Italien, Frankreich 2019 Regie: Pietro Marcello, mit Luca Marinelli, Jessica Cressy, Denise Sardisco, 129 Min. FSK ab 6
Faszinierend zeitlos ist Regisseur Pietro Marcellos Adaption von Jack Londons autobiografisch gefärbtem Roman „Martin Eden" in mehrfacher Hinsicht. Zum einen scheint die Geschichte des ungebildeten Matrosen, der sich in die großbürgerliche Elena Orsini verliebt, in der dritten Kinoverfilmung seit 1914 nirgendwo anders als in der Armut neapolitanischer Viertel denkbar. Dabei spielte der 1909 veröffentlichte Roman im kalifornischen Oakland. Die Auseinandersetzungen des mittlerweile als Autodidakt zum Schriftsteller gewordenen Eden mit der Arbeiterbewegung wirkt typisch italienisch, zumindest europäisch.
Neben der immer wieder starken (Klassen-) Geschichte fasziniert der bisherige Dokumentarist Pietro Marcello mit wechselnden Zeit-Koloriten: Die Farben alter Filme versetzen die Handlung in die 70er Jahre, die Orsinis wirken wie aus dem vorletzten Jahrhundert, eine Revue-Show sieht nach 30ern aus. Martin Edens eigene Geschichten, Erinnerungen und Träume stammen aus (Stummfilm-) Archiven, Dokumentarisches verstärkt den Eindruck von Authentizität. Dabei lässt das packende Drama eines scheiternden „Emporkömmlings" nie vergessen, dass es große Filmkunst ist. Luca Marinelli gewann mit seiner Darstellung in Venedig 2019 den Coppa Volpi als Bester Schauspieler.