24.8.21

The Father


Großbritannien, Frankreich 2020 Regie: Florian Zeller, mit Anthony Hopkins, Olivia Colman, Imogen Poots, 97 Min. FSK ab 6

Florian Zellers Verfilmung des eigenen Theaterstücks „Le père" (Der Vater) ist nicht nur noch mal eine Feier von Anthony Hopkins großer Schauspiel-Kunst. Es ist auch das Debüt eines Regisseurs, der bisher für seine Fähigkeiten als Autor berühmt war. Kunstvoll und sehr berührend wird in „The Father" der geistige Verfall im frühen Stadium einer Demenz nachvollziehbar gemacht.

„Das ist mein Appartement! Oder nicht?" Zweifel gibt es eigentlich selten beim stolzen alten Anthony (Anthony Hopkins). Der 80-Jährige ist Herr im Hause, weiß alles besser und die geliebte Armbanduhr hat ganz bestimmt die diebische Pflegekraft mitgehen lassen. Doch Kleinigkeiten irritieren den Zuschauer: Sah die Küche eben nicht ganz anders aus? Wieso ist die Tochter Anne (Olivia Colman) plötzlich eine andere Person. Ist es mit den Veränderungen in Licht und Ausstattung wirklich die gleiche Wohnung?

Neun Jahre nach der Pariser Theaterpremiere, dem Beginn einer preisgekrönten Aufführungs-Serie in 45 Ländern bis zum Broadway, kann wahrscheinlich verraten werden, dass Feller seine Geschichte konsequent aus der Perspektive des Vaters erzählt. Seine Irritation über den fremden Mann in seiner Wohnung wird die unsere. Und dann wird der Kerl, der vorgibt, Annes Mann zu sein, auch noch unverschämt! Oder gar gewalttätig?

Dabei wollte Anne doch zu ihrem neuen Freund nach Paris ziehen. Womit der ganze Ärger begann. „Und außerdem sprechen sie in Paris nicht mal Englisch", wie Anthony immer betont. Nun soll er also in der – ebenfalls nicht bescheidenen – Wohnung seiner Tochter sein und eine neue Pflegekraft müsse ausgesucht werden, wie sich in einer nicht chronologischen und schon gar nicht logischen Abfolge von Szenen ergibt. Es gibt sogar Varianten der gleichen Szene.

Als sich Laura (Imogen Poots) am Morgen vorstellt, läuft Anthony zu ganz großer Form auf: Sogar eine Stepptanz-Einlage legt der ehemalige Tänzer aufs Parkett. Dass er früher tatsächlich Ingenieur war und auch weniger nette Seiten hat, verrät Anne der jungen Pflegerin später. Die Begeisterung des Vaters hat einen Grund: Er sieht in Laura seine geliebte, aber abwesende jüngere Tochter Lucy. Aber über deren Verbleib schweigt Anne genauso betreten wie bei Anthonys Nachfrage, ob dies seine Wohnung sei.

Olivia Colman (die Queen aus „The Crown") hat als die Tochter die andere großartige Rolle des ungemein eindringlichen und exzellent inszenierten Films „The Father": Zwischen Schuldgefühl, seinen Unverschämtheiten und Druck versucht sie ihr Möglichstes und erhält dabei keine Unterstützung vom Ehemann. Ganz groß als Meister des Ausdrucks spielt Hopkins auf, der einen der beiden Oscars für „The Father" erhielt. Der zweite galt dem Drehbuch. Die Irritationen im Blick, der Verlust der Überlegenheit, die Gemeinheiten – in vielen Facetten kann er sein Vermögen breit ausspielen. Dazu sind auch Kamera, Licht und Ausstattung raffiniert exquisit.

Aber der eigentliche Clou von Theaterstück und Film bleibt die Technik, die Geschichte konsequent aus der Perspektive des Vaters zu erzählen. Diese überzeugende Idee fürs Mitgefühl und fürs Verstehen wurde von Christopher Hampton für die englische Bühnen-Fassung übersetzt. In New York bekam Frank Langella einen Tony Award für die Hauptrolle. In Paris gab es schon 2014 einen Moliere für das Stück. Zellers Idee funktioniert so gut, dass man, wenn Anthony am Ende in einer sehr guten und teuren Pflegeeinrichtung nach seiner „Mami" weint, so viel Außenperspektive als Auflösung gar nicht haben wollte.

Zeller dreht übrigens gerade den zweiten Teil seiner Trilogie (The Father, The Son, The Mother) mit Hugh Jackman, Vanessa Kirby und Laura Dern.