USA 2018 (Amazing Grace) Regie: Alan Elliott, Sydney Pollack 87 Min.
Aretha Franklin war 1972 bereits ein Mega-Star, nach zwanzig Studioalben inklusive elf Nummer-eins-Hits gilt sie als „Queen of Soul". Doch der Tochter eines Predigers wurde auch vorgeworfen, die Gospelmusik verraten zu haben. So passte es für alle Beteiligten und auch den Warner-Konzern, in der Missionary Baptist Church von Watts, Los Angeles zusammen mit dem Southern California Community Choir und der Gospellegende Reverend James Cleveland ein Album mit Kirchenmusik aufzunehmen. Das Ergebnis, „Amazing Grace", ist bis heute das meistverkaufte Gospelalbum aller Zeiten. Regie für die begleitenden Filmaufnahmen führte ein großes Team unter der Leitung des damals noch nicht berühmten Sydney Pollack („Jenseits von Afrika"). Allerdings wehrte sich Aretha Franklin ihr Leben lang gegen die Veröffentlichung der Aufnahmen. Erst 47 Jahre später erscheint nun der Film.
„Amazing Grace" ist kein Konzertfilm im heutigen Stil, sondern eine Aufnahme-Session von zwei Abenden. Ohne Schnickschnack marschiert der Gospel-Chor ein, dann stellt der Prediger und Gospelsänger Reverend James Cleveland das Konzept vor. Die vierköpfige Band legt los und Franklin singt „Mary Don't You Weep". Die Begeisterung des Publikums in der Kirche ist mitreißend, auch ganz ohne die religiösen Implikationen, die von den Baptisten in solche Zeremonien gelegt werden. Das Zucken kann einem in die Glieder fahren, selbst wenn man den Heiligen Geist als Aberglauben erkennt. Andere Gospel-Klassiker wie Titelsong „Amazing Grace" oder „What A Friend We Have In Jesus" sind bekannter. Nichts zu hören ist von „Respect", also dem Respekt, den sich Aretha Franklin mit anderen Soul- und Motown-Songs verdient hat.
Wie passend für den Film der nach vielen Jahren rechtlichen Streit endlich ins Kino kommt: Er wurde selbst in einem Kino gedreht, das zur Kirche umfunktioniert wurde. Vor der Leinwand hängt nun ein Jesus-Gemälde.
Abgesehen von der exzellenten Performance ist „Amazing Grace" ein kurioser Film: Unter den wenigen Weißhäutigen im 20-30 Köpfe starken Publikum sind Mick Jagger und Charlie Watts kurz zu sehen. Immer wieder läuft Regisseur Sydney Pollack selbst durchs Bild, seine Kameramänner sind ebenfalls weiß. Ein Polizist patrouilliert tatsächlich durch die wenigen Reihen. Die Begeisterung im Publikum ist enorm. Und ganz ernsthaft hält dann noch ein anderer Reverend eine Rede. Da verliert man fast den Spaß an der guten Musik, wenn es nicht Aretha Franklins Vater Clarence LaVaughn Franklin wäre. Doch mag sie selbst diese Lobes-Hymne? Ihr Gesicht ist uneindeutig - die „Queen of Soul" so zurückgesetzt zu sehen, ist jedenfalls noch ein seltsamer Moment in diesem ungewöhnlichen Film.