28.12.20

Das Neue Evangelium


Was macht dieser schwarze Jesus in Matera, der europäischen Kulturhauptstadt 2019? Der gebürtige Kameruner Yvan Sagnet engagiert sich seit Jahren gegen die mafiöse Ausbeutung von Immigranten in der Landwirtschaft Süditaliens. Der politische Theatermacher Milo Rau verbindet nun in seiner verblüffend schlüssigen Mischung aus Doku- und Fiktion-Film „Das Neue Evangelium" diesen Kampf mit der Passionsgeschichte. Wobei Matera nicht nur als Kulturhauptstadt einlud, der Ort ist ideal für einen Jesus-Film: Drehte doch Pier Paolo Pasolini hier „Das 1. Evangelium – Matthäus" (1964) und Mel Gibson seinen blutrünstigen „Die Passion Christi" (2004). Der Regisseur Rau erklärt dem Hauptdarsteller im Film selbst: Die Halterungen für die Kreuze sind noch im Stein, man braucht nur - Klick - sein Kreuz aufzustellen.

Für andere ist die Stadt nicht ideal: Von den 30 Euro Lohn für einen Tag Arbeit unter glühender Sonne auf den Tomaten-Feldern werden noch Unkosten abzogen. Tausende Immigranten werden hier ausgebeutet. Was würde Jesus dazu sagen? Mit wem er sich heute umgeben würde, zeigt das Casting: Die ehemalige Prostituierte, die sich jetzt für andere engagiert, spielt die biblische Ehebrecherin – „wer ohne Schuld ist, werfe den ersten Stein". Der Bürgermeister will nicht den Pilatus geben, sondern das Kreuz für Jesus tragen. Ein erschreckend brutaler Italiener erzählt beim Auspeitschen rassistische Witze; der alte Darsteller von Pasolini spielt wieder den Täufer.

„Das Neue Evangelium" ist mit seinen verschiedenen Strängen erstaunlich dicht gewoben, die Verbindungen sind vielfältig: Eine Szene mit Jesus und den Fischern auf dem See löst die Erinnerung an dramatische Flucht über das Mittelmeer aus. Nach Stürmung des Konsum-Tempels im Film zeigt der Abspann als Ergebnis des Kampfes die erste faire und Mafia-freie Tomatensoße im Supermarkt.

(www.dasneueevangelium.de - Kinos erhalten 30 Prozent des Ticket-Preises)

„Das Neue Evangelium", (BRD 2020), Regie: Milo Rau, mit Yvan Sagnet, 107 Min., FSK: ab 0