GB 2013 (Trance) Regie: Danny Boyle, mit James McAvoy, Vincent Cassel, Rosario Dawson, 101 Min.
Danny Boyles reiches und abwechslungsreiches Regie-Schaffen spannt sich von „Trainspotting", einem Kultfilm der Neunziger, bis zu „Slumdog Millionär", der indischen Hollywood-Sensation, die gleich acht Oscars einheimste. Dass auch „Trance" trotz erkennbarer Handschrift und Tonspur wieder überrascht, liegt an der äußerst raffinierten Geschichte mit ihren vielen Wendungen: Über eine flotte Schnitt- und Szenenfolge landen wir mitten in einem großen Kunstraub. Gerade wurde Goyas wunderbares Gemälde „Flug der Hexen" für 25 Millionen bei einem Londoner Auktionator versteigert, da dringen Gangster ins Gebäude ein, werfen Gasgranaten und zerstören die Überwachungsanlagen. Simon (James McAvoy), ein junger Kunstauktionator und Erzähler dieser Szene, verfährt nach Protokoll, schnappt sich das Bild, verstaut es in einer Spezialtasche und will es in einen Safe mit Zeitschloss schmeißen. Doch davor wartet schon Gangster Franck (Vincent Cassel), anscheinend Masterbrain des Kunstraubes. Als Franck jedoch Simon mit dem Kolben seines Gewehrs ko schlägt, geht in dessen Gehirn etwas schief.
Denn schnell zeigt sich eine nächste Schicht unter dem vermeintlichen Überfall. Simon arbeitete eigentlich mit den Gangstern zusammen, beraubte aber im Chaos selbst die Räuber und weiß nun nach dem Schlag auf den Kopf nicht mehr, wo er die wertvolle Leinwand versteckte. Da selbst das blutige Ziehen der Fingernägel dem Gedächtnis nicht nachhilft, versuchen sie es mit Hypnose. Die zufällig ausgewählte Elizabeth Lamb (Rosario Dawson) wird über ein witziges Medley von Ängsten und Problemchen als exzellente Spezialistin vorgestellt. Sofort durchschaut sie aber auch die seltsame Situation, dass Simon nicht wirklich seine Autoschlüssel sucht und dass die Sitzung über ein verstecktes Mikrophon Mithörer hat. Nach noch einer überraschenden Wende gibt die resolute und kluge Elizabeth plötzlich dem knallharten Gangsterboss Franck die Anweisungen: Damit Simon sich erinnert, brauche er Vertrauen, er befürchte - wieso nur? - von der Gang umgebracht zu werden. Deshalb erzählen die harten Kerle nicht nur von ihren schlimmsten Ängsten, sie geben Simon sogar die Kontrolle, vermittels eines Kode-Wortes diese in den Gruppensitzungen aufzurufen! Elizabeth sitzt nun wie eine strenge Lehrerin den schweren Jungs vor.
Es ist schon sensationell, wie Boyle es schafft, selbst bei solch aberwitzig komischen Situationen die Spannung der „Trance" enorm hoch zu halten. Überraschungen gibt es weiterhin in einer zeitweise schwindelerregend raschen Folge. Manchmal verliert Simon die Übersicht, ob er wacht oder träumt. Bild-Spielereien mit Glas und Spiegeln verstärken diesen faszinierenden Effekt. Dabei eröffnet sich die Erinnerung schließlich sehr technik-originell in Form eines iPad.
Dass „Trance" ein Danny Boyle-Film ist, machen Musik, die schräge Kamera sowie ungewöhnliche Perspektiven von Kamerameister Anthony Dod Mantle, knallige Farben und Sounds schnell klar. Ansonsten zeigt sich das gelungene Verwirrspiel von einer einzigartigen Raffinesse. Die letzte große Überraschung darf nicht verraten werden, doch sie schafft es dem schon längst packenden Gangsterfilm eine ganz andere, menschliche Dimension zu geben. Auch wenn vielleicht eine logische Frage offen bleibt, das verstärkt nur die Vorfreude auf eine nochmalige Doyle-Trance.