Auch wenn sie das mit den Nazi-Scherzen nicht sein lassen wollen, die Briten können mit ihrem unverkrampften Humor brenzlige Themen wunderbar auf den Punkt bringen: Während hierzulange eine nette Harmlosigkeit wie „Almanya - Willkommen in Deutschland" mehr zum Kinoumsatz als zur Diskussion beiträgt, lacht man in England jeden Anflug von Sarazin mit dem pakistanisch-jüdisch respektlosen „Alles Koscher" hinweg. Selbst Bombenstimmung mit depperten Selbstmord-Bombern funktionierte in „Four Lions".
Die Politik der aktuellen Religionskriege schaltet der rundliche Londoner Mahmud Nasir (Omid Djalili) mit dem Fußball-Shirt direkt weg und schaut sich auf dem Fernseher lieber ein Musik-Video seines 80ger-Stars Gary Page an. Der gutmütige Familienvater pakistanischer Abstammung ist zwar etwas erschreckt, dass sein Sohn die Stief-Tochter eines islamischen Hass-Predigers (Originalkommentar: Fatwa-Fresse) heiraten will, doch für sein Kind will er sich eine Zeit lang das Mäntelchen der Gläubigkeit umhängen. Es sollte doch nicht zu schwer sein, aufs Bier zu verzichten, mal in die Moschee zu gehen und auch zu beten, falls jemand zuschaut. Kompliziert wird es erst, als Mahmud Nasir erfährt, dass er adoptiert wurde und eigentlich Solly Shimshillewitz heißt. Als er auf dem „Amt für Waisen und Streuner" gegenüber der Angestellten (im Rollstuhl!) rüde den Namen seiner echten Eltern einfordert und der Sicherheitsdienst auftaucht, gelingt ihm intuitiv sein erster jüdischer Witz: „Man erfährt, dass man Jude ist und plötzlich kommt ein Kerl in Uniform!" Da sein Vater noch lebt und ein rabiater Rabi (klasse: Matt Lucas von „Little Britain") den Zugang zum Zimmer im jüdischen Altersheim versperrt, muss Mahmud nicht nur den Koran, sondern auch im Schnelldurchgang den Talmud sowie das Judentum überhaupt lernen. Seine einzige Hilfe dabei ist ausgerechnet der gehässige Taxifahrer und Erzfeind Lenny Goldberg (Richard Schiff), ein alkoholisierter, amerikanischer Jude, der einige Klischees erfüllt und sich über die anderen selbst bissig amüsiert.
Die Kombination des Buches von David Baddiel (Atheist) mit Omid Djalili (Bahai), dem Comedian britisch-iranischer Abstammung, ist ein Volltreffer! Nicht nur der Slapstick überzeugt, für den Mahmud morgens bei einer Pro-Palästina-Demo seine Kippa verbrennt und diese dann angekokelt bei einer Bar Mitzwa nachmittags auf dem Kopf trägt. Es ist das humoristische Schnellfeuer aberwitziger Situationen, in denen die Absurdität von Religion mit den Mitteln des Witzes vorgeführt wird. Mahmud selbst wäre es ziemlich egal, was er eigentlich ist, auch wenn er sich öfter mal nachdenklich an die große Nase fasst und seine kleine Tochter heiliger Krieg spielt. Doch seine zeitweilige Unbestimmtheit wächst zu einem nationalen Skandal heran.
Die Story zeigt vor allem beim finalen rührseligen Bekenntnis als Deus ex machina ein paar Schwächen. Die Qualitäten des durchgehend respektlosen Humors liegen jedoch in genauester Kenntnis der Zielobjekte: Während Seitenhiebe auf Osama bin Fladen am laufenden Meter abfallen, staunt man über einen Iman, der Schwulsein noch toleriert, aber niemals einen Ungläubigen. Der Jüdisch-Schnellkurs, mit dem Ziel, das Verlangen zu spüren, „deinen Besitz auf einen hölzernen Karren zu werfen und ihn langsam und traurig aus einem brennenden Dorf zu ziehen", wäre in einem deutschen Film undenkbar. Doch gerade im Wissen zum Beispiel um die enge Verwandtschaft der mosaischen Religionen liegt auch für Mahmud die Moral der Geschichte und das Imprägnier-Spray gegen religiöse Eiferer.