7.6.11

Waste Land

Brasilien, Großbritannien 2010 (Waste Land) Regie: Lucy Walker 99 Min.

„Ich bin der brasilianische Künstler, der sich im Ausland am besten verkauft." So stellt sich der Fotokünstler Vik Muniz den Menschen in einem Favela Rio de Janeiros vor. Er erzeugt Vexierbilder. Auf seinen Fotos sieht man aus einigem Abstand zuerst bekannte Motive berühmter Maler, wie „Der Tod des Marat" von Jacques-Louis David. Dann - bei der neugierigen Annäherung - erkennt man in den Gesichtern andere Menschen als die Originale. Es sind Sammler aus den gigantischen Müllhalden am Rande von Rio de Janeiros, mit denen Muniz Monate lang zusammenarbeitete. Und wenn man ganz nahe ran geht, sieht man, dass die „Gemälde" aus Müll bestehen, aus Schmiere, Dreck, Abfall-Stückchen.


Vik Muniz erstellte im Laufe eines Kunstprojektes Porträts der Menschen und ihres Lebens auf dem imposanten Müllberg. Es sind Porträts im Sinne der Geschichte, die sie erzählen, der Gesichter, die sie in die Kamera halten. Aber auch im Sinne der Kunst von Muniz und das ist bei allen Problemen des Films seine Seele: Die beeindruckenden Bildlandschaften in einer Halle, bei denen die auf den Boden projizierten Konturen mit Abfall aufgefüllt werden. Und die Freude der Menschen, die eine Würdigung erfahren. Bei einem abgehobenen Blick auf das Mosaik der Viertel von Rio erklärt sich auch der große Aufwand, den Film mit vielen Kranaufnahmen pittoresk zu gestalten: Die ästhetisch eindrucksvolle Gesamtsicht, der einlädt, sich mit dem Detail zu beschäftigen, ist Grundprinzip von Film und Muniz' Fotokunst.

Lucy Walker („Blindsight") nähert sich dem Künstler zuerst über Gespräche, über Konzepte und Hintergründe. Das Faszinierende, die Kunstwerke selbst, entwickeln sich erst später langsam. Die Menschen, die nicht Müll sammeln, sondern wiederverwerten, wie sie betonen, verkörpern auch einen ökologischen Aspekt in den Favelas. Eine Frau spricht das Publikum direkt an: Für euch ist es leicht, einfach alles in den Müll zu werfen!

Muniz selbst kokettiert damit, dass er auch einmal arm war und im Supermarkt Einkaufswagen eingesammelt hat. Wenn er mit dem engagierten Tiao nach London fährt, um den „Marat" für 28.000€ zu versteigern, wurde vorher sehr fürsorglich diskutiert, was das für einen Einfluss auf sein Leben haben könne. Tiao fühlt sich schließlich wie ein Popstar. Man hat dabei auch das Gefühl, die Protagonisten werden zweifach vorgeführt: Auf dem Foto und im Film.

Die ebenso eindringliche wie sich anbiedernde Musik von Moby („Beautiful") passt kongenial zu dem etwas zwiespältigen Eindruck des letztlich doch überzeugenden Films. Alle Beteiligten gewannen enormes Selbstbewusstsein, finden sich im Museum wieder - und meist in besseren Lebensumständen. Während der Müll in der Halle weggeräumt und zusammengekehrt wird, meint Tiao, er würde irgendwann sein Bild zurückkaufen. Das macht wirklich Hoffnung.