(USA 2020), Regie: Pete Docter, 100 Min., FSK: ab 0
Der Nachfolger vom wunderbar klugen, psychologischen Kinderfilm „Alles steht Kopf" (2015) ist alles andere als ein Kinderfilm: Ein kurz vor seinem Durchbruch verstorbener Soul-Musiker bekommt es in einer himmlischen Zwischenstation mit der widerspenstigen Seele Nummer 22 zu tun. Wie beide zusammen die Schönheit des Lebens entdecken, macht „Soul" zum bunten Nachfolger von Frank Capras Klassiker „Ist das Leben nicht schön?" („It's a Wonderful Life" mit James Stewart).
Pixar, die Zeichentrick-Schmiede auch von „Soul", bleibt das Beste von Disney. Angefangen von der Disney-Melodie, die ganz kläglich von einer Musikklasse herunter gequält wird. Ja, Lehrer Joe Gardner (der Name eines bekannten Jazztrompeters) hat es nicht leicht. Da feiert seine „Ma" die Festanstellung, doch er träumt von einer Karriere als Jazz-Musiker. Dann bietet ihm ein ehemaliger Schüler die Chance seines Lebens am Piano der berühmten Sängerin Dorothea Williams. Doch Joe Gardner stirbt, bevor er am Ziel seiner Träume auftreten kann. Da wundert es nicht, dass Joe von der großen Treppe zum Himmel abspringt. Er landet bei den kleinen unfertigen Seelen, die noch geprägt werden müssen, bevor sie zur Erde schweben. Als angeblicher Mentor bekommt Joe ausgerechnet die Seele Nummer 22 zugeteilt: Ein raffiniertes, zynisches Etwas, das keinesfalls von hier weg will.
Herrlich, der Spaß an Joes wunderbarem Pianosolo. Zynisch komisch der babyblaue Zwerg 22, der nach einem witzigen Unfall bemerkt: „Keine Sorge, man kann eine Seele nicht kaputt machen, das passiert erst auf der Erde." Das hört sich nach einer kommenden Wiedergeburt Woody Allens an. Und spätestens hier wird klar, dass man diese Schwere eines bedeutungslosen und erfolglosen Lebens Kindern nicht unbedingt zutrauen sollte. „Soul" ist ein grandioser erwachsener Zeichentrick. Für jeden Traum-Job hat der Kleine eine ernüchternde Antwort, welche die Blase sofort zerplatzen lässt: Bibliothekar? „Wer träumt nicht davon, einen Job zu haben, der bald weggekürzt wird?"
Selbst die alte Körpertausch-Routine ist in „Soul" umwerfend komisch, wenn der Jazzpianist im Körper einer sehr dicken Katze landet und die Seele, die nie auf die Erde wollte, in seiner Hülle herumstolpert. Zwar verstehen sich die beiden, aber selbstverständlich versteht niemand die Katze. Trotzdem muss sie dem unbeholfenen Menschen sagen, wo es lang geht.
Der Suche nach dem Funken, der die leichtfertig im Vorbeigehen eingeprägten Eigenschaften der neuen Menschen komplettiert, ist eigentlich die Frage nach dem Sinn des Lebens. Dass sich Regisseur Pete Docter wie schon bei „Oben" (2009) und „Alles steht Kopf" (2015) die Antwort nicht leicht macht, führt zu einem überzeugenden und bewegenden Finale.
Während das jazzige New York recht realistisch gezeichnet wurde, erinnern die Engel, die alle Jerry heißen, an eine Picasso-Skizze. Etwas irritierend läuft hier übrigens Elektro-Musik beim Flug ins Paradies, die Hölle oder das Jenseits.
In „Soul" wird aus dem doch etwas zwangsbehafteten Disney-Auftrag „Lebe deinen Traum!" die entspanntere Erkenntnis „Genieße jede Minute deines Lebens!": „It's alright, have a good time and listen to the beat ... you've got soul" klingt es im Abspann.