen aus. Man könnte einige Vergleiche heran ziehen - Jan Svankmajer, David Lynch, Tim Burton - doch die Quay-Brüder bleiben einzigartig.
Noch stärker als bei ihrem Langfilm-Erstling "Institute Benjamenta, or This Dream People Call Human Life" werden die innovativen und imaginativen Künstler kritisiert, dass sie erzählerisch nicht den Sprung vom Kurzfilm zur Langhandlung geschafft haben. Aber man sollte sich vielleicht von solchen Kategorien lösen, sich ganz und gar auf die Bilderwelten einlassen.