13.6.11

The Tree of Life

USA 2011 (The Tree of Life) Regie: Terrence Malick mit Brad Pitt, Jessica Chastain, Sean Penn, McCracken 138 Min.

Regisseur Terrence Malick ist in seiner Karriere ein Pseudonym für „langerwartet" geworden und auch bei „The Tree of Life" hat sich das Warten gelohnt: Das eindrucksvolle Opus erhielt im Mai die Goldene Palme von Cannes - ein Jahr nach der geplanten Premiere zum Festival 2010. Malick wollte noch am Schnitt des Films arbeiten. Offensichtlich hat er in dem Jahr den Goldenen Schnitt gefunden - „The Tree of Life" ist ein eindrucksvolles, epochales Meisterwerk.

Am Anfang war das Licht. Genauer, ein pulsierender Lichtfleck. Dann nimmt sich „The Tree of Life" die Zeit, ganze Galaxien von Lichtbildern zu überwältigenden Sequenzen zu verbinden. Darin, quasi als kleines Staubkorn im All, die Handlung um eine Familie aus dem Mittleren Westen der USA, mit Brad Pitt, Sean Penn, Jessica Chastain und den jugendlichen Darsteller von drei Brüdern. Einige Jahre später lautet der Auftrag an den erwachsenen Sohn Jack (Penn) und den Film "Finde mich!" Es gilt, über seinen mit 19 Jahren verstorbenen jüngeren Bruder nachzudenken und dazu gibt es viele Fragen an die Vergangenheit sowie die dauernde Anrede des Himmels im Geiste Hiobs: „Gott, wo warst du?" Gedankenströme wie im „Himmel über Berlin" verweben sich mit dem Fluss der mächtigen Bilder und klassischen Kompositionen. Malick gewährt Gebäuden und Sternhaufen die gleiche liebevolle Aufmerksamkeit wie seinen Wiesen und Feldern in „Days of Heaven" (1978), „Der schmale Grat" (1998) und „The New World" (2005). Selbst die Architektur-Blöcke, in denen der erwachsene Jack arbeitet, wurden enorm sinnlich gestaltet. Die konventionellen Spielszenen sind dabei in der Unterzahl, wobei auch sie alles andere als gewöhnlich sind: Der „Standpunkt" der Kamera von Emmanuel Lubezki fließt und schwebt immerfort.

Unbeschreiblich! Das ist vielleicht das Beste, was man über einen Film sagen kann, der mehr als Geschichte ist, der sich nicht in Worte fassen lässt. Und „The Tree of Life" ist über lange Strecken so ein purer Film. Der schwer zu fassen ist. Dieses Leben im Schnelldurchgang atemberaubend schöner Bild- und Ton-Collagen polarisiert extrem. Das Gegeneinander von „Natur" und „Gnade", verkörpert durch die harte Erziehung des Vater und die liebevolle Mutter, sahen einige mit der Hinwendung an ein höheres Wesen als „Gottesdienst". Aber Malick bebildert eindeutig eine Evolution, keine Schöpfung. Zwar sehr gläubigen Menschen, aber vor allem der Vater kann seine eigenen strengen Regeln nicht einhalten. Der Versuch, das Leben zu kontrollieren, kopiert die Vermessenheit Hiobs, sich mit einem gottgefälligen Leben vor Unbill schützen zu wollen. Doch mit der Härte seiner Erziehung – „Toscanini machte einmal 65 Aufnahmen und sagte, es könnte besser sein!" - treibt er zumindest einen Sohn Jack zu Aggression und Gewalt. Der kleinere, sanftere scheint der Musikbegeisterung des Hobby-Organisten zu folgen. Doch all dies sind nur kleine Episoden in einer großartigen Schöpfung, die in unfassbar vielen, oft mitreißenden Momenten viele Möglichkeiten zum Genuss und zur Interpretation anbietet. Erst nach einiger Zeit und vielen Sichtungen wird man die ganzen wundersamen Verästelungen von „The Tree of Life" erfassen können.