17.11.19

Bernadette (2019)

Drama | USA 2019 (Where'd You Go, Bernadette) Regie: Richard Linklater, mit Cate Blanchett, Kristen Wiig, Billy Crudup, Emma Nelson, Laurence Fishburne 111 Min. FSK ab 6

Die bewegte Geschichte eines Paares, einer Familie. Lebenskrisen und Leidenschaften, die sich nicht unterkriegen lassen. Das klingt bekannt bei Richard Linklater (Boyhood), aber „Bernadette" zeigt nicht das altbekannte, in drei Filmen miterlebte „Before ..."-Paar aus Julie Delpy und Ethan Hawke. Cate Blanchett brilliert als die geniale und skurrile Architektin Bernadette Fox in der Verfilmung von Maria Semples Roman „Wo steckst du, Bernadette".

Alles atmet kreativen Geist in dem alten Gemäuer. Die wuchernde Brombeer-Sprosse unter dem Teppich bekommt von Bernadette Fox (Cate Blanchett) mit dem Messer ein Fenster in den Bodenbelag geschnitten. Derweil beschwert sich die engstirnige Nachbarin Audrey (Kristen Wiig) über das Wuchern an ihrem Hang. Die Architektin Bernadette wurde mit Größen wie Rem Koolhaas in einem Atemzug genannt. Nach einem traumatisch gescheiterten Projekt in Los Angeles zog sie mit ihrem Microsoft-Mann Elgie (Billy Crudup) nach Seattle. Aus der genialen Kreativen wurde die spinnerte Mutter der wunderbaren Tochter Bee (Emma Nelson). Als diese sich zum Schulabschluss eine Reise in die Antarktis wünscht, überstürzen sich die Ereignisse. Inklusive Paar-Therapie, ausländischer Spionage, Erdrutsch und echten Überraschungen.

Wie komplex Maria Semples Roman „Wo steckst du, Bernadette" sein muss, merkt man noch Linklaters Verfilmung an. „Bernadette" hat viele dieser Momente, in denen lebensechte Menschen Dinge aussprechen, die man nie vergessen sollte. Dann aber fühlen sich die Figuren verloren an. Nicht nur zwischen den riesigen Eisbergen der Antarktis. Es beginnt als herrlicher Spaß um die Außenseiterin Bernadette inmitten vom wohl situierten IT-Spießertum von Seattle. Wunderbar, wie diese Frau die Kleingeistigkeit pariert oder ignoriert. Das Verhältnis zur ebenfalls besonders klugen und schlagfertigen Tochter ist eng. Dann sollen die Brombeeren entfernt werden, die Folge ist ein wirkliches Chaos und sogar das FBI macht sich Sorgen. Das lustige Porträt des einzigartigen Menschen Bernadette droht zu einem furchtbaren Drama abzukippen.

„Menschen wie du müssen kreativ sein. Sie sind geboren, Neues zu schaffen, ansonsten werden sie eine Gefahr für die Allgemeinheit." Eine Erkenntnis, die Bernadette auf einem wilden Weg erst gewinnen muss. Diese Flucht macht Spaß, berührt und bereichert. Mit Menschen, die man gerne kennenlernt. Mit Sets, in denen man mehr entdecken möchte, sei es im Seattle Schloss oder in der Antarktis-Forschungsstation. Cate Blanchett („Carol", „Blue Jasmine") gibt die wundersame Bernadette perfekt. Zusammen mit dem wunderschönen und besonderen Finale geht hier selbst eine ansonsten disneyfizierte Weisheit: Das „Sei du selbst" überzeugt mit viel Toleranz und nahe an harschen Realitäten. Nicht der rundeste Linklater, aber immer noch besonders sehenswert.