23.10.20

Und morgen die ganze Welt


BRD, Frankreich 2020 Regie: Julia von Heinz, mit Mala Emde, Noah Saavedra, Tonio Schneider, Luisa-Céline Gaffron, Andreas Lust 111 Min. FSK ab 12

Hanni & Nanni des Politfilms

Seit der Premiere bei den Filmfestspielen von Venedig sorgte „Und morgen die ganze Welt" für ein paar Diskussionen. Regisseurin Julia von Heinz („Ich bin dann mal weg", „Hanni & Nanni 2") warf den Medien das Stöckchen „Antifa" vor und die meisten schnappten blind zu. Dabei ist das fleißige Politfilmchen eher eine uninspiriert abgefilmte Ansammlung von aktuellen Neonazi-Verbrechen und Aktivitäten eines jungen, linken Widerstands.

Luisa (Mala Emde) ist junge Jura-Studentin aus gut situiertem Adel mit blutiger Jagd-Tradition. Ihre Rebellion beschränkt sich auf gesteigertes Interesse an neuen Freunden, AktivistInnen, die in einem besetzten Haus wohnen. Dort gibt es diejenigen mit gewaltfreiem Widerstand und guten Aktionen, sowie die anderen, die sich gerne prügeln. Ganz unabhängig von der politischen Richtung. Genauso wie es die Anziehungskraft dieser Gewalt-Menschen gibt. Luisa jedenfalls verfällt ihr in Form beim Kampfsport-Trainer und Alpha-Tier Alfa (Noah Saavedra). Vom „Containern" mit anderen Engagierten dackelt sie hinter Alfa her zu Racheaktionen und Schlägereien mit widerwärtigen Rassisten und Antisemiten. Als die harten Jungs nach einem Sprengstoff-Fund den Schwanz einziehen, muss sich Luisa überlegen, wie weit sie mit ihrem Widerstand gegen die Verfassungsfeinde geht.

Das im Grundgesetz verankerte Recht auf Widerstand wird im Seminar diskutiert. Der Unterschied zwischen Gewalt gegen Sachen und gegen Personen im besetzten Haus. Spekulativ werden Stichworte wie G20 reingeworfen. Die Vegetarierin Luisa gilt zuhause als beste Schützin der Jagdgesellschaft - bald wird sie Neonazis ins Visier nehmen. „Und morgen die ganze Welt" winselt um Anerkennung als politisch aktueller und relevanter Film so wie Luisa vom linken Schläger Alfa gemocht werden will. Ihr mäßig interessanter Konflikt wird klassisch simpel durch zwei Männer – aggressiv und besonnen - verkörpert.

Den Begriff „Antifa" in die Rezeption des Films zu werfen, war überdies dumm kontraproduktiv: Die Protagonisten kämpfen gegen Faschisten. Aber das macht auch die alte Dame, die Hakenkreuz-Schmierereien beseitigt, das machten viele SchriftstellerInnen und das auch die Alliierten, die Deutschland befreiten. Also alles „Antifa".

Angesichts dieses oberflächlich politischen Films muss man hämisch auf das Vorleben von Julia von Heinz mit „Ich bin dann mal weg" und „Hanni & Nanni 2" verweisen. „Und morgen die ganze Welt" mag wie die Protagonistin sehr wohl engagiert sein, aber ästhetisch bleibt es bei purer Bebilderung. Die spannende Frage der Radikalisierung, die bessere RAF-Filme stellen, sollte bis zum halb-offenen Ende packen. Es ist aber wegen schwacher Umsetzung nicht mehr als eine filmische Fehlzündung.