30.11.20

Mank / Netflix

Mank

(USA 2020), Regie: David Fincher, mit Gary Oldman, Lily Collins, Charles Dance, Amanda Seyfried, 131 Min., FSK: ab 12

Regisseur David Fincher steht mit großen Erfolgen wie „Gone Girl", „Fight Club", „The Game" sowie mit seiner Serie „Mindhunter" vor allem für Spannung. Dabei übersieht man die Kunstfertigkeit seiner Filme. „Mank" ist nun ein besonderer ästhetischer Genuss, eine stilistisch verspielte Hommage an das alte Hollywood mit gleichzeitiger politischer Abrechnung. Die Filmperle beginnt mit einem reizvollen Trip in die Filmgeschichte, mit vielen bekannten Namen, dem Amüsement über den – im wahrsten Sinne des Wortes - gebrochenen Autoren Herman J. Mankiewicz (1889-1953), der am Oscar-Drehbuch für „Citizen Kane" schreibt. Die Gründe, weshalb das Genie an der Flasche hängt, machen „Mank" später berührend und relevant für heute. 

Zuerst dreht sich alles um den Countdown von 60 Tagen, in denen der abgeschriebene Mankiewicz für das aufsteigende, 24-jährige Genie Orson Welles ein Drehbuch fertigen soll. Mit gebrochenen Beinen liegt „Mank" wegen eines Autounfalls im Bett, von einer deutschen Pflegerin und einer britischen Sekretärin betreut. Alkohol – gibt es nach Fertigstellung des ersten Abschnitts.

„Citizen Kane" erzählt, verkürzt, eine Enthüllungsgeschichte, stellt den einst mächtigen Medienmogul William Randolph Hearst bloß. Der sensationelle erste Film des Wunderkindes Orson Welles (Ko-Autor, Regie und Hauptrolle) aus dem Jahr 1941 wird immer wieder zum „Besten Film aller Zeiten" gewählt. Weshalb Ko-Autor Herman J. Mankiewicz seinen Freund und Mentor Hearst darin ans Messer lieferte, ist Thema von „Mank". Ein Skandal aus dem „Goldenen Zeitalter" des Klassischen Hollywood und das Porträt eines liebenswerten Verlierers, eines linken, intellektuellen Don Quixote.

Das Verhältnis von Herman Mankiewicz – nicht zu verwechseln mit seinem Bruder Joseph L. – und Hearst wird in Rückblenden zu den 30er Jahren erläutert: Da ist die platonische Freundschaft zu Hearsts jüngerer Gespielin, der Schauspielerin Marion Davies (Amanda Seyfried), die der Verleger förderte und dann beruflich zerstörte. Als im Wahlkampf für den Gouverneur Kaliforniens des Moguls Medienmacht mit im Studio MGM produzierten „Fake News" den demokratischen Kandidaten und Schriftsteller Upton Sinclaire verhindert, engagiert sich der Intellektuelle einmal. Vergeblich. In einer großen besoffenen Tirade bringt sich der zynische Schreiberling dann um den Platz als Hofnarr am Tische Hearsts.

Das Porträt der hochinteressanten Figur Herman J. Mankiewicz mit seiner Karriere, die er sich mit Alkohol und Spielsucht verbaut hat, zeigt einen typischen Ostküsten-Intellektuellen. Er lässt sich vom tief verachteten Hollywood verführen und geht an dessen Banalität zugrunde. In einem berühmten Telegramm an den legendären Autor Ben Hecht schrieb er: „Hier sind Millionen zu machen, und deine einzigen Konkurrenten sind Idioten. Lass dir das nicht entgehen." Auf eine spätere Anfrage von Dorothy Parker, der Gewerkschaft „Screen Writers Guild" beizutreten, antwortete er snobistisch, eine Autoren-Vereinigung sollte wissen, dass da ein Apostroph in den Namen rein muss.

David Fincher würdigt mit seinem in sanftem Schwarz-Weiß gehaltenen „Mank" den Journalisten und Kritiker deutscher Abstammung. Mankiewicz wird die Autorenschaft an „Citizen Kane" zugeschrieben - eine These, die Pauline Kael in ihrem Essay „Raising Kane" befestigte. Zentral in der mit einem lachenden Auge erzählten Tragödie steht die Rolle des Gebildeten in der Traumfabrik. Gary Oldman („The Dark Knight", „Harry Potter", „Das fünfte Element") verkörpert Lebens-Lust und -Frust begeisternd. Sein Mankiewicz genießt es, die Deppen stilvoll, höflich und immer treffend vorzuführen. Dabei stammte die Idee, mit den mächtigen Mitteln der Traumfabrik Politik zu machen, von ihm selbst, aber wendet sich gegen ihn. Naheliegend, da an Fincher zu denken, der nach sechs Jahren Pause seinen neuen Film nicht mit den Studios, sondern mit Netflix produzierte.