Mit einer eindrucksvollen Besetzung rund um Sacha Baron Cohen („Borat") rollt der sensationelle Gerichts- und Historienfilm „The Trial of the Chicago 7" den skandalösen Gerichtsprozess gegen die sogenannten „Chicago Seven" während der Nixon-Ära auf. Autor und Regisseur Aaron Sorkin („Molly's Game: Alles auf eine Karte") unterhält bestens, sorgt für Spaß und bezieht Position gegen politische Justiz.
Das Porträt des alten US-Präsidenten Lyndon B. Johnson wird gerade abgehängt und gegen das von Nixon ausgetauscht, als der neue Justizminister dem frisch zum Chefankläger berufenen Richard Schultz (Joseph Gordon-Levitt) seinen ersten Auftrag gibt: An Teilnehmern von Protesten gegen den Vietnamkrieg soll mit Hilfe eines zurechtgebogenen Gesetzes ein Exempel statuiert werden. Schuldig der „Anstiftung zu einem Volksaufstand" sind die Anführer eines gewaltlosen Protestes schon vor Beginn des Prozesses. Der unfassbar voreingenommene Richter Julius Hoffman (Frank Langella) wird in einem der berüchtigtsten Prozesse der US-Geschichte dafür sorgen.
1968 war eine bewegte Zeit auch in den USA: Zehntausende Soldaten mussten in den verbrecherischen Krieg gegen die Menschen in Vietnam ziehen. John F. Kennedy und Martin Luther King wurden in den letzten Jahren ermordet. Eine neue Form des Protests lebt mit „Flower Power" und „Make love not War" auf. Derweil zieht der Hardliner Nixon als rechter Exponent einer polarisierten Gesellschaft ins Weiße Haus ein. In dieser aufgeheizten Situation werden Demonstrationen in Chicago zu Unruhen, bei denen schockierend brutale Polizisten und Militärs ein Massaker unter den Bürgern anrichten. Angeklagt werden allerdings die vermeintlichen Anführer der Proteste.
Aaron Sorkin, Autor von engagierten Polit-Filmen und -Serien wie „The Social Network", „Der Krieg des Charlie Wilson", „The Newsroom" und „The West Wing", begeistert in seiner zweiten Regiearbeit mit einem packenden Aufbau: Nach einem kurzen Medley historischer Aufnahmen springt „The Trial of the Chicago 7" direkt zum Prozess. Die verhandelten Ereignisse in Chicago werden in Rückblenden nachgereicht. Und das durchaus witzig: Wenn Hippie-Anführer Abbie Hoffman (Sacha Baron Cohen) – wie alle anderen Gruppen vergeblich - eine Demonstration im Park beantragt, kündigt er lächelnd Rock-Musik, Drogen und öffentlichen Sex an.
Die „Oscar-Verleihung des Widerstands", wie einer der Angeklagten zum Prozess bemerkt, bietet ein breites Spektrum interessanter Charaktere: Neben den Hippies, die mit Spaß und Liebe die Welt verändern wollen, ist da Tom Hayden (Eddie Redmayne), der junge Politiker der Demokraten. Er will Veränderung durch Instanzen und Parlamente, was dem realen Tom Hayden, zeitweise Ehemann von Jane Fonda, tatsächlich gelang. Hier ist „The Trial of the Chicago 7" im Nachdenken über Wege des nötigen Widerstands weit mehr als die Anklage gegen ein historisches und nach ein paar Jahren aufgehobenes Fehlurteil.
„The Trial of the Chicago 7" brilliert inhaltlich mit kluger Argumentation, mit spritzigen und witzigen Dialogen sowie mit einer exzellenten Besetzung: Der politische Komiker Sacha Baron Cohen verkörpert den komischen Aktivisten Hoffman kongenial. In einer dritten Ebene kommentiert dieser den Prozess als Stand up-Comedy. Ebenso grandios tritt Michael Keaton kurz als ehemaliger Justizminister Ramsey Clark auf, der offenlegt, dass die Unruhen durch die Polizei ausgelöst wurden. Man muss mehr als einmal an die historischen näheren G20-Unruhen von Hamburg oder die G8-Verbrechen von Genua denken.
Dieser in jeder Hinsicht gelungene Film über politische Justiz, über das Recht auf Protest und Widerstand sowie über verschiedene Wege des Engagements packt jeden Moment und lässt in erneut bewegten Zeiten nachdenken. (Netflix) *****
„The Trial of the Chicago 7" (USA, Großbritannien, Indien 2019), Regie: Aaron Sorkin, mit Sacha Baron Cohen, Eddie Redmayne, Mark Rylance, 129 Min. FSK ab 16