Hillbillys, Teil 3: Diesmal kommt eine Busladung abgehalfterter Musical-Stars vom Broadway zu den Hinterwäldlern. Es gilt, den Schulball („Prom") von Emma (Jo Ellen Pellman) zu retten, die sich als lesbisch geoutet hat. Die konservative Schulverwaltung kann das zwar nicht verbieten, dafür aber die ganze Party absagen. Ein gefundenes Fressen für Dee Dee Allen (Meryl Streep), Angie Dickinson (Nicole Kidman) und Barry Glickman (James Corden): Die nicht mehr ganz angesagten Broadway-Sänger suchen eine „gute Sache", die ihren Karrieren wieder auf die Sprünge helfen könnte. Selbstrettungs-Maßnahmen wie „We are the world" oder „Band Aid" - nur diesmal mit Lesbierinnen. Wie verzweifelt die Helfer selbst sind, zeigt die Ankunft nach langer Busfahrt: Im wenig glanzvollen Hotel holen sie unerkannt gar ihre Tony-Trophäen aus der Tasche. (Corden bekam ihn 2012 tatsächlich für "One Man, Two Guvnors".) Vergebens – hier gibt es keine Suite, keine Extras.
Als es der weltoffene High-School-Direktor – und Musicalfan - Mr. Hawkins (Keegan-Michael Key) doch eine „diverse" Prom durchboxt, veranstaltet die hinterhältige Elternschulsprecherin (Kerry Washington) heimlich eine Parallel-Party. Jetzt hängen sich die alten Broadway-Schlachtrösser, die erst eigentlich nur ihrem Narzissmus frönen wollten, richtig rein. Nebenbei flirtet Dee Dee mit dem Schuldirektor. Und Barry verarbeitet, dass er nach seinem Coming-out vor Jahrzehnten nicht nur die Prom verpasste, sondern auch von den Eltern rausgeschmissen wurde.
Das Musical „The Prom" macht sich anfangs mit viel Glitzer und Neonfarben über angeblich so weltoffene New Yorker Künstler lustig, die mit großen Solo-Nummern betonen müssen: „Es geht nicht um mich!" Zum Glück ist da auch die bodenständige Emma als wahrer Star. Nach farbenfrohem musikalischem Mobbing in der Turnhalle und munteren Stücken wie „Don't be gay in Indiana" (Sei nicht homo in Indiana) widersetzt sie sich sogar den gängigen Rezepten, mit großen Auftritten Recht zu bekommen. Aber nicht ohne schmissige Einkaufstour mit James Corden und einem Gospel im Einkaufszentrum, um bigotte und homophobe Mitschüler zu bekehren. Das Liebesduett darf nicht fehlen, mit einem ironischen Twist: „Es braucht nur dich und mich - und ein Lied".
Nun ist „The Prom", nach dem gleichnamigen Broadway-Musical von Chad Beguelin, Robert Martin und Matthew Sklar, von der satirischen Bissigkeit her sicher nicht Mel Brooks' „Frühling für Hitler" (The Producers). Aber der Film von Ryan Murphy karikiert das übliche abgehobene und überkandidelte Musical-Theater aufs heftigste, um es dann trefflich und mitreißend wieder anzuwenden. „The Prom" begeistert und macht Spaß, dabei entstehen inmitten aller bunter Banalitäten berührende Geschichtchen, Lieben und Verletzungen. Die Drehbuch-Autoren Ryan Murphy, Bob Martin und Chad Beguelin erklären vor allem über die Figur des Musical-Fans Hawkins den Geist des Genres: Wenn die Gefühle zu groß werden, muss man singen. Um dann nach nur angetäuschter Ignoranz ein herrliches Parade-Beispiel abzuliefern.
Die erstaunliche Newcomerin Jo Ellen Pellman besteht als Emma mit Leichtigkeit und Drew Barrymore-Charme neben James „Carpool-Karaoke" Corden, Oscar-Gewinnerin Meryl Streep und Nicole Kidman, die bei „Moulin Rouge" (2001) das letzte Mal gut gesungen hat. Kidman ist hier allerdings wesentlich besser, weil es mal nicht auf ihre reduzierte Mimik ankommt (siehe „The Undoing"). So schafft es „The Prom", sich bei einer grandios glamourösen Inszenierung wunderbar selbst auf den Arm zu nehmen. Ein großer, bunter Spaß mit viel Herz.
„The Prom" (USA 2020), Regie: Ryan Murphy, mit Meryl Streep, Nicole Kidman, James Corden, Jo Ellen Pellman 126 Min. FSK ab 6